Osternacht (26. März 2016)
Pfarrerin Elisabeth Küfeldt, Ansbach [kuefeldt@web.de]
Kolosser 3, 1-4
Liebe Gemeinde,
wenn’s gut geht, verlässt keiner diesen Gottesdienst so, wie er oder sie gekommen ist. Wenn‘s gut geht, verändert uns dieses Osterfest. Wenn’s gut geht, feiern wir nicht nur das neue Leben, das Jesus begonnen hat, sondern unser eigenes, ganz neues Osterleben.
Ich lese aus dem Brief des Paulus an die Kolosser aus dem 3.Kapitel:
„Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit.“
Liebe Gemeinde, Ostern kann man weitgehend sinnfrei genießen: Ostereier und Osterhasen, Osterbrot, Osterbrunnen, Osterferien, Osterdekoration – wunderbare Bräuche! Und nach der Osterzeit wandern die Holz-Osterhasen unverändert wieder ins Regal mit den Deko-Sachen und die Menschen widmen sich, ebenfalls unverändert, ihren Tagesgeschäften.
Man kann - Vorsicht: Ich provoziere! – auch ein religiös genießendes Ostern feiern mit Osternacht und Osterchorälen und Osterkerzen – und nach Ostern die Ergriffenheit und die festlichen Erinnerungen hoch befriedigt abheften – und sich trotzdem unverändert wieder den Tagesgeschäften widmen.
Oder: Es geschieht in diesen Tagen Ungeheures! Lebensveränderndes! So wie das erste Osterfest ein Riss in der Weltzeit war, wie die Auferstehung von Jesus in die Mauer zwischen hüben und drüben eine Bresche geschlagen hat, so kann uns Ostern verändern
Wie das??
Das große „Mit ihm“Paulus sagt: Christus ist gestorben – und ihr mit ihm! Er ist auferstanden – und ihr mit ihm! Christus hat neues Leben in Gott – und ihr in ihm. Christus wird einst in aller Herrlichkeit auftreten – und ihr mit ihm. Merken Sie: Das ist keine Geschichte zum Zugucken, zum Staunen und Betrachten – das ist etwas, in das wir hineingezogen sind. Fünfzehnmal kommt in Kolosser 2 und 3 die Formulierung „Mit ihm“ oder „in ihm“ vor, wie ein Ostinato, eine immer wiederkehrende Figur in einem Musikstück.
An Karfreitag hing der Sohn Gottes am Kreuz, stellvertretend für die ganze Menschheit. Er allein konnte die Schuld der Welt auf sich nehmen und endgültig dafür bezahlen. Jesus hat sich ganz eins gemacht mit den Menschen, mehr noch als an Weihnachten, wo er lediglich die gleichen Windeln getragen hat wie die anderen Menschenbabys. An Karfreitag hat er sich unter unsre Schuld gebeugt, ist sozusagen in unsre Haut geschlüpft, hat all das Widerwärtige getragen, was uns so sehr getrennt hat vom heiligen Gott – und hat es ans Kreuz getragen.
Und Paulus sagt: Das ist nichts, wo Jesus sich anschließend geschüttelt hat, bis er alles wieder los hatte, sondern diese Verbindung ist ein Angebot für alle Zeiten: In der Taufe seid ihr in seinen Tod hinein getauft; jetzt seid ihr mit ihm auferstanden, ihr lebt jetzt in ihm und er in euch.
Manchmal, wenn ein Paar sich gefunden hat, hat man den Eindruck „Die gibt es nur noch im Doppelpack.“ Oder eine junge Mutter macht der Single-Freundin das klar: „Du, mich gibt es nimmer allein, das Baby kommt halt auch noch mit.“ So sagt es, Gott sei Dank, der Gottessohn, wenn er in den Himmel kommt, zum Vater: „Mich gibt es nicht mehr allein, schau, diese, die an mich glauben, die kommen auch noch mit.“
Und wir können es sagen, wenn die Angst gegen uns anrennt: Du Angst, mich gibt es nicht mehr allein, Jesus ist hier, in mir! Oder wenn die Arbeit übermächtig wird „Nein, mich gibt es nicht allein, der allmächtige Gott ist in mir und ich in ihm!“ Oder wenn der Tod uns wegreißt von all unsern Lieben und wir die letzte Wegstrecke niemanden mehr bei uns haben „Es ist nicht wahr! Mich gibt es nicht mehr allein, der lebendige Gott, der den Tod überwunden hat, ist hier bei mir, in mir, ich in ihm!“
Was für eine umwerfende Veränderung! Beim Abendmahl nachher feiern wir es: So, wie die Nahrung jeder unserer Zellen gibt, was sie braucht, so kommt Jesus in Brot und Wein in jede Zelle, in die Hände und Füße, in jede Faser unseres Herzens. Es gibt uns nicht mehr allein!
Der neue HorizontUnd damit gibt es eine zweite Veränderung: Unser Horizont weitet sich. „Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.“ So schreibt’s Paulus.
Bei den kleinen Kindern ist es doch auch so: Die trachten nach droben. Stellen Sie sich ein Kleinkind vor, das vom Krabbeln zum Stehen und Klettern kommt: Da gibt’s ja ganz spannende Möglichkeiten und Einsichten! Die oberen Regalbretter sind erreichbar, die Tischdecke, dann ist das Sofa zu ersteigen und das Fensterbrett samt dem Ausblick nach draußen. Bis dahin verborgene Welten öffnen sich – und nach einiger Zeit ist es für das Kind völlig selbstverständlich, in dieser erweiterten Welt zu leben.
So mag es uns gehen, wenn wir in der Verbindung mit Jesus leben – und so die Welt „droben“ entdecken. Eine Welt, die es natürlich immer gab – die aber bisher so gar nicht erreichbar war. Die wir oft nicht mal auf dem Schirm haben, um ehrlich zu sein.
„Trachtet nach dem, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Hand Gottes.“ So schreibt es Paulus. Was ist denn da so begehrenswert, dass man danach „trachten“ und „suchen“ soll?
„Christus zur rechten Hand Gottes“ – das ist ein damals vertrautes und gleichzeitig provozierendes Bild-Wort.
Warum provozierend?
Das „Oben“, das so anders ist als die Hierarchie der WeltDie Welt, wie sie im Alltag erlebt wurde, war klar von oben nach unten durchstrukturiert. Die Regierenden in allen Kategorien stellten sich gern ins Rampenlicht, an ihrer rechten Seite den mächtigsten Berater, Stellvertreter oder Nachfolger. Das war bei den kleinen Provinzkönigen von Roms Gnaden genauso wie (etliche Ebenen höher) beim römischen Kaiser. Das System war klar: Die Herrschenden halten das Volk nieder, notfalls mit Gewalt; sie halten es mit kleinen Vergünstigungen bei Laune. Sie saugen es aus. Und jeder, der irgendwie die Möglichkeit hat, buckelt sich nach oben, tritt nach unten. Schmiert und profitiert.
Und jetzt Paulus: Er öffnet den Blick für die Welt, die wirklich „oben“ ist: Der allmächtige Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat. Und neben ihm Jesus, der in die Welt kam, um aller Diener zu sein. Dem man die Wunden der Kreuzigung noch ansieht, ihm, dem Gottessohn, der sich geopfert hat. Nicht die anderen opfert für seine Karriere! Sondern sich, für die Sünden der Sünder. Gekrönt nicht für einen vernichtenden Feldzug gegen seine Feinde, sondern wegen seinem freiwilligen Sterben. Bejubelt vom Volk nicht wegen seiner militärischen Stärke, sondern aus Liebe. Mit dem Vater eins nicht im knallharten Streben nach Machterhalt, sondern in seiner unbedingten Liebe zu den Menschen.
Was ist „droben“, was ist da zu kriegen? Es ist der Ort, wo wir aufschnaufen können in dieser Liebe. Wo wir tief durchatmen können nach allem Staub und Wirbel unserer Welt, es ist der Ort, wo alle Sorge ein Ende hat, weil Jesus am Hebel der Macht sitzt. Es ist der Ort, wo Angst ein Ende hat, weil Jesus die Fäden meines Lebens und der Welt in Händen hat, den ich doch persönlich kenne. Droben, das ist die Welt, wo Ehrgeiz und Neid ein Ende haben, weil es zwischen dem Vater und dem Sohn so etwas nicht gibt – und in ihrer Nähe stirbt das Großseinwollen und das arrogante Gehabe und die Angeberei. Droben, das ist aber auch die Welt, in der Krankheit und Leid und Geschrei und Schmerz endgültig ein Ende haben werden. Das ist die Welt, zu der Jesus uns in seiner Auferstehung das Tor weit geöffnet hat.
Und darum ist es einfach nur sinnvoll, nach dem, was droben ist, zu suchen und zu trachten, nicht nach dem, was auf Erden ist. Wer möchte denn, wenn er an einen reich gedeckten Tisch zum Festmahl eingeladen ist, am Boden nach den Krümeln suchen? Da mag schon die eine oder andere verirrte Cocktailkirsche oder Erdnuss zu finden sein – aber auf die geladenen Gäste wartet das Fest!
Ostern, das Fest des offenen HimmelsLiebe Gemeinde, Ostern ist das große Fest des offenen Himmels. Jesus hat die Mauer durchbrochen zwischen dem Himmel und uns. Seitdem ist „droben“ kein unbekanntes Land mehr, sondern wir wissen, dass dort Jesus an der Seite seines Vaters regiert. Wir haben freien Zugang zu ihm im Gebet, ja noch mehr, wir sind mit ihm so eng verbunden, dass wir schon dorthin gehören. Dass wir immer wieder in der Atmosphäre des Himmels tief durchatmen können, um unser Leben hier zu bewältigen.
Darum: Lasst uns suchen, was droben ist: Die Gemeinschaft mit Jesus, im Abendmahl, in seinem Wort, in der Gemeinde. Lasst uns suchen, was droben ist: die Liebe zu den Menschen, die Bereitschaft zu dienen, wie sie Jesus hat. Geben wir uns nicht mit den Krümeln an Ehre oder Besitz oder Bequemlichkeit zufrieden, die wir auf der Erde finden, sondern suchen wir nach dem himmlischen Leben in Jesus.
Amen.
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