Letzter Sonntag nach Epiphanias (21. Januar 2018)

Autorin / Autor:
Dekan Dr. Ekkehard Graf, Marbach [Ekkehard.Graf@elkw.de]

Offenbarung 1, 9-18

Was für ein großartiges Bild, das uns hier vor Augen gemalt wird! Dazu drei Gedankengänge: Gott spricht mit seiner Stimme – Gott spricht durch Bilder – Gott spricht durch die Bibel.

Gott spricht mit seiner StimmeInteressant ist die Zeitangabe: Gott spricht mit Johannes am Tag des Herrn. Bei uns heißt dieser Tag Sonntag. Aber in anderen Sprachen wird er heute noch als Tag des Herrn bezeichnet und lautet Domenica oder Domingo. Der Tag heißt deshalb so, weil an dem Wochentag Jesus auferstanden ist. Deshalb haben sich die ersten Christen von Anfang an sonntags versammelt, und so ist es bis heute. Das ist der Tag, an dem wir zusammenkommen, um auf Gottes Stimme zu hören.
Wenn wir sonntags zum Gottesdienst kommen, haben wir eine wertvolle Tradition: bevor wir uns hinsetzen, bleiben wir im kurzen stillen Gebet stehen und bitten um die besondere Gegenwart Gottes, dass er uns an diesem Morgen ganz persönlich anspricht. Dann erst setzen wir uns hin.

Auch Johannes hat an einem Sonntag Gottes Stimme ganz besonders gehört, unüberhörbar und deutlich. Er sagt, so laut wie eine Posaune, wie ein Wasserrauschen. Und was ist die Botschaft dieser Stimme? Er sagt: „Ich bin!“ Johannes war Jude, sofort merkt er: Hier spricht Gott! Denn das ist der Gottesname, den schon Mose zu hören bekam.

Und nun sagt er ein dreifaches „Ich bin“: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.“ Das bedeutet: „Ich war schon immer, ich werde immer sein, ich bin nicht tote Materie, sondern Leben an sich.“ Ohne Gott gibt es überhaupt kein Leben auf dieser Welt, keine Pflanze, kein Tier, geschweige denn ein Mensch könnte leben, ohne dass Gott seinen Lebenshauch hineingibt in seine Schöpfung. Dieses „Ich bin“ dürfen wir für uns ganz persönlich hören. Gott sagt zu dir: „Ich bin für dich da. Ich bin derjenige, der deine Schmerzen kennt. Ich bin in deinem Leid dabei. Ich bin aber auch mit dir fröhlich. Ich bin, einfach so, für dich!“

Diese Zusage wird Johannes gestärkt haben. Er war in einer Christenverfolgung unter Kaiser Domitian verhaftet und in eine Sträflingskolonie auf der ägäischen Insel Patmos verbannt worden. Vielleicht musste er Zwangsarbeit verrichten. Johannes beschreibt es nicht näher, weil es ihm nicht wichtig ist, von seinen Leiden zu berichten; sondern er schreibt von dem, was er mit Jesus erlebt.
Er nennt sich den Bruder der Gemeinde. Damit sagt Johannes: Ich bin einer, der von Jesus und seiner Geduld abhängig ist, wie alle anderen Christen. Ich bin nicht besser oder heiliger als die anderen. Keiner erhebt sich in der Gemeinde über den anderen. Damit lernen wir von Johannes: Wir hören gemeinsam auf Gottes Stimme. Es gibt keinen, der besser, heiliger oder klüger ist. Wir sind alle gleichsam abhängig von der Geduld Jesu Christi. Wir leiden gemeinsam und freuen uns auch gemeinsam. Nur so können wir Gottes Stimme hören.

Und da hören wir diese großartige Botschaft: „Fürchte dich nicht!“ Das ist die Stimme der Liebe, das ist die Stimme der Gnade, die Stimme der Barmherzigkeit, die Stimme, die wir hören dürfen. Gott spricht mit seiner Stimme, und wir dürfen hören. Sind wir bereit zum Hören?

Gott spricht durch BilderAls Johannes sich umdreht, entfaltet sich ein gigantisches Bild vor seinen Augen. Zuerst sieht er sieben Leuchter, die für die sieben Gemeinden stehen, an die er diese Offenbarung schreibt. Aber die ersten Christen haben gleich gemerkt, diese Schau ist nicht nur für Thyatira und Sardes und die anderen Gemeinden bestimmt. Das geht alle Christen weltweit an. Deshalb ist die Offenbarung auch in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen worden. Die Leuchter stehen also symbolisch für alle christlichen Gemeinden auf der ganzen Welt. Und warum das Symbol der Leuchter? Weil Christen mit ihren Gemeinden das umsetzen, was Jesus gesagt hat: „Ihr seid das Licht der Welt! Bestrahlt von meinem Licht, dürft ihr strahlen und glänzen und etwas von meinem Licht in die Welt hinaustragen.“ Christen bleiben nicht unter sich im gemütlichen Gemeindehaus oder in der schönen Kirche. Nein, sie können gar nicht anders: Sie werden hier angestrahlt von Gottes Licht und Gegenwart, dann gehen sie strahlend nach Hause in ihre Familien, an ihren Arbeitsplatz.

Johannes sieht eine göttliche Person, ähnlich einem Menschensohn. Obwohl Johannes Jesus von Angesicht zu Angesicht kannte, konnte er ihn in diesem Moment nicht gleich erkennen. Weil Jesus ihm hier in seinem strahlenden Ewigkeitskörper erscheint. Jesus trägt ein langes Gewand, das ist das priesterliche Gewand. Er ist angetan mit einem goldenen Gürtel, das ist das Zeichen eines Königs. Jesus ist also Priester und König. Und sein Gesicht leuchtet wie die Sonne. Genauso hat Daniel einst schon Jesus gesehen. So haben auch die Jünger Jesus auf dem Berg der Verklärung gesehen.

Und Jesus hat Augen wie Feuerflammen. Das heißt, er durchschaut alles. Jesus liest in uns wie in einem Buch. Seine Augen sehen bis ins Allertiefste deines Herzens hinein. Aber nicht, weil er dich damit richten will, sondern weil er dich heilen will in deinen ganz tiefen Verletzungen, in deinen ganz großen Sorgen. Was du nie jemand anderem sagen kannst, was du vielleicht selbst gar nicht in Worte fassen kannst, weil es nur so ein ungutes Gefühl ist. Da hinein sieht Jesus, und er kommt mit seinem Licht, um dich zu retten, zu heilen, zu verändern.

Johannes sieht an Jesus Füße wie gehärtetes Gold, das heißt: er kommt eines Tages als der klare Sieger, als der wahre König der Welt zurück. Deshalb haben die ersten Christen gerufen: Maranatha – Herr komm bald! Ja, er wird kommen, aber wir können nicht berechnen wann. Völlig überraschend, wie ein Dieb in der Nacht, von jetzt auf nachher, wird er kommen.
Und dann sieht Johannes noch sieben Sterne in seiner Hand. Das ist ein ganz ähnliches Bild wie die sieben Leuchter. Aber nun erfahren wir, dass Jesus alle christlichen Gemeinden in seiner Hand hält. So sagte er einmal: „Niemand kann sie aus meiner Hand reißen!“ Jesus ist der Leiter der Gemeinden. Jesus hält uns in seiner Hand. Was für ein Bild. Die Frage ist: Sehe ich Jesus noch in seinem Strahlen, in seiner Liebe, in seiner Fürsorge?

Gott spricht durch die BibelZu Johannes sagt Jesus: „Was du gesehen hast, das schreibe auf!“ Die Bibel ist von Menschenhand geschrieben, deshalb ist auch manches nach zwei- bis dreitausend Jahren erklärungsbedürftig. Aber Gott spricht durch das von Menschen Geschriebene bis heute noch. Er sprach damals in konkrete Situationen im Land Israel und in den neutestamentlichen Gemeinden, aber das ist immer auf uns heute übertragbar. Denn was damals von Gott empfangen wurde, waren keine persönlichen Offenbarungen, sondern sollte immer die ganze Gemeinde ansprechen und stär-ken.

So ist es auch heute noch. Wer von Gott etwas hört und empfängt, soll es mit anderen teilen. Aber es bleibt, dass die Offenbarung von Gott mit der Bibel abgeschlossen ist und durch heutige Bilder und Worte nur noch bestätigt wird. Es tut gut, auch heute noch Gottes lebendiges Wort über die Bibel hinaus immer wieder zu hören. So soll auch jede Predigt ein aktuelles lebendiges Wort Gottes werden, als eine Auslegung dessen, was in der Bibel steht. Doch das wird nicht jeder Predigt gelingen. Da ist es gut, dass wir in unseren Gottesdiensten noch weitere Formen von Gottes Wort haben: Lieder, Gebete, Lesungen – all das kann uns zum persönlichen Reden Gottes werden, das man in die Woche mitnehmen kann. Deshalb ist es gut, Gott zu Beginn eines jeden Gottesdienstes zu bitten, dass die Verkündigung immer mehr zu Gottes Wort in mir wird. Denn letztlich spricht Jesus tröstlich und ermutigend, aber manchmal auch scharf und deutlich wie ein Schwert. Auch das ist nötig, denn Jesus möchte uns durch sein Wort bewegen und verändern, ganz persönlich.

Amen.

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