Jubilate (21. April 2024)
2. Korinther 4,14–18
IntentionAmbivalent ist unsere Zeit: einerseits Jubel, andererseits Schweres. Paulus erlebte eine ähnliche Ambivalenz. Das Tröstliche, der Jubel, zeigt sich jedoch im Aufgesang der Herzen. Es ist, als ob eine Tür aufgeht. Im Staunen der Liebe ist Jubel. Gottes Geist berührt Menschen. Dann spüren wir auch selbst: Der Jubel der Seele ist Ewigkeit.
PredigttextWir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen samt euch. Denn es geschieht alles um euretwillen, auf dass die Gnade durch viele wachse und so die Danksagung noch reicher werde zur Ehre Gottes. Darum werden wir nicht müde, sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsere Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
Jubel und SchweresJubel, Jubel im Herzen, Jubel, der weit aufgeht, Jubel, der bis zu Gott dringt, Jubel, in dem wir ganz bei uns selbst und zugleich ganz aufgehoben in Gott sind: Welche Verheißung liegt über dem Sonntag Jubilate. Es ist Osterjubel, im Lobpreis zu leben, in der Freude, in der Gewissheit der großen Liebe, die wir seit der Auferweckung Jesu ganz und gar mit Gott verbinden. Der Jubel der Seele ist Ewigkeit.
Zugleich lastet so viel Schweres auf uns. Der Schmerz und das Leid haben viele Gesichter. Krankheiten belasten, Zukunftsängste greifen nach uns. Die Kriegsnot, die Klimanot, die Inflation… Dazu die quälende Frage: Woher kommt all der Hass, die Hetze, die Schmählust im Lande? Es ist wichtig, beides zu sehen, das uns umflutende Dunkel und mehr noch das uns aufhellende Licht. Jubel kann aufbrechen auch und gerade im endlos scheinenden Meer der Sorgen: Jubel der Ewigkeit, der alle zeitliche Not übersteigt.
Jubel inmitten schwer erträglicher Zumutungen – PaulusHören wir auf den Apostel Paulus, dann begegnet uns ein Mensch, der schwer erträglichen Zumutungen ausgesetzt ist. Sein missionarischer Dienst ist geprägt von Reisestrapazen und vielfältigen Entbehrungen. Er hat gelernt, mit wenig auszukommen, und doch tut es weh, auf den Marktplätzen verspottet zu werden. Er wird von den Ordnungskräften der Städte immer und immer wieder in Fesseln gelegt. In den Synagogen erwarten ihn Peitschenhiebe. Die Lasten, die er für die Verkündigung des Evangeliums auf sich nimmt, sind groß, aber noch viel größer ist seine Glaubenszuversicht, seine Hoffnungsglut, seine Kraft der Hingabe.
Mag die Welt ihn schrecken, sein Herz hängt an Christus, seitdem ihm die wahre Herrlichkeit Gottes auf dem Antlitz Jesu aufschien. Er weiß sich vom Geist Christi getröstet und umfassend von Gott angenommen. Der Tod und mit ihm die Ängste dieser Welt haben darüber ihren Stachel verloren. Mag die Zerstörungsmacht sichtbar ihr Werk tun, so weiß Paulus sich doch aus der Auferstehungskraft täglich erneuert. Sein Leben hat ein Ziel gefunden: die umfassende Lebensgemeinschaft mit Christus. Aus dem Geist des Glaubens, der ihn mit Jesus verbindet, schöpft er die Gewissheit seiner Bestimmung. Dank Christi Tat an ihm steht sein Herz schon im Jubel. Schweres wird leicht, zumindest leichter.
Mag er Tag um Tag aufgerieben werden, mag sein äußerer Mensch, wie er sagt, eins ums andere Mal angegriffen werden, innerlich erlebt er Freuden über Freuden. Tag um Tag neu geht ihm das Herz auf, steht seine Seele im Jubel, tanzt vor Gott. Ja, da ist mehr, so viel mehr. Was man mit Händen greifen mag, was immer Menschen sich zurechtlegen, es ist alles nur zeitlich, vergänglich. Was bleibt, ist Gott. Was trägt, ist, dass die Tore aufgetan sind. Wir gehören der Ewigkeit. Denn der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus. Ja, der Jubel der Seele ist Ewigkeit. Wir wissen um Gottes gute Ewigkeit.
Jubel im Aufgesang der Herzen – Charlie ParkerZugleich aber zeigt sich gerade das Ewige, das Tröstliche, das Licht in vielerlei irdischen, kleinen wie großen Glückserfahrungen. Die große Hoffnung, von der Paulus spricht, klopft bei uns an in mancherlei kleinen Hoffnungsmomenten. Überraschend tun sich dann innere Türen auf, lösen wir uns, und mag es nur für kurze Zeit sein, von all den täglichen Aufgaben und ihren Zumutungen. Ein kleines Kind beobachten, wie es über eine warme Wiese streift, nicht flieht, nur läuft. Ein Lächeln stellt sich ein. Ich weiß mich vom Zauber und einer unvergänglichen Wahrheit berührt. Sich Zeit nehmen, mehr noch sich Zeit geben lassen. Wir sprechen von Auszeit und wissen, es tut gut. Zeiten der Stille, Zeiten der inneren Ruhe, Zeiten im Glanz des Abend- wie des Morgenlichts. Es sind diese kostbaren Momente, in denen ich mir ganz gehöre und manchmal dann ist es, als würde ich am Ufer des großen Geheimnisses stehen. Alles ist dann gut.
Von so einer herzöffnenden Stunde erzählt der argentinische Schriftsteller Julio Cortázar in seiner Hommage auf den Jazzmusiker Charlie Parker. Hier zeigt sich der Jubel, der Aufgesang des Herzens inmitten des kunstvollen und darin so freien Spiels des Saxofons. Er lässt Charlie Parker erzählen:
„Schon als kleiner Junge, habe ich es gemerkt, fast gleich nachdem ich anfing, Saxofon zu spielen. Bei uns zu Haus war ständig der Teufel los, man sprach von nichts anderem als von Schulden und Hypotheken. Als der Lehrer mir ein Saxo beschaffte, du hättest dich totgelacht, da habe ich es gleich gemerkt, die Musik riss mich aus der Zeit, auch wenn das nur so eine Redensart ist.“ Um dann das Besondere dieser Musik zu beschreiben, die nur eines will, Gott suchen, Gott finden. „Weißt du, manchmal hat sich die Tür ein wenig geöffnet. Mein ganzes Leben war ich in meiner Musik darauf aus, dass diese Tür sich am Ende öffne. Nur ein ganz klein wenig, einen Spalt. Ich erinnere mich eines Abends in New York. Wir spielten eine Stunde lang so vor uns hin, jeder für sich und waren glücklich. Miles spielte etwas so Schönes, dass es mir fast den Atem verschlug, und da legte ich los, schloss die Augen und flog. Ich schwöre dir, dass ich flog. Ich hörte mich wie aus weiter Ferne, aber in mir selbst, neben mir selbst, es war, als stünde da jemand. Nicht gerade jemand. Es war die Sicherheit, die Harmonie, wie manchmal im Traum, nicht wahr? Wenn alles in Butter ist, wenn Frau und Kinder auf dich warten, wenn alles läuft wie eine Billardkugel. Und das, was da neben mir war, war wie ich selbst, doch ohne einen Platz einzunehmen, vor allem ohne Zeit. Für eine Weile gab es nur ein Immer, ein Fallen, in dem man sich zufriedengibt, verstehst du, damit man sich sagt, dass alles o.k. ist. Fallen, denn es ist nicht möglich, dass es nichts anderes geben soll, es ist nicht möglich, dass wir so nahe sein sollen, so nahe der anderen Tür“. In dieser Musik bebt alles, es ist eine Musik, die sich ständig neu erschafft, ständig voranschreitet und in grenzenloser Freude vor nichts zurückschreckt, Musik, die mehr als nur über die Haut rieselt, die ins Blut geht, mit dem Atem sich verbindet, und man auf die andere Seite geht, weil Er, Gott, einem die Tür öffnet.“
Der Jubel im Staunen der Liebe – Pedro SalinasWillst du wissen, was Ewigkeit ist, was wirklich Bestand hat, was für immer zählt, dann spüre ihn, diesen Jubel, diesen Jubel in dir, der sich so überraschend einstellen kann.
Nährt er sich denn nicht von all den Zaubermomenten der Liebe? Lebt er nicht von den zarten Berührungen echter Liebe? Klopft Gott denn nicht auch und gerade dort an, wo wir ins Staunen kommen darüber, dass andere sich für uns öffnen? Der spanische Dichter Pedro Salinas hat eine eigene Begabung, dies in Worte zu kleiden: Er schreibt einmal: „Ja, alles im Übermaß, das Licht, das Leben, das Meer! Mehrzahl alles, Mehrzahl, Lichter, Leben und Meere. Hinaus, höher, von Dutzenden zu Hunderten, von Hunderten zu Tausend in jubelnder endloser Wiederholung deiner Liebe – Einheit … jenseits von Kalkül und von Schicksal...Welche Freude zu leben, zu fühlen, gelebt zu werden. Ins Dunkel der großen Gewissheit sich hinzugeben, dass außerhalb meiner, sehr fern, ein anderes Sein mich lebt … Wonne einer Erinnerung, berührt zu haben, was ich nicht berührt … Sterben im vollen Vertrauen darauf, dass dieses mein Leben nicht meins nur war: Es war unseres. Und dass hinter dem Nichttod ein anderes Sein mich lebt.“
In konkreten Erfahrungen des Staunens stellt sich etwas vom großen Wirken des göttlichen Geistes ein, wird menschliches Bewusstsein vom Grund aller Dinge angerührt. Wo dir dann deine einzelne Freude zur Verheißung grenzenloser Freude wird, wo du liebst in unbedingter Treue, da geht dir Gott auf. Spürst du seinen Jubel in deinem Jubel?
Das Schöne in der Natur, das Staunen über den Kosmos, aber auch der Duft echter Dichtung und die Zeichen der Liebe tragen das Ihre dazu bei, dass dir das Leben transparent wird auf Gott hin. Licht ist immer, Hoffnung auch. Sich der Güte öffnen, sich von der Wahrheit berühren und dabei der Freude Raum lassen – das ist gelebter Jubel aller Not zum Trotz, und der Seele Jubel ist Ewigkeit. Amen.
Zitiert wird mit minimalen Anpassungen aus: Julio Cortázar, Der Verfolger, Frankfurt/M 1988, Seite 15f und Seite 91ff; Pedro Salinas, Gedichte Poemas, Frankfurt/M 1990, Seite 37ff.
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