Sexagesimae (07. Februar 2021)

Autorin / Autor:
Prälatin Gabriele Arnold, Stuttgart [praelatur.stuttgart@elk-wue.de]

Lukas 8, 4-8

IntentionDas Gleichnis beschreibt Gottes Handeln. Und zugleich menschliche Lebenserfahrung. Von Gottes großzügigem Handeln können Menschen sich inspirieren und ermutigen lassen.

8,4 Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu ihm eilten, sprach er durch ein Gleichnis: 5 Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. 6 Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. 7 Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s. 8 Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Liebe Gemeinde,
was hat der Bauer oder der Sämann wohl gedacht, als er am Ende des Tages müde und verschwitzt nach Hause gegangen ist? Er hat die Spatzen und die Krähen gesehen und das Unkraut vom letzten Jahr und er kannte sicher auch den Felsen darunter. Vielleicht hat er gar nichts gedacht, so macht er es ja seit Jahren. Vielleicht hat er sich auch gefragt, ist es denn der Mühe wert? Reicht es? Wird es reichen, auch in diesem Jahr, was ich als Ernte einfahre? Wird es reichen, um mich und meine Familie zu ernähren? Machen kann der Sämann nichts, ja er muss das nehmen, was die Vögel übriglassen und was aufgeht. Er muss warten und zusehen. Und er wird zusehen müssen, wie die Dornen manche Keime ersticken und wie die sengende Hitze in Palästina vieles verbrennt. Eigentlich ist es unmöglich, dass da dann noch genug wächst zur Ernte.
Jesus hat mit seinem Gleichnis die allgemeine Erfahrung der Menschen damals eingefangen. Sie waren keine Hobbygärtner, sondern lebten von dem, was sie säten. Wir als Hobbygärtner haben vielleicht eine leise Ahnung, wie das ist mit dem Aussäen und dem Warten und dem, was dann kommt oder eben auch nicht kommt. Letztes Jahr habe ich viele Tütchen Sonnenblumensamen gesät und genau drei haben geblüht und im Jahr vorher war es gerade andersherum.

Erfahrung mit Dornen und FelsenAber es ist ja nicht nur die Bauer- und Gärtner-Erfahrung, die Jesus in dem Gleichnis einfängt. Es ist unsere Lebenserfahrung. So geht es uns doch manchmal, dass wir denken, es ist eigentlich ganz fraglich, dass da was draus wird. Es ist doch eigentlich sehr unwahrscheinlich, dass wir Corona überstehen und sicher rauskommen. Nach menschlichem Ermessen ist es ganz schön schwer, dass unsere Kinder gut durchs Leben kommen in diesen schwierigen Zeiten. Wir haben unsere Ziele und unsere Träume. Zugleich erfahren wir, dass sich manchmal Berge auftürmen oder sich Abgründe auftun. Da wird das Leben zum Hindernislauf, nicht nur in Zeiten der Pandemie, sondern auch schon vorher und so wird es sicher auch danach sein. Es gibt Probleme, die werden beseitigt und schwups stellt sich ein neues ein.
Manchmal geht es nicht in die gewünschte Richtung. Und dann stellt sich die Frage: Schaffe ich das? Wie soll ich das verkraften? Eigentlich ist es doch unmöglich, dass ich da durchkomme. Wir wissen, manche zerbrechen, aber dann gibt es auch wieder viele, die die Erfahrung machen: Ich bin da durch und ich bin irgendwie wunderbar getragen.

Gott der SämannDie Lebenserfahrung, die Jesus in dieser einfachen Geschichte mit dem Bild vom Sämann zusammenfasst, sie hat noch eine andere Seite. Denn Jesus meint sich selbst, und er ist nicht irgendwer, sondern er tut was Gott tut, er ist was Gott ist: ein Sämann. So kommt Gott also unter die Menschen: Als Sämann. Ist das nicht erstaunlich? Würden wir für Gott dieses Bild wählen oder hätten wir nicht lieber ein anderes? Gott ist wie ein Uhrmacher oder wie ein Organisator, einer, der ein perfektes Programm entwickelt, nach dem die Welt und die Menschen gut funktionieren. Wäre es nicht schön, Gott wäre einer, der die ganzen Abläufe bis ins Einzelne plant bestimmt und festlegt und alles im Griff hat und nichts dem Zufall überlässt?
Ich glaube manche von uns wünschten sich, dass Gott so wäre. Und ein bisschen steckt das sicher in uns allen. Kinder und ihre Eltern singen ja bis heute voll Begeisterung: Gott hält die ganze Welt in seiner Hand. Ja, Gott hält die Welt in der Hand, aber er hält sie nicht fest. Oder um zum Bild des Sämanns zurückzukommen, der Sämann hält nichts in der Hand als den Samen. Er kann und er will das Feld nicht programmieren, sondern er bekommt es nun mit den Vögeln und den Trampelpfaden, mit den Felsen und den Dornen, kurzum mit allem zu tun. Und was macht der Sämann, was macht Gott, der in diesem Bild gemeint ist? Er tötet die Vögel nicht. Er verbrennt auch das Unkraut nicht und er sprengt die Felsen nicht weg. Gott räumt die Widersprüche nicht aus dem Weg. Er vernichtet nicht das Böse und er vernichtet nicht all das, was uns an Schweren entgegenkommt. Der Sämann weiß nüchtern, dass all das Teil unseres Lebens ist. Damit muss man rechnen, damit muss auch Gott rechnen. Damit rechnet er und er manipuliert uns nicht. Er drängt uns nicht und ärgert sich auch nicht über den Acker, der voller Dornen und Disteln ist.
Nein, der Sämann gibt aus der Hand, nachdem er getan hat, was er konnte. Er hat gesät, nun lässt er es wachsen: Eines unserer Sprichworte sagt: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Aber Gott hobelt nicht, Gott sät. Und wo gesät wird, da fallen Weizenkörner. Viele gehen zugrunde und andere gehen auf. So viel Respekt, so viel Zuneigung hat Gott für uns, dass er seine Samen verschwendet und dass er Verluste und Schädlinge riskiert und erleidet. Eigentlich unmöglich, dass da je was draus wird. Aber dieser Sämann hat Zeit und er gibt Zeit. Dieser Sämann weiß, dass Wachsen Zeit braucht. Er weiß, dass da auch guter Boden ist. Er weiß, dass der Samen Kraft hat sich zu holen was er braucht. So viel Vertrauen hat Gott in uns. Er lässt es darauf ankommen, er lässt es auf uns ankommen, was aus dem Samen wird und er weiß, es wird Ernte geben, große Ernte.

Wir sind Gottes AckerfeldAuch heute noch sät Gott seinen Samen aus verschwenderisch und geduldig, wie dieser Bauer in Palästina. Täglich sät Gott seinen Samen nicht nur hier heute Morgen in der Kirche, sondern in jeder kleinen Begebenheit, jeder kleinen Begegnung. Es ist wohl wert, dass wir das festhalten und uns daran erinnern und dann fragen: Wann hat mich einer angestoßen, eine aufgeweckt? Wo hat mir jemand etwas gegeben, das sie mir weiter wuchs? Wo habe ich Gott in meinem Leben erlebt? Wir sind schließlich der Boden, der Acker dieses Sämannes.
Nun halte ich es für nicht hilfreich, Menschen einzuteilen. In Menschen, die eben ein guter Boden sind und andere, die ein unfruchtbarer Boden sind. Jesus hat Menschen nie eingeteilt. Ich glaube im Gegenteil. Wir sind jede und jeder ein ganzer Acker mit allem, was zu uns gehört. Unser Lebens-Acker hat Trampelpfade mit unausrottbar schlechten Gewohnheiten und Lastern. Unser Lebens-Acker hat Felsen mit ehernen Grundsätzen, wo nichts Menschliches wächst. Unser Lebens-Acker hat Unkraut - Trägheit, die alles erstickt. Es gibt auch auf unserem Lebens-Acker Dornen, an denen wir uns immer wieder wehtun. Aber dazwischen, immer wieder dazwischen, gibt es Fleckchen guter Erde.
Gott schafft den unfruchtbaren Boden nicht einfach ab, aber er sucht und findet guten Boden, auch in uns. Deshalb sät er so großzügig. Vielleicht hilft uns das, unseren eigenen Lebens-Acker auch liebevoller zu betrachten und anzunehmen. Da gibt es diese Trampelpfade und es gibt die Dornen und es gibt das Unkraut und es gibt diesen Felsen. Aber ich muss ihn gar nicht wegsprengen, sondern ich darf akzeptieren, dass alles das zwar da ist, aber dann eben auch in mir guter Boden. Gott sät so viel aus und was auf dem Weg verloren ging, das wird er wettmachen. Jawohl, ich bin ein steiniges Feld und Vögel gibt’s auch, aber daneben findet Gott auch gutes Land und der Weizen wächst. Bei diesem Sämann wird auch meine Ernte gut und deshalb darf das ganze Feld bleiben. So tut Gott, dass Seinige für uns.

Wir sind auch SäleuteWir sind aber nicht nur Acker, sondern wir alle sind Säleute, Säfrauen und Sämänner. In einem ganz einfachen Sinn. Alles was wir tun und sagen hat Auswirkungen und Einfluss. Alles was wir tun und sagen hat Einfluss auf unsere Kinder und Partner, es hat Einfluss auf unsere Freunde und Nachbarn und auch auf die, denen wir eben nicht gut gesonnen sind.
Was säen wir aus? Weizenkörner voller Hoffnung oder Unkrautsamen? Sind wir großzügig oder ängstlich? Scheuen wir das Risiko und den Misserfolg, der zum Säen eben auch dazugehört? Oder säen wir mit vollem Herzen und voller Freude?
Wir wollen darauf vertrauen, dass das, was wir aussäen an guten Worten und Taten Menschen auch erreicht. Sind wir dann auch bereit, wie der Sämann loszulassen und den anderen zuzugestehen, dass sie ihre eigenen Wege gehen? Sind wir bereit, den anderen Zeit zu geben? Denn Wachsen braucht Zeit. Wenn ich ungeduldig jeden Tag danach schaue, ob meine Sonnenblumen im Garten aus dem Boden kommen, dann wachsen sie nicht schneller, sondern gefühlt am langsamsten. Wenn einer zu mir sagt, lass mich doch in Ruh, dann meint er vielleicht, gib mir Zeit. Gib mir mehr Zeit zum Wachsen. Manchmal wachsen auch auf harten Böden plötzlich neue Pflanzen. Es ist so ein bisschen wie im Frühling. Jetzt im Februar sehen wir nichts, aber wir wissen, neues Leben wird kommen. Noch ist von Keimen oder gar von Ernte keine Spur, aber innendrin beginnt schon das Wachsen. Die Tage werden länger und die Sonne kommt wieder. Amen.

Predigt zum Herunterladen: Download starten (PDF-Format)