Gründonnerstag (18. April 2019)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Hanna Hartmann, Tübingen [Hanna.Hartmann@elkw.de ]

1. Korinther 11, 23-26

IntentionGemeinsam essen und trinken hält die Erinnerung wach. Und das macht stark und gibt Hoffnung. Diesen Gedanken soll die Predigt für die Abendmahlsgäste am Gründonnerstag plausibilisieren.
(Am Gründonnerstag wird in der Martinskirche eine große Tafel aufgebaut, an der alle einen Platz finden. Gefeiert wird in Form eines Agapemahls mit Fladenbrot, Wein, Traubensaft, Traubenbeeren und Käsewürfeln.)

Liebe Gäste am großen Tisch!
Gründonnerstagabend. Wir sitzen zusammen, feiern Gottesdienst und Abendmahl. Dabei ist heute ein Tag, mit dem viele Menschen überhaupt nichts verbinden, ja, dessen Name vielen sogar gänzlich unbekannt ist. Nur kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten heute aufgrund des Feiertags arbeitsfrei. Doch für viele dürfte es ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag gewesen sein. Und so vermute ich auch, dass die meisten von Ihnen einen „relativ normalen Werktag“ hinter sich haben.
Umso schöner, nun an einem schön gedeckten Tisch zusammen zu sein. Mit dieser abendlichen Feier heute stehen wir in einer langen Traditionslinie, die weit, sehr weit zurückreicht. Ihre Wurzeln liegen im Passahmahl, das die Juden alljährlich feiern. Sie erinnern damit an ihre Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft einst zu Zeiten Moses. Aber auch an viele andere Erfahrungen von Hilfe und Bewahrung im Leben ihres Volkes und ihres eigenen Lebens.

Zu meinem GedächtnisDas Passahmahl hat auch Jesus damals gefeiert, zusammen mit seinen Jüngern. Und sein letztes war an eben jenem Tag, der heute unser Gründonnerstag ist. Es gibt Geschichten von jenem Abend in den Evangelien. Und es gibt viele, auch sehr berühmte Gemälde, wie Menschen sich das später vorgestellt haben. Doch etwas vom frühesten, was es gibt, sind ganz schlichte Worte.
Bei jedem Abendmahl sind sie meist im genau diesem immer gleichen Wortlaut zu hören. Der Apostel Paulus hat sie in seinem 1. Brief an die Korinther festgehalten. Er schreibt im 11. Kapitel (V. 23-26):
"Ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib für euch; das tut zu meinem Gedächtnis.
Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.
Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt."

In der Familie genausoZusammenkommen, gemeinsam am Tisch sitzen, essen und trinken und sich an einen lieben Menschen erinnern.
Liebe Gemeinde, ich weiß von einigen Familien, die dies in regelmäßigen Abständen tun. Zum Beispiel am Geburtstag der verstorbenen Mutter. Früher war es der Tag, an dem sich die Geschwister selbstverständlich getroffen hatten und zusammen waren. Doch dann starb die Mutter. Und ab da verabredeten sie sich und sagten: „Wir wollen uns auch weiterhin an eben diesem Tag treffen; und auf ihre Weise wird unsere Mutter dann auch da sein...“

…wie in der GemeindeLiebe Mitchristen, wenn wir heute, am Abend des Gründonnerstag versammelt sind bei Brot und Wein, dann sind wir das zum Gedenken an Jesus und in seinem Namen. Getreu den Worten, die er seinen Jüngern sagte: Tut das zu meinem Gedächtnis! Verbunden hat er das Gedenken an sich allerdings nicht mit einem bestimmten Tag, sondern mit Essen und Trinken, nämlich mit dem Brot und dem Kelch. Essen und Trinken tun wir in der Regel jeden Tag. Und gerade wenn es ums Brot geht, ist damit auch das elementar Lebensnotwendige im Blick. So wie wir im Vaterunser beten: „Unser täglich Brot gib uns heute.“ Heute haben wir zur Feier des Abends wunderbar frischgebackenes Fladenbrot vor uns stehen. Aber natürlich kennen wir auch das Schwarzbrot des Alltags. In manchen Gegenden nennen sie es auch „Graubrot“; für meine Ohren klingt das auch nach „grau wie der Alltag“...
Oder da gibt ungemein hartes Brot, wo einem – im Bilde gesprochen – das Leben etwas vorsetzt und zumutet, wo man so richtig dran zu beißen und zu kauen.

Jesus ist da, wo man sich an ihn erinnertAls Jesus damals das Brot in die Hand nahm und den Segen darüber sprach, machte er keine Unterschiede. Er sagte nur: Das ist mein Leib für euch; tut das zu meinem Gedächtnis. Es braucht also nicht viel, dass er da ist und zu uns kommt: einen Bissen Brot im Gedenken an ihn. Ob es nun weich oder hart, weiß oder grau, fad oder würzig ist.
Und der Kelch – auch er steht für die Fülle des Lebens: für den Kelch der Freude, von dem man nicht genug kriegen kann. Wo gefeiert wird und der Wein in Strömen fließt, wie bei der Hochzeit in Kana.
Aber der Kelch steht auch für die Bitternis mancher Stunden und Erfahrungen unseres Lebens, in denen man – wie einst Jesus selbst – bittet und betet: „Mein Vater, wenn’s möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“
Doch auch beim Kelch unterscheidet Jesus nicht, als er ihn seinen Jüngern reicht. Er sagt nur: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn in beidem ist er da, in beidem ist er mit uns im Bunde: in der Freude wie auch im Leid.

Brot und KelchEs sind ganz einfache und elementare Dinge des alltäglichen Lebens, durch die Jesus sich bei den Seinen in Erinnerung halten will. Die ersten Christen damals, so erzählt es die Apostelgeschichte, die feierten täglich das Abendmahl und gedachten ihres Herrn. Viele von ihnen hatten ihn ja noch selbst erlebt und gesehen, leibhaftig in Fleisch und Blut.
Doch auch wenn wir nicht zu jenen gehören, die ihn in dieser leibhaftigen Weise kennen gelernt haben, sind wir doch mit einbezogen. Denn wir haben das Zeugnis derer, die ihn in seinen Erdentagen erlebt haben. Und wir haben die Worte von Jesus, der sagt: Tut das zu meinem Gedächtnis!
Im Grunde kann uns jeder Bissen, den wir essen, und jeder Schluck, den wir trinken, zur Erinnerung an Jesus werden. Er selbst hat sich ja auch einmal als „Brot des Lebens“ und „Wasser des Lebens“ bezeichnet.

Erinnern macht MutDoch wenn wir heute als Gemeinschaft beieinander sind und sein Mahl feiern, dann ganz bewusst und dankbar und in liebendem Gedenken an ihn. Er ist es, der uns verbindet. Er ist es, der uns stärkt. Er ist es, der uns neuen Mut gibt.
Und so werden wir als Gemeinschaft zu Boten der Hoffnung für die Welt. Oder wie es der Apostel ausdrückt: Sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Ja, wir denken heute an das Leiden und Sterben von Jesus. Und wie ihn der Tod nicht verschonte, so wenig er uns verschonen wird. Aber wir wissen auch, dass Gott ihn auferweckt hat und auch uns auferwecken wird. Und wir vertrauen voll Zuversicht und Hoffnung darauf, dass er kommen wird in Herrlichkeit, wie er jetzt schon zu uns kommt im Brot und im Kelch. Amen.

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