Ostersonntag (20. April 2025)

Autorin / Autor:
Pfarrer Thomas Föll, ZfP Hirsau [Thomas.Foell@elkw.de]

Johannes 20,11-18

IntentionAusgehend vom Bild des Gartens in der Bibel und in unserem Leben, geht die Predigt in Form einer Homilie dem Predigttext nach. Im Zentrum der Predigt steht die Begegnung von Maria aus Magdala mit dem auferstandenen Jesus. Maria wendet auf der Suche nach ihrem Herrn den Blick weg vom Grab. Sie erkennt zunächst „nur“ einen Gärtner. Durch seine Stimme gibt sich Jesus ihr dann vollständig als „Gärtner des Lebens und der Seele“ zu erkennen.

PredigttextMaria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.
Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du ihn hingelegt? Dann will ich ihn holen. Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!
Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. Maria Magdalena geht und verkündigt den Jüngern: »Ich habe den Herrn gesehen«, und was er zu ihr gesagt habe. (Joh 20,11-18)


Liebe Gemeinde!
Für die Ostergeschichten müssten wir eigentlich die Kirche verlassen und an einen anderen Ort gehen. Alle Ostergeschichten in der Bibel beginnen draußen.

Gärten in der Bibel und in unserem LebenDie Ostergeschichte beginnt und ereignet sich in einem Garten. In einem besonderen Garten.
„Schau an der schönen Gärten Zier“, heißt es in einem Lied von Paul Gerhardt. Auch in der Bibel spielen Gärten eine Rolle.
Es gibt den Garten Gethsemane, in dem Jesus gefangengenommen wurde.
Es gibt den Garten der Liebe im Hohenlied.
Und da ist der Garten Eden ganz am Anfang der Bibel. Er steht auch für das Paradies, nach dem wir uns sehnen. Ein geschützter Raum, wo alles seinen Platz hat und in dem der Friede regiert.
Aber dieser Garten ist auch ein Bild für etwas, das wir verloren haben. Wie als Zeichen dafür, dass wir in diesen Urzustand nicht zurückkehren können, stehen in der Bibel zwei Cheruben, zwei Wächterengel, an der Tür zum Paradies. Sie wehren alle ab, die eintreten möchten (Gen 3,24).

Auch in unserem Leben spielen Gärten möglicherweise eine Rolle.
Es gibt das Bild der Familie als Garten, als Ort, an dem alle sich wohlfühlen sollen: die Großen und die Kleinen, Kinder und Erwachsene.
In der Seelsorge reden wir von der Seele als Garten. Es ist ein Garten, der auch „Steine“ enthalten kann.
Ein Garten ist so immer auch ein Spiegel für unsere Seele: ein Spiegelbild unserer Sehnsucht nach Glück und nach einer Welt ohne Streit.
Wie geht es unserem Seelen-Garten? Wie geht es gerade zu in unserem inneren Garten?

Der Garten am OstermorgenAuch unser Predigttext spielt in einem Garten. In einem Garten, der als Friedhof genutzt wird. Wir werden gleich zu Zeugen einer der ergreifendsten Begegnungen in der Bibel.
Es ist die Geschichte von Maria aus Magdala, ‚Maria Magdalena‘. Sie begegnet Jesus … auf einem Friedhof am Ostermorgen!
Dort, wo Menschen die letzte Ruhe finden, dort, wo diese Frau scheu und still einen Besuch machen möchte und um einen letzten Liebesdienst zu tun: genau dort begegnet sie Jesus: dem, der lebt und auferstanden ist.
Das ist das Wunderschöne an ihrem Ostermorgen: Statt ein Ort der letzten Ruhe zu sein, wird dieser Friedhof zu einem Garten – zum Garten des Lebens.

Und damit hinein in unseren Predigttext. Hinein in diesen besonderen Garten.
Wir begegnen Maria aus Magdala. Sie kommt am ersten Tag der neuen Woche in aller Frühe – manche sagen „Herrgottsfrühe“ – in den Garten. Zwei Tage zuvor, am Karfreitagabend, wurde ihr Herr in aller Eile vom Kreuz abgenommen und schnell in einem Höhlengrab bestattet, bevor dann der Sabbat begann.
Nun, am Sonntagmorgen, hat sie einen traurigen Weg vor sich. „Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein.“
Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht. Maria weiß es nicht. Sie steht da. Auch für die unzähligen Trauernden unserer Tage. Und sie weint. Ihre Tränen legen einen Schleier auf ihre Augen. Mit ihrer Trauer zeigt sie ihre Liebe.
Dieses Weinen ist für sie besser als eine strenge Selbstdisziplin. Denn ihre Trauer braucht Raum. Darum ist der Friedhof an diesem Morgen ein guter Ort für sie. Friedhöfe sind auch Orte für die Lebenden. Hierher kann Maria kommen. Hier kann sie Jesus weiter nahe sein.

WeggenommenAls sie nun hineinsieht in das Grab, sieht sie dort „zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte.“ Und die Engel „sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du?“
Können wir uns diesen Schrecken vorstellen? Kein toter Jesus, aber zwei Engel sitzen da.
Die biblischen Auferstehungsgeschichten haben alle etwas von diesem Erschrecken. Maria sucht Jesus im Grab, aber er ist nicht da!
Ihr Schrecken ist so groß, dass ihre Augen und ihr Verstand noch gar nicht mitkommen. Sie sagt: „Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“
„Sie haben meinen Herrn weggenommen“, sagt sie. Es ist ihr Herr, ihr Lehrer und Meister, und er wurde ihr genommen.
Vielleicht nimmt Maria sogar an, dass er gestohlen wurde. Und „ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben“, sagt sie. Es liegt darin eine versteckte Frage, die sie sich nicht zu fragen traut, nämlich: „Wisst ihr vielleicht, wo er ist?“ Maria fragt es die Engel – also die Boten Gottes.
Jesus ist Maria abhandengekommen. Wie ist es bei uns? Vielleicht haben wir Jesus kennengelernt in der Kindheit und Jugend. Dann aber – in der Tretmühle des Lebens mit all seinen Aufgaben und Freuden und Sorgen – kam er abhanden. Vielleicht bewusst, vielleicht auch, ohne dass wir es gleich bemerkt haben. Georg Bernanos sagte es im „Tagebuch eines Landpfarrers“ einmal so: „Man verliert nicht den Glauben, er hört [nur] auf, dem Leben Form zu geben, das ist alles.“
„Wisst ihr, wo er zu finden ist?“, fragt Maria. Wissen wir, wo er sich finden lässt?
Eines jedenfalls steht fest: Er ist nicht im Grab. Biblisch gesprochen (Lk 24,5): „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“

„Sie wandte sich um“ – weg vom GrabMaria sucht nach Jesus – aber sie sucht ihn noch immer bei den Toten.
Es gibt Situationen bei uns, in denen wir ebenfalls suchen. Dabei ist das Gesuchte ganz in unserer Nähe; aber unsere schwachen Augen und unser getrübter Verstand sehen es nicht.
Erst als Maria sich umdreht, erkennt sie Jesus: „Sie wandte sich um.“
Maria ändert ihren Blick, sie sieht nicht mehr in das dunkle Grab, sondern in ihre Umgebung – „und sieht [dort] Jesus stehen“. Ganz nah ist er ihr.
Maria vollzieht eine Kehrtwendung mit ihren Augen und Gedanken. Sie schaut weg vom Grab, sie sieht das Grün des Gartens … und sieht dort eine lebendige Gestalt.
Ich denke, dass Kehrtwendungen immer wieder notwendig sind im Leben. Auch bei uns. Und es ist gut, nicht nur in den Abgrund hinabzublicken, sondern auch wieder um uns herum auf das Grün der Gärten und der Natur. „Nun aufwärts froh den Blick gewandt.“

Nur der Gärtner?Maria weiß noch nicht, „dass es Jesus ist“. Sie erkennt ihn nicht. Auf ihren Augen liegt noch der Schleier der Tränen.
„Frau, was weinst du? Wen suchst du?“, spricht Jesus sie an.
Aber Maria hält den Menschen für den Gärtner. „Nur“ für den Gärtner, könnten wir sagen. Also für den, der vielleicht gesehen hat, wo jemand ihren geliebten Herrn hingetragen hat.

So ist es wohl immer wieder im Leben. Die Augen können täuschen. Das Morgenlicht erfreut uns, aber es erhellt noch nicht die Seele. Wenn wir nur mit den Augen sehen, fehlt die letzte Klarheit. Dann sehen wir nur, was vor Augen liegt.
Wenn wir wie Maria nur ganz allgemein und unpersönlich angesprochen werden – „Du, Frau“, „Du, Mann“ –, dann fühlen wir uns nicht erkannt und wenden uns wieder ab.

Jesus spricht Maria anDann spricht Jesus ein zweites Mal Maria an – und jetzt namentlich: „Maria“, „Miriam!“.
Das persönliche Wort wirkt Wunder. Keine Erklärung, keine Belehrung, keine Ermahnung, nur das persönliche Wort: „Maria!“
Und sogleich „wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!“
Jesus kennt ihren Namen, und er spricht sie mit diesem Namen an: „Maria!“ Vielleicht liegt nun ein besonderer Klang in seiner Stimme. Und Maria weiß im Herzen: So spricht nicht irgendjemand, sondern nur er, der das Leben selbst ist!
Und sie hört seine Stimme, sie hört seinen Ruf, der ihr persönlich gilt, in ihrem Herzen und wendet sich sogleich wieder zu ihm hin. Sie sieht nun mit den Augen und mit ihrem Herzen: Er lebt. Ihr Herr und Meister lebt! Jesus lebt!
Ihre Trauer weicht, die feuchten Augen können lachen, der betrübte Blick wird hell und klar, der Tod verliert seinen Schrecken und seine Macht.
Und der Friedhof wird zum Garten des Lebens.

Jesus, der Gärtner des LebensSo betrachtet ist Jesus doch auch ein Gärtner. Ein Gärtnermeister, der einen traurigen Ort verwandelt in einen Garten des Lebens – und eine Seelenwüste in einen inneren Blumengarten.
Jesus, der große Gärtner – auch in unserem Leben. Was für ein Christusname!
Und wie vorhin Marias Schrecken übergroß war, so ist nun ihre Freude übergroß. Sie möchte Jesus umarmen, küssen, hierbehalten bei sich, ihn zurückholen in ihren Alltag.
Aber Jesus sagt ihr: „Rühre mich nicht an!“ (Das berühmte "Noli me tangere!") Man kann auch übersetzen: „Halte mich nicht länger fest! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater.“
Auch das ist Jesus: Die Auferstehung ist keine einfache Rückkehr in sein sterbliches Leben. Er geht nun zu seinem himmlischen Vater geht, um uns dort zu erwarten.
Zuvor aber gibt er eine Zusage und einen Auftrag. „Ich gehe zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott“: Jesu Gott und Vater ist auch unser himmlischer Vater. Das ist die Zusage Jesu.
Dann gibt er Maria einen Auftrag: „Geh aber hin und sage“, und verkündige „meinen Brüdern“. Nur hier nennt Jesus seine Jünger „Brüder“.
Und diese Frau, Maria aus Magdala, wird die erste Verkündigerin der Auferstehung Jesu –vor Frauen und vor Männern. Maria kehrt zurück zu den Jüngern mit einem erfüllten Herzen, und sie „verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und was er zu ihr gesagt habe.“

Der Garten der SeeleDenken wir am Ende noch einmal zurück an das Bild des Gartens. Ein Friedhof wird verwandelt in einen Garten des Lebens.
Der Lebensgarten der tieftraurigen Maria wird verwandelt zu einem blühenden Garten ihrer Seele: Das ist Ostern, Auferweckung, Neuschöpfung.
Die Tür dieses Lebensgartens ist weit offen. Da ist keiner mehr, der diesen Garten des Lebens vor uns verschließt und versperrt.
Die Tür steht offen. Der Zugang zum Garten Gottes ist frei. In ihm begegnet dieser besondere Gärtner Jesus, dem nichts so sehr am Herzen liegt wie mein Blühen und Gedeihen, wie mein Wachsen und Leben.
Heute ergeht die freundliche Einladung: Komm! Der Garten ist offen. Komm, der Schöpfer selbst bittet dich zu sich in seine blühende Welt voller Liebe und Leben. Amen.

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