Letzter Sonntag nach Epiphanias (02. Februar 2025)
2. Mose 3, 1-14
IntentionNamen haben Gewicht, sie sind nicht Schall und Rauch. Wer einen Namen trägt, kann angesprochen werden und einen Auftrag erhalten. Das erlebt Mose am Dornbusch, der brennt, aber nicht verbrennt. Und erfährt dazu den Namen, mit dem Gott für uns ansprechbar ist.
PredigttextMose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!
Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Drangsal gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.
Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? Er sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott dienen auf diesem Berge.
Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt. (2. Mose 3, 1-14)
Hier bin ich!Mose aber hütet die Schafe. Mose? Wir kennen ihn, liebe Gemeinde, wir kennen seine Geschichte. Mose wird als Säugling in einem Schilfkörbchen auf den Nil gesetzt, er wird von einer Tochter des Pharaos gerettet und großgezogen. Er erhält einen ägyptisch klingenden Namen, er wird ägyptisch erzogen, vergisst aber nicht, wo er herkommt und wohin er eigentlich gehört. Mose sieht, dass sein Volk Sklavendienste leistet, und in ihm wächst die Wut darüber, dass die einen befehlen und die anderen gehorchen. Im Zorn erschlägt er einen ägyptischen Aufseher und muss daraufhin fliehen, nach Osten, in die Wüste. Er findet Unterschlupf bei den Midianitern, er heiratet eine Midianiterin, Zippora mit Namen, er arbeitet für seinen Schwiegervater, einen Priesterkönig mit Namen Jitro. Und dann, jäh und unerwartet, beginnt seine Geschichte noch einmal neu. Denn Mose begegnet seinem Gott. Der ruft ihn, und Mose antwortet: Hineni, zu Deutsch: Hier bin ich.
GottesbegegnungGottesbegegnung, göttliche Berufung: Kennen Sie das? Haben Sie schon einmal plötzlich eine Stimme gehört, die ihren Namen gerufen hat, eine Stimme, die Sie dazu gebracht hat, ihr Angesicht zu verhüllen und wegzuschauen? Für die Alten, für die Gottsucher und Gottfinder im Alten und im Neuen Testament, ist die Begegnung mit dem Göttlichen beides: Furchtbar und hinreißend, schrecklich und faszinierend in einem Augenblick. So ergeht es Mose, dem Mann aus Ägypten, dem flüchtigen Mörder. Denn das Göttliche, das Große, das Überwältigende, das aus dem Feuer spricht, aus dem Dornbusch, der brennt, aber nicht verbrennt, kennt seinen Namen und spricht ihn an: Mose, Mose.
NamenDas geheime Thema dieser Geschichte sind die Namen. Am Anfang ruft Gott einen Menschen bei seinem Namen. Und am Ende der Szene stellt er sich selbst bei seinem Namen vor: Ich werde sein, der ich sein werde.
Es geht um Namen. Und einen Namen zu haben, einen Namen zu tragen, beim Namen gerufen zu werden, sich einen Namen zu machen: All das macht den Menschen erst zum Menschen. Wir alle haben einen Namen, niemand ist namenlos. Und wissen: Wo einem Menschen der Name genommen wird, wo er zur Nummer wird, wird es brisant. Dann muss er Angst haben, was als nächstes mit ihm geschieht. Auf einem Amt eine Nummer zu ziehen, ist noch vergleichsweise harmlos. Doch auch Gefangene erhalten eine Nummer, und Soldaten tragen sie um den Hals.
Wir haben einen Namen, wir wollen beim Namen gerufen werden und keine Nummer sein. Das ist das eine. Das andere ist dies: Wir wollen den Dingen einen Namen geben. Der Mensch will andere und anderes benennen. Sein Haustier etwa. Oder sein Auto. Der Geliebte, die Geliebte, das Kind erhält einen Kosenamen. Die Chefin, der Lehrer und alle, die Macht haben, müssen damit rechnen, einen Spitznamen zu erhalten: Ein Trump wird zum Trumpel, ein Scholz zum Scholzomat und so weiter.
Der AuftragJetzt ruft Gott Mose bei seinem Namen. Ins Inkognito, in die namenlose Weite der Wüste war der Mörder verschwunden. Dort kennt mich keiner, mag er sich gedacht haben. Mein Schwiegervater kennt meine Geschichte nur in groben Zügen, und alles weiß nicht einmal meine Frau.
Aber sein Gott, der sieht ihn, der kennt ihn und ruft ihn beim Namen. Er weiß, wer Mose ist und woher er kommt: Aus Ägypten, und dahin soll er zurück.
Unangenehm ist das, stelle ich mir vor. Da ist einer, der Mose kennt, der ihn allzu gut kennt, und jetzt beginnt er zu reden und stellt sich ihm vor als Gott der Väter und Mütter und sagt ihm zudem, was er will und vorhat: „Ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt“
Nun gut, soll er doch, denkt sich Mose, soll der Gott der Väter und Mütter doch sein Volk in die Freiheit führen. Was habe ich damit zu tun? Vielleicht ahnt er da schon, dass er aus der Nummer nicht mehr rauskommt. Denn Gott zeigt sich ja nicht einfach so. Er hat etwas vor, er verfolgt einen Plan, und in diesem Plan hat Mose eine Stelle und eine Aufgabe. So ist das: Wer einen Namen hat, wer keine Null ist, der oder die kann auch gerufen werden, der oder die kann einen Auftrag erhalten, von dem oder der kann man etwas erwarten: „So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.“
Ich, wieso ich? Sind Sie schon einmal Gott begegnet, haben Sie seine Stimme gehört, eine Stimme, die Sie beim Namen ruft und in die Pflicht nimmt? Du sollst hingehen und dieses und jenes tun? Du sollst deinen Mund aufmachen und Einspruch erheben? Ich, fragt Mose? „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?“ Mose macht sich klein, er duckt sich weg, ganz menschlich ist das, wenn die Aufgabe zu groß und die eigene Kraft zu gering scheint. An Herausforderungen soll man wachsen, aber nicht mit mir, denkt sich Mose. Und Gott erklärt: „Ich will mit dir sein.“
Gottes NameDoch das reicht Mose nicht. So oder ähnlich hört man es ja auch von den Kanzeln: Gott ist mit dir, tönt es herab, er begleitet dich, er verlässt dich nicht. All das sagt sich so leicht, aber das Herz sitzt eben immer noch in der Hose. Wenn Sie bei Gelegenheit einmal weiterlesen über den verlesenen Text hinaus, dann sehen Sie: Mose will aus der Nummer raus, unbedingt, und probiert ein Argument nach dem anderen. Der Tenor: Ich kann das nicht, ich bin komplett ungeeignet, such dir einen anderen.
Doch Gott lässt keinen Einwand gelten. „Ich will mir dir sein“, so sein Versprechen. Und dann, und das ist von höchster Bedeutung, vertraut er dem Mann, der ihm so beharrlich widersteht, dem flüchtigen Mörder, etwas Großes an: Er nennt ihm seinen Namen. Er sagt ihm, wie man ihn ansprechen soll. Nicht mehr: Gott der Väter, Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, sondern ab sofort kurz und bündig JHWH, das sind vier Konsonanten im Hebräischen, und ihr Sinn ist dieser: „Ich werde sein, der ich sein werde.“
Ha Shem, AdonaijGott verrät Mose seinen Namen. Diese Stelle, 2. Mose 3, Vers 14, gehört zu den wichtigsten der Bibel überhaupt. Nein, Namen sind nicht Schall und Rauch. Nur der Gott, dessen Namen ich kenne, kann mein Gegenüber werden. Mit dem kann ich reden, mit dem kann ich streiten, bei dem kann ich heimisch werden, der ist mein Gott.
Der Name Gottes, den Mose als erster erfährt, ist im Judentum heilig. Er ist so heilig, dass man ihn nicht nur nicht missbrauchen darf (das wissen wir aus dem zweiten Gebot), sondern dass man ihn nicht einmal ausspricht, sondern respektvoll umschreibt. Wo der Gottesname im hebräischen Bibeltext erscheint, da liest man in der Synagoge voll Ehrfurcht Adonaij, mein Herr, oder Ha Shem, der Name. Martin Luther, der Bibelübersetzer, kennt die jüdische Sitte. Wo in der Lutherbibel die vier Konsonanten des heiligen Namens erscheinen, steht HERR in Großbuchstaben.
Ha Shem, Adonaij, HERR, das heißt: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Gott ist Geheimnis, und er bleibt Geheimnis. Er ist der, der sich zeigt, wann und wo und wie es ihm gefällt. Er ist der Gott, der mitgeht, der sich finden lässt, der sich aber niemals fassen und festhalten lässt. Der Gottesname, den Mose als erster erfährt und mit dem im Herzen er nach Ägypten zurückzieht, mit dem er den Kampf gegen den Pharao aufnimmt und mit dem er schließlich triumphiert: Dieser Name ist höher als alle Namen.
Daran erinnert zu werden, schadet uns Christinnen und Christen nicht. Nein, es tut uns ausgesprochen gut. Der Gott, an den wir uns wenden als Miterben des ersten Bundes, ist kein Kuschelgott. Er ist der Heilige, der Große, der Erhabene, dessen Name gelobt sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er ist, Gott sei Dank, zugleich der Gott, der ansprechbar ist, dessen Herz offensteht und uns zugewandt ist.
HERR, unser Gott, beten wir. Das ist eine Möglichkeit. Die andere ist die, die uns Jesus Christus eröffnet. Er hat anders als Mose keinen Dornbusch gesehen, der brennt, aber nicht verbrennt. Die Stimme Gottes gehört aber hat er. Und begriffen, dass der Gott, „der sein wird, der er sein wird“, sein Vater und unser aller Vater ist. Sein Name werde geheiligt im Himmel wie auf Erden. Amen.
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