Quasimodogeniti (23. April 2017)
Johannes 21, 1-14
Ein Morgen kann ganz frisch und neu sein, liebe Gemeinde. Dann leuchtet das Morgenlicht rein wie am Anfang. Ein Licht ohne Gestern. Das Beschwerliche und das Vergebliche des vorigen Tages verblassen hinter dem Leuchten des neuen Anfangs. Solch ein Morgen ändert vieles.
An einem Morgen war alles frisch. An einem Morgen fing das Leben ganz neu an: am Ostermorgen. Dieser Morgen ändert alles. Denn Christus ist auferstanden, der Tod ist besiegt. Das Beschwerliche und das Vergebliche unseres Lebens verblassen hinter dem Licht des Ostermorgens. Alles, was wir tun, hat seit diesem Morgen eine neue Bedeutung. Alles, was wir zu geben vermögen, erscheint seit diesem Morgen in einem neuen Licht.
Mancher Morgen erinnert an diesen einen Morgen. Pilger steigen nachts auf den Moseberg, um die Sonne aufgehen zu sehen über dem Sinai. Touristen erklimmen kurz nach Mitternacht den Nemrut Berg im Südosten der Türkei, um zu erleben, wie der neue Tag das Taurusgebirge ins Morgenlicht taucht. Der beschwerliche Aufstieg verblasst. Ein solcher Morgen hebt den Tag aus allen Tagen heraus.
Einen solchen Morgen erleben die Jünger Jesu. Einige Tage nach Ostern begegnen sie Jesus. Er offenbart sich ihnen an einem Morgen. Am See Genezareth. Alles, was sie tun, erscheint an diesem Morgen in einem neuen Licht.
Wir hören den Predigttext aus Johannes 21:
„Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See von Tiberias. Er offenbarte sich aber so:
Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger.
Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sprechen zu ihm: Wir kommen mit dir. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.
Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.
Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.
Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.
Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte: 'Es ist der Herr', da gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich in den See.
Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.
Als sie nun an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf und Brot.
Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!
Simon Petrus stieg herauf und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.
Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten: Es ist der Herr.
Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch den Fisch.
Das ist nun das dritte Mal, dass sich Jesus den Jüngern offenbarte, nachdem er von den Toten auferstanden war.“
Ein Tag wie alle TageAls es Morgen war, stand Jesus am Ufer und alles, was die Jünger tun, erscheint in einem neuen Licht. Sie tun nichts Anderes als alle Tage. Der Alltag war wieder eingekehrt. Ihr Weg mit Jesus schien ans Ende gekommen zu sein. Der Herr war am Kreuz gestorben. Er war auferstanden. Er war ihnen erschienen in Jerusalem. „Wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch“, hatte er gesagt (Joh 20,21). Eine herrliche Erfahrung. So etwas erlebt man nicht alle Tage.
Und jetzt? Was kann nach einer solchen Erfahrung noch kommen? So eine Auferstehung von den Toten ist schwer zu toppen. Wie soll’s weitergehen? Für den Ruhestand ist’s zu früh. Was sollen die Jünger jetzt tun?
Petrus hat einen Vorschlag: „Ich gehe fischen.“ Das kann er. Das ist sein Beruf. Das hat er alle Tage gemacht, bevor Jesus ihn zu sich rief. Die anderen Jünger nehmen seinen Vorschlag an: „Wir kommen mit dir.“
So steigen sie in das Boot und wieder hinein in ihren Alltag. So nehmen sie das Netz in die Hand und die Arbeit wieder auf. Doch es will ihnen nichts gelingen. Eine ganze Nacht beschwerliche Arbeit. Doch vergeblich. „In dieser Nacht fingen sie nichts.“
Sie fahren zurück Richtung Ufer. Die Vergeblichkeit wird sich auf ihren Gesichtern ausgebreitet haben: Leere Netze! Die Müdigkeit wird auf ihren Augenlidern gelegen haben: Das war nichts. Da wird der Weg zum Ufer lang.
Eine Stimmung wie morgens in der U-Bahn: Die Einen kommen erschöpft vom Nachtdienst, und die Fahrt nach Hause zieht sich. Die Anderen dämmern noch müde ihrer Arbeitsstelle entgegen. Ein Tag wie alle Tage.
Eine Stimmung, wie wenn wir von einem vergeblichen Versuch zurückkehren. Wenn wir auf dem Heimweg sind und kaum etwas mitbringen außer: „Das war nichts.“
Ein Morgen im Licht des Ostermorgens„Als es aber Morgen war, stand Jesus am Ufer.“ Ein Morgen im Licht des Ostermorgens. Frisch auferstanden steht Jesus da. Die Jünger sind wieder dort, wo sie hingehören. An ihrem Ort. Die Jünger tun noch einmal, was sie alle Tage tun. Doch an diesem österlichen Morgen erscheint es in einem neuen Licht.
Liebe Gemeinde, auch uns ist ein Ort zugewiesen. Ein Ort im Leben, an dem sich unser Alltag abspielt: Unsere Arbeit, unser Kreis von Freundinnen und Freunden, unsere Familie, das Ehrenamt, ein Freizeitvergnügen. Orte, an denen wir eben tun, was wir alle Tage tun.
Alles, was wir tun, erscheint seit dem Ostermorgen in einem neuen Licht. Durch die Feinheiten dieser wunderbaren Geschichte scheint dieses neue, österliche Licht hindurch:
Der Auftrag unseres TunsUnser Tun hat einen Auftrag. Die Jünger handeln im Auftrag des Auferstandenen. „Wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch“, so sagte er kurz nach Ostern. Und jetzt, am See, wird er genauer: „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden.“
„Tut, was ihr alle Tage tut! Tut es an eurem Ort! Doch tut’s in meinem Auftrag!“ Wir handeln im Auftrag des Auferstandenen: „Ich sende euch. Werft das Netz aus!“ Selbst wenn wir bei manchem Tun den Eindruck haben: „Das war nichts“, so haben wir es doch im Namen Jesu getan. Selbst das scheinbar Vergebliche hat einen Wert. Der Auftrag Jesu adelt unser Tun.
Die Verheißung unseres TunsUnser Tun hat eine Verheißung. „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden.“ Wir tun, was wir alle Tage machen. An unserem Ort. Doch wir haben die Ankündigung Jesu im Ohr: „Ihr werdet finden.“ Das Beschwerliche und das Vergebliche unseres Lebens verblassen. Selbst, wenn wir den Eindruck haben: „Das war nichts“, so kommt doch etwas dabei raus. Selbst das scheinbar Vergebliche ist nicht verloren. „Ihr werdet finden“, sagt Jesus. „Also lasst den Mut nicht sinken. Werft die Netzte weiter aus. Versucht’s noch einmal.“
Die Zielrichtung unseres TunsUnser Tun hat eine neue Zielrichtung. Petrus „zog das Netz ans Land“, so heißt es, „voll großer Fische“. Petrus zieht? Petrus ist doch den anderen Jünger voraus, durchs Wasser, ohne Netz! Aber anscheinend muss er auch mal ziehen! Besser gesagt: Er muss auch mal was Anderes ziehen. Denn nur wenige Tage vorher, nur drei Kapitel zuvor, hat Petrus schon einmal etwas gezogen: sein Schwert (Joh 18,10). Damals im Garten, als sie Jesus gefangen nahmen, zog Petrus sein Schwert. Er hieb dem Knecht des Hohenpriesters das Ohr ab. Jetzt, nach Ostern, im Auftrag des Auferstandenen, zieht Petrus das Netz. 153 Fische hält dieses Netz zusammen. Nahrhaftes zum Leben. Speise für ein gemeinsames Essen. Unser Tun hat eine neue Zielrichtung. Es zielt auf das, worauf die Auferstehung zielt: Leben, Gemeinschaft, Beziehung. (Man könnte auch sagen: Unser Leben hat eine neue Zieh-Richtung. Denn genau dahin zieht Gott uns mit der Auferstehung Jesu: ins Leben, in die Gemeinschaft, in eine Beziehung mit ihm; vgl. Joh 6,44).
Die Grenze unseres TunsUnser Tun hat eine Grenze. Wer etwas mit Erfolg tut, dem geht’s ja zunächst leichter von der Hand. Doch Erfolg schafft Nachfrage. Man bittet uns: Tu dieses oder jenes auch noch. Übernimm diese oder jene Aufgabe zusätzlich. Das Netz wird voller. Schwerer. So wie bei den Jüngern. „Sie konnten’s nicht mehr ziehen“, heißt es. Doch weit müssen sie’s gar nicht ziehen. 200 Ellen nur, nicht einmal 100 Meter sind sie vom Ufer entfernt. Das Schwere ufert nicht aus. Unsere Verantwortung hat eine Grenze. Der auferstandene Jesus Christus steht schon am Ufer, in Rufweite steht er uns bei. Ein Gebet ist er nur entfernt. Ihm dürfen wir’s übergeben.
Was wir geben könnenDenn wir haben etwas zu geben. Diese Geschichte traut uns etwas zu! Wir leisten einen Beitrag. Was wir tun, hat eine Bedeutung.
Offensichtlich baut Jesus auf das Können und die Gabe der Jünger als Fischer. Und sie haben Erfolg! Ein Netz voller Fische. Ein Netz, so gut gepflegt, dass es nicht reißt. Und sie ziehen es ans Land.
Jesus fragt auch danach: „Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt.“ Doch kurz zuvor lesen wir: „Als die Jünger an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf.“
Jesus bittet die Jünger um das, was schon da ist. Damit entwertet er nicht die Arbeit der Jünger. Jesus legt Wert auf das, was wir zu geben vermögen. Er bittet uns darum: „Bringt es!“
Doch er überfordert uns nicht. Wir bringen ihm, was er schon mitgebracht hat. Im Licht dieses österlichen Morgens zeigt sich: Es hängt letztlich nicht an uns, ob’s nach der Arbeit was gibt. Es liegt nicht in unserer Hand, ob es nach den vielen Tagen und Nächten unseres Lebens gut ausgeht. Wir geben, was wir können. Doch Jesu Gabe geht voraus. Am Morgen steht Jesus am Ufer und hat schon erbracht, was wir bringen. Er bittet nur um das, für was er selbst schon gesorgt hat.
Das ist uns eine Ehre: Wir tun, was Jesus Christus vorher getan hat.
– Im Gottesdienst antworten wir in Lied und Gebet auf das, was Gott zu uns gesagt hat.
– Jesus Christus fordert uns auf: Glaubt an mich! Und fügt hinzu: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“
– Jesus Christus tut mit seinem Tod und seiner Auferstehung alles für uns. Und er sagt: „Das tut zu meinem Gedächtnis.“
So taucht der Ostermorgen unser Tun in ein neues Licht, liebe Gemeinde. Der Auftrag dazu stammt von Jesus Christus. Seine Verheißung begleitet unser Tun: „Ihr werdet finden.“ Wir tun es mit einer neuen Zielrichtung: für Leben, Gemeinschaft, Beziehung. Das Schwere an unserm Tun ufert nicht aus. Und wenn wir etwas tun, verlassen wir uns darauf: Jesus Christus steht am Morgen am Ufer und hat das Wichtigste schon lange selbst getan. Amen.
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