Ostermontag (17. April 2017)
Lukas 24, 36-45
„Christus ist auferstanden!“ Das ist das Osterbekenntnis, liebe Gemeinde, und Ihr Part wäre es nun zu antworten: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“
Apologie gegen Angriffe von außenAn Ostern, da feiern wir das Leben. Feiern, dass das Leben siegt.
Von Anfang an war dies für die Glaubenden ein harter Brocken. Die Diskussionen rissen nicht ab. Was soll das heißen: auferstanden? Wie soll man sich das vorstellen? Dazu kam, dass man der neuen Gruppierung der Jesusbewegung Betrug vorwarf: „Die haben den Leichnam Jesu bestimmt geklaut, und nun behaupten sie, er sei von den Toten auferstanden! Pah, das können sie mal meiner Oma erzählen!“
Im Umfeld der Gemeinde des Lukas dachte man griechisch-philosophisch. Gott, so wurde gesagt, kann doch gar nicht sterben, also war es bestimmt so, dass Gott einen Leib angezogen hat, damit auf der Erde herumgewandelt ist, und vor dem Kreuzestod hat Gott sich einfach wieder aus dem Staub gemacht und den Leib, die tote Hülle, zurückgelassen.
Die christliche Gemeinde musste sich gegen solche Vorstellungen wehren. Zudem konnten sich die ersten Christen, also Menschen, die im Judentum verwurzelt waren, eine Existenz ohne Leib wie in der griechischen Philosophie gar nicht vorstellen. Paulus würde später dann von einem geistlichen, einem verwandelten Leib sprechen, aber eben von einem Leib.
PredigttextUnd so kommen wir zu unserem heutigen Predigttext.
Der Auferstandene erscheint seinen Jüngerinnen und Jüngern, zuerst den beiden, die auf dem Weg nach Emmaus waren. Sie erkannten den, der mit ihnen wanderte, gar nicht. Als dann der Groschen gefallen war: Das war ja Jesus, der mit uns gegangen, der uns die Schrift erklärt und mit uns gegessen hat, da marschierten sie schnurstracks nach Jerusalem zurück und berichteten den verängstigten Jesusanhängern, was ihnen geschehen war. Die waren aber noch völlig durcheinander von dem Bericht der Frauen, die das Grab leer vorgefunden hatten und einen Engel davor. Und wie wenn das nicht ein bisschen viel Verwirrung wäre für einen Abend, passiert auch noch folgendes, ich lese unseren Predigttext:
„Als sie aber davon redeten, trat er selbst mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch!
Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist.
Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz?
Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe.
Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und Füße.
Da sie es aber noch nicht glauben konnten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen?
Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor.
Und er nahm's und aß vor ihnen.
Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose und in den Propheten und Psalmen.
Da öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden.“
Jesus – ein Zombie? Auferstehung des Fleisches? Reinkarnation?Das ist ja wohl zu schön, um wahr zu sein, mögen sie sich gedacht haben! Denken wir uns vielleicht auch und tun uns schwer mit dieser drastischen Geschichte darüber, dass Jesus zum Beweis seiner leiblichen Auferstehung einen gebratenen Fisch isst.
Aber erinnern Sie sich: Man musste den Leuten das Maul stopfen, die häretische Vorstellungen über Jesus verbreiteten. Nein, er ist wirklich auferstanden. Er ist zwar verwandelt, das schon, sonst hätten sie ihn ja gleich erkannt, aber er ist leiblich auferstanden, er isst ja sogar!
Wenn man Konfirmanden fragen würde, könnten die vielleicht fragen: „Ja, war Jesus dann so eine Art Zombie, ein Untoter?“
Das sicher nicht, er war ja anders auferstanden als z.B. Lazarus, der irgendwann doch wieder gestorben ist, nachdem Jesus ihn auferweckt hatte.
Ich erinnere mich an meine Grundschulklasse in Stuttgart. Ich hatte die Passionsgeschichte erzählt, Jesu Tod am Kreuz, und es ging ein Aufschrei durch die Klasse, ein Protest: das kann nicht sein, er hat doch nur immer Gutes getan! Da sagte ein Kind, das wohl schon in der Kinderkirche oder daheim die Ostergeschichte gehört hatte: „Ach, regt euch nicht auf, ihr müsst nicht erschrecken, es geht alles gut aus, er wird wieder lebendig!“
Ganz so einfach ist das allerdings nicht mit dem „Wieder-lebendig-Werden“.
Früher hieß es in unserem Glaubensbekenntnis: Wir glauben an die Auferstehung des Fleisches. Eben weil es diese Geschichten in den Evangelien vom essenden Auferstandenen gibt. Heute sagen wir: Auferstehung der Toten. Das ist ein feiner und wichtiger Unterschied.
Denn immer noch stellen Christenmenschen sich vor, dass unser irdischer Leib wieder erstehen wird. So wie mir einmal eine alte Patientin im Rollstuhl erklärte: „Wissen Sie“, fragte sie mich, „was nach dem Tod sein wird?“ Und sie gab auch gleich die Antwort: „Da werden wir alle in den Zustand zurückversetzt, als wir 30 Jahre alt waren, und altern dann nicht mehr!“
O ja, welche Sehnsucht steckt da dahinter, dass die alten müden Knochen und der von Krankheit gezeichnete Leib wieder jung und gesund werden mögen.
Eine Freundin erzählt mir, ihr Vater ist gestorben und auf seinen Wunsch hin haben ihre Mutter und sie den Verstorbenen einäschern lassen. Jedoch war der Bruder des Verstorbenen so entsetzt darüber, dass er nicht zur Beerdigung kam und sogar den Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen hat. Denn für ihn bedeutete die Einäscherung, dass man damit die Auferstehung unmöglich gemacht hat.
Ich meine, dieser Bruder irrt sich, liebe Gemeinde, denn unser alter irdischer Leib vergeht in der Tat und wird nicht wiederbelebt wie ein Zombie. Gott, der diese Welt und uns Menschen geschaffen hat, der wird uns neu schaffen. Das alte Material braucht er dazu nicht. So kleinkariert müssen wir nicht über ihn denken. Gott sei Dank, denn das würde ja bedeuten, dass ein Behinderter in alle Ewigkeit wieder behindert sein würde. Nein, dieser Leib vergeht. Und trotzdem wird es eine Kontinuität geben, trotzdem werden es wir sein, die auferstehen werden.
Verstehen und begreifen können wir das mit unserem irdischen Horizont wohl nicht.
Und so begegnet mir auch unter uns Christen immer wieder die Vorstellung der Reinkarnation. Offenbar ist es den Menschen einleuchtender zu glauben, dass wir immer wieder in neuer Gestalt auf diese Erde zurückkommen, als sich in Gottes Reich in einem neuen Leben geborgen zu wissen.
Um es ganz klar zu sagen: An die Reinkarnation glauben wir als Christen nicht!
Jesus geht mit seinen Wunden ins Reich GottesWerfen wir nochmal einen Blick auf unsere Geschichte.
Es rührt mich an, dass Jesus seine Wunden an den Händen und Füßen zeigt.
Er ist also nicht vergessen: der Verzweiflungsschrei „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Mit den schlimmsten körperlichen und seelischen Verletzungen geht Jesus ein in Gottes Reich. Gott wird nicht einfach alles vom Tisch wischen. Gott wird nicht sagen: war nicht so schlimm, jetzt ist es ja vorbei, sondern er würdigt und sieht alles, was auch wir durchmachen. Und es bleibt nicht so, wie es war, denn es kann nicht sein, dass die Mörder und Peiniger bis in alle Ewigkeit Recht behalten werden. Aber wir werden verwandelt hervorgehen aus dem allem, was wir durchgemacht haben. Liebe wird die Macht sein, die alles überstrahlt. Wie Marie Luise Kaschnitz in ihrem Gedicht „Ein Leben nach dem Tode schreibt“:
„Nur Liebe, frei gewordne,
Niemals aufgezehrte
Mich überflutend…“
Denn Gott, der Liebe ist, wird alles in allem sein, und wir werden zu ihm gehören.
Wenn Jesus in unsere Mitte tritt…Und ein bisschen ist es auch so, als Jesus selbst in die Mitte der Jüngerinnen und Jünger tritt:
Alle Diskussionen verstummen. Ich denke, das ist ein zentral wichtiger Punkt. Wenn wir von außen diskutieren und abwägen und theologisieren, wie sich denn das nun verhält mit der Auferstehung, wie es denn nun sein wird, treten wir auf der Stelle. Jesus muss in unsere Mitte treten. Mit seinem neuen verwandelten Leib sind Mauern kein Hindernis für ihn, auch nicht die Mauern, die wir um unser Herz herum aufgebaut haben.
Wie ist das nun mit der Auferstehung? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, wenn Jesus uns begegnet, uns nahe kommt, dann enden die Fragen und Diskussionen. In einem Ostergottesdienst, den ich nicht vergessen werde, ist es mir einmal so passiert. Der Gottesdienst war nichtssagend und belanglos. Ich hatte begonnen, im Gesangbuch zu blättern. Und plötzlich trat Jesus herein. Ich las einen Vers von Paul Gerhardt aus seinem Osterlied „Auf, auf, mein Herz mit Freuden“:
„Ich hang und bleib auch hangen
an Christus als ein Glied;
wo mein Haupt durch ist gangen,
da nimmt er mich auch mit.
Er reißet durch den Tod,
durch Welt, durch Sünd, durch Not,
er reißet durch die Höll,
ich bin stets sein Gesell.“
Mehr will ich nicht, mehr kann ich nicht, als mich an ihn zu hängen.
Er nimmt mich mit, egal, ob ich glaube oder zweifle, ob ich verstehe oder nicht verstehe.
Und zum Schluss, so Paul Gerhardt, bin ich im Himmel. Und wie das gegangen ist, weiß ich nicht. Amen.
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