Pfingstsonntag (09. Juni 2019)
Johannes 14, 15-19; 14, 23-27
IntentionJeder Abschied trägt in sich den Zauber des Neubeginns. Im Heiligen Geist ist Gott in uns gegenwärtig. Seine Kraft hilft zum Loslassen und Empfangen.
Liebe Gemeinde,
Pfingsten ist Ferienzeit und für viele eine beliebte Urlaubs- und Reisezeit. Viele sind unterwegs auf Straßen, Rad- und Wanderwegen. Auch für Menschen, die mit der ursprünglichen Bedeutung des Pfingstfestes nicht viel anzufangen wissen, sind die Feiertage eine Zeit der Unterbrechung, eine Zeit zum Durchatmen.
Dieser Gottesdienst kann sie darin unterstützen. Der Alltag ist unterbrochen. Es ist Zeit, freie Zeit. Zeit, um innezuhalten. Zeit, miteinander Gottesdienst zu feiern. Zeit, sich von Gott dienen zu lassen im Singen, Beten, Schweigen und Hören. Zeit zum Durchatmen.
Hinführung zum Predigttext – HörerInnen werden Mitadressaten des PredigttextesDer Predigttext aus dem Johannesevangelium bringt uns in die Begegnung mit Jesus. Abschied ist angesagt. Jesus bereitet seine Jünger und Jüngerinnen auf die Zeit vor, in der er nicht mehr leibhaftig bei ihnen ist. Was wird sein, wenn sie ihn nicht mehr sehen und nicht mehr berühren können. Was wird sein, wenn seine direkten Antworten auf ihre Fragen ausbleiben. Was wird sein, wenn ihnen nur Glauben und Vertrauen bleibt, weil er selbst nicht mehr da ist. Was bleibt nach dem Abschied Jesu aus dieser Welt? Was bleibt nach seinem physischen Tod?
Jesus bereitete seine Jüngerinnen und Jünger auf diese Zeit vor. Wir befinden uns heute als Christinnen und Christen in derselben Situation. Wir können ihn nicht sehen und nicht berühren. Die Antworten auf unsere Fragen erhalten wir nicht unmittelbar. Unsere Beziehung zu ihm lebt ausschließlich vom Glauben und Vertrauen. Reihen wir uns ein unter die Jüngerinnen und Jünger der damaligen Zeit und hören wir auf den Predigttext aus Johannes 14,15-19; (20-23a), 23b-27. Es sind Worte aus den Abschiedsreden Jesu:
„Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen anderen Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.
Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; Ich komme zu euch. Es ist noch eine kleine Zeit, dann sieht die Welt mich nicht mehr. Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.
(An jenem Tage werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch. Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist´s, der mich liebt. Wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. Spricht zu ihm Judas, nicht der Iskariot: Herr, was bedeutet es, dass du dich uns offenbaren willst und nicht der Welt? Jesus antwortete und sprach zu ihm:)
Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“
Abschied ist angesagtAbschiedsgedanken wühlen auf. Vor allem dann, wenn ein ungewollter Abschied bevorsteht, oder ein Abschied, der schmerzt. Was bleibt mir noch, wenn ich loslassen muss? Was bleibt, wenn nichts mehr ist wie vorher? Aus Angst vor dem Abschied fangen manche Menschen Streit miteinander an. Der Abschied tut dann nicht so weh.
Gut und bewusst Abschied zu nehmen, ist eine Lebenskunst. Wo sie gelingt, wächst im Loslassen der Blick für Neues und Kraftvolles. Hermann Hesse beschreibt die Kunst des Abschieds in seinem Gedicht „Stufen“. Hier ein Auszug daraus: „Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“
Jesus redet von seinem Abschied, damit wir den „Zauber des Neubeginns“, das Leben danach in den Blick nehmen können. Wer Abschied nehmen muss, sei es von einem geliebten Menschen, einem Ort oder einer Aufgabe, weiß nie wirklich, was auf ihn zukommt. Unsicherheit, Sorgen und Angst können aufwühlen, belasten und lähmen. Den Jüngern und Jüngerinnen ging es dabei nicht anders. Nachdem Jesus gekreuzigt und gestorben war, konnten sie sich keine Zukunft mehr vorstellen. Ob Jesu Worte, „euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“ bis in die Herzen der trauernden, fragenden, resignierten und vielleicht auch wütenden Anhänger vorgedrungen ist, wissen wir nicht. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt: „Seid nicht aufgewühlt und erschrocken und habt keine Angst.“
Wir heute hören Jesu Worte im Glauben an die Auferstehung. Wir glauben, dass Gewalt und Tod nicht das letzte Wort haben. Jesus ist auferstanden! Deshalb können wir glauben, dass im Abschied und wenn er noch so schmerzhaft ist, der „Zauber“ des Neubeginns und des Lebens liegt. Dennoch bleiben auch bei uns aufwühlende und sorgenvolle Fragen, Sorgen und Ängste nicht aus. „Was bleibt, wenn….?“ „Wer bin ich noch, wenn…?“ „Was habe ich noch, wenn …?“
Die tragende Kraft des Glaubens in unsWas trägt uns, wenn wir Jesus nicht sehen, nicht mit ihm reden können? Was trägt unseren Glauben und unser Vertrauen? Davon redet Jesus mit seinen Jüngern – und auch mit uns.
Jesus ist ja für diese Welt als Mensch gewordener Gott nicht begreifbar. Weder vor seinem Tod noch nach der Auferstehung. Seinen Jüngern und Jüngerinnen, den Männern und Frauen, die zu ihm ihre jeweils eigene Beziehung gelebt hatten, verspricht er: „Ich lasse euch nicht als Waisen zurück.“ Er verspricht ihnen und uns, den Heiligen Geist, die Geistkraft Gottes. Sie hat viele Namen. Zum Beispiel Tröster, Beistand, Kraft oder Atem Gottes. Die Geistkraft Gottes tröstet, ermahnt, richtet auf, lehrt, erinnert, öffnet die Augen für die tiefe Wahrheit Gottes mit uns Menschen und dieser Welt. Die Geistkraft Gottes ist die Kraft, die voranbringt und weiterträgt, was durch Jesus Christus in dieser Welt begonnen hat. Auch sie ist weder sichtbar, greifbar noch für uns verfügbar. Gottes Geistkraft ist uns geschenkt. Gott der Schöpfer allen Lebens hat an Karfreitag nicht die Welt verlassen. Er hat mit seiner göttlichen Kraft in uns Wohnung genommen. Eine innigere Beziehung zwischen Gott und den Menschen kann man sich nicht vorstellen. Die Geistkraft Gottes hilft uns, mit unserem Glauben nicht an Äußerlichkeiten hängen zu bleiben. Sie führt uns zum wesentlichen Ursprung dessen, was das Leben ausmacht und trägt.
Von Gottes Geistkraft geleitet im Kraftfeld der Liebe lebenDas Wesentliche ist die Liebe. Nicht irgendeine Liebe, die sich an Sympathie oder Erotik bindet. Es ist die bedingungslose Liebe, mit der Gott uns Menschen sieht und uns begegnet. Wer sich mit seiner ganzen Person in dieser Liebesbeziehung Gottes zu uns Menschen hineinbegeben kann, der wird seine Gebote halten in aller menschlichen Unzulänglichkeit. Davon ist Jesus überzeugt. Wir bleiben nicht als Waisen zurück. Durch die Geistkraft Gottes können wir im Kraftfeld der Liebe Gottes leben. So können wir barmherzig sein und einander vergeben, wo es nötig ist. Im Kraftfeld der Liebe wächst Friede. Im Kraftfeld der Liebe Gottes können wir Abschied nehmen und doch auch neu anfangen
Ich wünsche uns allen, dass wir der Kunst des Lebens mehr und mehr auf die Spur kommen. Sie fängt an mit Abschiednehmen und Loslassen. Die Geistkraft Gottes wird uns darin leiten.
Das Gebet von Anton Rotzetter kann uns darin unterstützen:
Eine Schale will ich sein,
empfänglich für
Gedanken des Friedens.
Eine Schale für Dich,
Heiliger Geist.
Meine leeren Hände
will ich hinhalten,
offen für die
Fülle des Lebens.
Leere Hände für Dich, Heiliger Geist!
Mein Herz will ich öffnen,
bereit für die Kraft der Liebe.
Ein Herz für Dich, Heiliger Geist.
Gute Erde will ich sein,
gelockert für den Samen der Gerechtigkeit.
Gute Erde für Dich, Heiliger Geist!
Ein Flussbett will ich sein,
empfänglich für das Wasser der Güte.
Ein Flussbett für Dich, Heiliger Geist! (1)
Anmerkung
1 Anton Rotzetter aus: „Du unser Leben“, Meditationen für die Fasten- und Osterzeit, S. 115, Verlag Herder.
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