Lätare / 4. Sonntag der Passionszeit (30. März 2025)
Johannes 6,47–51
IntentionBrot ist ein wunderbares Bildwort. Jesus nutzt in seiner Verkündigung die ganze Spanne der Brotzubereitung vom Säen und Wachsen über das Ernten und Mahlen der Körner bis zum Zubereiten und Brechen des Brotes. Im Bildwort vom Brot wirbt Jesus für Glaube und Vertrauen auf ihn. Verstand, Leib und Seele werden dadurch genährt und das Rückgrat gestärkt.
PredigttextWahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben.
Ich bin das Brot des Lebens.
Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben.
Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe.
Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch – für das Leben der Welt. Johannes 6,47–51
Hungern in Armut, hungern im ÜberflussLiebe Gemeinde! Die Worte Jesu gehören in eine Welt, in der viele Menschen Hunger kennen. Ich meine jetzt nicht den Hunger, wenn wir im Restaurant auf die Uhr schauen – die Küche oder die Bedienung lässt sich mal wieder Zeit. Auch das kann unangenehm sein. Im Englischen heißt das „hungry“. Für hungrig sein gibt es dort aber noch ein zweites Wort: „starving“ – das heißt, tagelang, vielleicht wochen- oder monatelang nicht genug bekommen. Nicht freiwillig fasten, sondern unfreiwillig „darben“, so hat man früher gesagt. So dass man vor allem nur an das eine denken kann: Wie fülle ich dieses entsetzliche schwarze Loch in meinem Bauch? Das raubt mir nach und nach die Kraft. „Starving“ hängt eng mit dem deutschen Wort „sterben“ zusammen – verhungern. Ein paar Sätze vor unserem Predigttext hat Jesus gesagt (V. 35): „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ –Hunger, Appetit und Durst haben ist etwas Vitales, Lebendiges und Gutes. Aber ständig zu wenig bekommen, ist scheußlich. Das meint Jesus hier.
Immer noch und immer wieder gibt es Länder, in denen Tausende, ja Millionen nicht genug zu essen bekommen, durch Krieg, durch Dürren und Missernten, durch Ungerechtigkeit und Getreidespekulation. Und auch bei uns in Europa müssen sich viele Sorgen machen um das Sattwerden. Die vielen bunten Fertigwaren in den Supermarktregalen, industriell hergestellt mit künstlichen Zusatzstoffen, machen es nicht besser. Viele davon sind nicht gesund, sie überschwemmen uns mit Zucker, Salz, Fett und Stärke. Bei vollem Magen herrscht dann im Körper Mangel und Übersättigung zugleich. Kinder, Jugendliche, Erwachsene werden krank. – Ernährungsberater versuchen gegenzusteuern: in Kindergärten und Schulen, in Volkshochschulen und im Internet wird uns gesundes Essen angepriesen, werden Rezepte veröffentlicht. Und wir können ihnen nur viel nachhaltigen Erfolg wünschen!
Jesus teilt Brot aus und ist selber Brot des Lebens„Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit“, sagt Jesus. Wie kommt er auf dieses Thema? Am Tag zuvor waren ihm tausende Menschen in eine wenig bewohnte Gegend nachgelaufen und hatten ihm zugehört. Jesus hatte seine Jünger gefragt, wo sie für so viele Menschen Brot herbekommen sollten. Eine fast unmögliche Aufgabe. Ein Junge hatte ihnen fünf Brote und zwei Fische überlassen. Jesus ließ alle sich setzen, er sprach das jüdische Dankgebet und reichte Brote und Fische herum. Alle wurden satt, und die Jünger sammelten noch zwölf Körbe voller Brocken ein, „damit nichts umkommt“.
Für die Menschen im dauernden Mangel war das eine elektrisierende Erfahrung. Da gab es einen, der konnte mit Wenigem ihren Hunger stillen, das innere Vakuum füllen.
Jesus merkte, dass sie ihn festhalten und zum König erklären wollten. Mit ihm auf dem Thron hätten sie ausgesorgt. Da ging er leise weg, ab durch die Mitte, auf einen einsamen Berg.
Zurück in Kapernaum haben die Leute am nächsten Tag nach ihm gesucht. Jesus hat sie in ein schwieriges Gespräch verwickelt. „Ihr habt von dem Brot gegessen, und jetzt wollt ihr jeden Tag so satt werden. Aber Gott will euch Brot geben, das ewiges Leben schenkt. Und dieses Brot bin ich. Glaubt an mich, dann habt ihr das Brot des Lebens!“
An dieser Stelle, liebe Gemeinde, treten die sattgewordenen Leute heraus aus dem euphorischen Wunder-Modus! Sie aktivieren ihren Verstand und ihr Selbstwertgefühl, sie spüren Diskussionsbedarf und erinnern Jesus an Mose. Er hat ihren Vorfahren in der Wüste das Manna gegeben, Brot vom Himmel. In Psalm 78 (V. 24f) wird daran erinnert: Gott „ließ Manna auf sie regnen … und gab ihnen Himmelsbrot. Brot der Engel aßen sie alle“, so heißt es dort. „Willst du“, sagen sie zu Jesus, „willst du genauso wichtig sein wie Mose – dann beweise es uns!“ – Dabei übergehen sie, dass sie erst am Tag zuvor auf wunderbare Weise sattgeworden sind. Jesus könnte sich jetzt verärgert abwenden, aber er lässt sich darauf ein. „Ich bin das Brot des Lebens. Eure Vorfahren haben in der Wüste das Manna gegessen. Trotzdem sind sie gestorben. – Das hier ist das lebendige Brot vom Himmel, damit man es isst und nicht stirbt.“
Nahrhaftes für Verstand, Leib und SeeleLiebe Gemeinde, können uns diese Sätze Jesu aus dem Johannesevangelium etwas geben, etwas Nahrhaftes für unsre Seele, für Leib und Verstand?
Ja, Jesus, das Brot des Lebens, spricht tatsächlich auch meinen Verstand an. Das Manna in der Wüste, wohl Saft aus der Tamariskenrinde, war sozusagen eine natürliche Gabe Gottes zum Überleben in der Wüste – so wie das Wasser und die Wachteln. Im Unterschied dazu ist Brot ein Kulturprodukt, hergestellt von Menschen aus den Früchten der Natur. Die ältesten Funde von ungesäuertem Brot sind ca. 14.000 Jahre alt, damals noch aus dem Mehl von Wildgetreide, vor 10.000 Jahren dann mehr und mehr aus dem planvollen Getreideanbau. Vor 5000 Jahren wurde dann der Teig mit den Hefepilzen des Sauerteigs vermischt, das Brot wurde lockerer und schmeckte besser. Besonders die alten Ägypter beherrschten diese Kunst, sie kannten schon 30 Brotsorten. Heute ist möglicherweise Deutschland Brot-Weltmeister mit Hunderten von Sorten.
Jesus zeigt uns sein Geheimnis im Bild des Brotes. Vom Aussäen, Ernten und Dreschen, durch Mahlen, Teigkneten und Durchsäuern, durch Formen und Backen hat es mehrere Stufen der Verwandlung durchlaufen. Und dann liegt es duftend in unsrer Hand und wird beim Kauen, Schlucken und Verdauen wieder verwandelt in Leben und Lebenskraft. Mit dem Bild vom Brot zeigt sich Jesus als der Gott, der für uns Mensch geworden ist. Er ist uns gleich geworden und gibt sich für uns hin, damit wir satt werden. – In den Verwandlungsstufen des Brotes gibt es auch zerstörerische Vorgänge: Die Dreschflegel schlagen auf die Ähren ein, am Mahlstein werden die Körner zerrieben. Jesus nimmt das auf und sagt: Ich gebe mein Fleisch, mein irdisches Leben, meinen zerbrechlichen Leib hin – das geschieht am Kreuz.
Liebe Gemeinde, wird jetzt das Brot ganz vergeistigt? Löst sich der Duft aus der Backstube, der köstliche Geschmack der Holzofen-Rinde, jetzt auf in theologische Gedanken, Formulierungen und Vorstellungen? Geht das Sinnliche und Leibliche verloren?
Nein, es geht hier auch ums Essen. Schließlich hat die Urgemeinde ja regelmäßig das Brot gebrochen und die Worte Jesu darüber gesprochen: „Nehmet hin und esst, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird.“ Das tun wir als christliche Gemeinde nach 2000 Jahren immer noch bei jeder Abendmahlsfeier. Schmecken und sehen, kauen und verdauen. Dabei Jesus empfangen, der sich für uns hingibt. Das geht tatsächlich nur durch Vertrauen. Wir treten in einen intensiven Austausch mit Gott. Im Glauben lassen wir unsre Bedenken und Zweifel und Fragen eine Zeitlang hinter uns. Im Vertrauen auf Gott und auf Jesus werden sie überbrückt. Wir nehmen das Brot des Lebens in uns auf, es wird ein Teil von uns, das ewige Leben pocht in uns. Wenn wir in dieser inneren Bewegung zum Abendmahl gehen, dann kann sich das Sinnliche mit dem Geistigen verbinden. Wir bekommen durch das Brot, durch Jesu Hingabe Anteil an Gott.
Brot des Lebens stärkt auch das RückgratIn diesen Monaten und Jahren jagen uns Kriege, Hass und Hetze und vor Macht und Geld strotzende Herren Angst ein. Wir wollen als Christinnen und Christen anders leben, mitmenschlicher und gerechter. Werden wir uns vor Angst wegducken? Oder werden wir standhalten und uns nach Jesu Weisungen richten? Dann brauchen wir die Vergewisserung aus seinen Worten: „Wer glaubt, der hat das ewige Leben. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.“ Nichts und niemand kann uns das nehmen – in der Zusage Jesu ist dieses Leben aus Gott da, in uns und um uns. Aus diesem inneren Schatz können wir gelassener das Gute tun.
Leben für die WeltAm Ende weitet Jesus noch einmal unseren Blick auf das Ganze. Er gibt sich als Lebensbrot nicht nur seinen auserwählten Anhängern und Anhängerinnen, sondern er gibt sich „für das Leben der Welt“, sagt er. Der Glaube an Jesus ist gewiss etwas sehr Persönliches, liebe Gemeinde. Und es sind eher wenige, die sich von seinen Worten ansprechen lassen und das auch zeigen. Es ist wichtig, dass wir uns als bewusste Christinnen und Christen die Kernsätze und Symbole des Glaubens immer wieder zu Gemüte führen, uns im kleiner werdenden Kreis darin bestärken. Aber vergessen wir dabei nicht: Das Ziel der Mission Jesu ist nicht der kleine Kreis der Gleichgesinnten, sondern das Leben der Welt. Gerechtigkeit, Frieden, die Nähe zu Gott, die Mitmenschen und die anderen Mitgeschöpfe als Brüder und Schwestern. Und das Festmahl im Reich Gottes mit allen Völkern. Auf dem Weg dahin stärke uns Jesus, das Brot des Lebens. Amen.
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