Gründonnerstag (29. März 2018)
Pfarrerin Katharina Dolmetsch-Heyduck, Pfullingen [Katharina.Dolmetsch-Heyduck@elkw.de]
1. Korinther 10, 16-17
Liebe Gemeinde!
Was ist für Sie das Wichtigste an der Abendmahlsfeier? Steht für Sie die Sündenvergebung beim Abendmahl im Vordergrund, die Stärkung des eigenen Glaubens, oder eher die Verbundenheit mit den Menschen, die das Mahl gemeinsam feiern?
Wie beantworten Sie wohl diese Fragen? Und wie antworten Menschen, die das Abendmahl ganz neu kennenlernen? Jedes Jahr auf der Konfi-Freizeit fragen wir unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden, was ihnen beim Abendmahl wichtig ist. Nachdem sie an verschiedenen Stationen die unterschiedlichen Aspekte des Abendmahls kennengelernt haben, bekommen alle am Schluss Klebepunkte und sollen auf verschiedenen Plakaten ihre Meinung durch die Platzierung ihres Punktes ausdrücken.
Was ist den Jugendlichen wichtig beim Abendmahl? Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wo sich die Punkte am stärksten häufen: eindeutig dort, wo es um die Gemeinschaft geht. Eine Konfirmandin hat das mit eigenen Worten so ausgedrückt: „Beim Abendmahl stehen alle im Kreis und halten sich am Schluss sogar an den Händen. Dadurch kann man spüren, dass alle irgendwie zusammengehören, auch wenn sie ganz verschieden sind und sich gar nicht kennen. Ich finde es schön, mit vielen Leuten zusammen Brot und Traubensaft zu teilen.“
Anscheinend ist es so, dass Konfirmandinnen und Konfirmanden die besondere Art der Abendmahlsgemeinschaft durchaus zu schätzen wissen. Sie spüren, dass es gut tut, miteinander zu essen und zu trinken, und dass es etwas Besonderes ist, wenn wildfremde Menschen sich verbunden fühlen, weil sie eine gemeinsame Mitte haben. Ist es nicht erstaunlich, dass ausgerechnet die Konfis spüren, worum es zentral im Abendmahl geht? Immerhin gehören sie einer Generation an, der wir Erwachsenen oftmals unterstellen, dass sie nur noch auf Facebook und WhatsApp kommunizieren und keinen Sinn mehr haben für wirkliche Begegnung und Gemeinschaft. Wissen diese Jugendlichen überhaupt, wie es ist, miteinander am Tisch zu sitzen und zu essen? Ist nicht die Zeit der gemeinsamen Mahlzeiten am Familientisch längst vorbei?
Abendmahlsgemeinschaft als Zuspruch und AnspruchHerausgefordert vom Votum der Jugendlichen frage ich mich selbst: Ist mir die Gemeinschaft beim Abendmahl ebenso wichtig wie den Konfirmanden? Nehme ich überhaupt wahr, wer da rechts und links neben mir steht? Sehe ich in den anderen Menschen die Gäste am Tisch Jesu? Oder ist mir die ungewohnte Nähe eher unangenehm – vor allem, wenn ich den anderen auch noch die Hand geben soll?
Beim Abendmahl bin ich verbunden mit Menschen, zu denen ich mich im alltäglichen Leben nicht unbedingt hingezogen fühle. Das fordert mich heraus. Die Gemeinschaft ist Zuspruch und Anspruch zugleich. Denn immer dann, wenn das Abendmahl nicht mehr dazu dient, dass unterschiedlichste Menschen ihre Zusammengehörigkeit um die eine gemeinsame Mitte feiern und wahrnehmen können, dann ist das ganze Abendmahl gefährdet.
So war das schon vor 2000 Jahren, zur Zeit der ersten Christen. Das Thema Gemeinschaft scheint schon damals eine Herausforderung gewesen zu sein. Es gab deshalb Uneinigkeit und sogar Streit. Vor allem die Gemeinde in Korinth muss der Apostel Paulus immer wieder ermahnen. Trotz aller Unterschiedlichkeit in Herkunft, Milieu und theologischer Auffassung gehört die Gemeinde als Gemeinschaft zusammen – das soll im Abendmahl spürbar werden! Paulus fragt: Wisst ihr denn nicht, was ihr da feiert, wenn ihr Brot und Wein teilt? Diese Worte aus 1. Korinther 10, 16 und 17 sind der Predigttext für heute:
„Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?
Denn ein Brot ist's. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“
Gemeinschaft als „koinonia“Diese wenigen Zeilen führen uns an den wunden Punkt der Abendmahlsfeier in Korinth. Mit der Gemeinschaft scheint es in Korinth Probleme gegeben zu haben. Denn die Abendmahlsgemeinschaft unterscheidet sich von jeder anderen Tischgemeinschaft. Es geht um nichts weniger als um die Gemeinschaft des Leibes und des Blutes Jesu Christi! Paulus erinnert die Korinther daran: „Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christ?“ Er selbst, Jesus Christus, lädt zu dieser Gemeinschaft ein. Und das ist nicht einfach eine oberflächliche, unverbindliche Art des Zusammenkommens, sondern das ist „koinonia“!
Dieses griechische Wort, das Paulus hier benutzt, bedeutet eine enge Verbindung, eine innige Beziehung. „koinonia“ ist das Wort, das sonst auch die enge Beziehung zwischen Gott dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus und dem Heiligen Geist bezeichnet. Aber „koinonia“ ist eben auch die Gemeinschaft, zu der Gott Menschen einlädt. Und genauso die Gemeinschaft, die Menschen erleben und spüren können, wenn sie von Gott untereinander verbunden werden. Deshalb geht die Gemeinschaft beim Abendmahl tiefer und ist umfassender als jede andere Tischgemeinschaft. Normalerweise suchen wir uns aus, wer zum Essen eingeladen ist und wer dazu gehören soll. Ungebetene Gäste wollen wir nicht dabeihaben. Und am schönsten ist doch ein gemeinsames Essen unter Gleichgesinnten. Wer zu einem festlichen Essen einlädt, überlegt sich genau die Gästeliste. Beim Abendmahl ist es anders: Jesus lädt ein!
Am Tisch mit JesusWie weit geht unsere Bereitschaft zur Tischgemeinschaft? Damals in Korinth bestand die Gemeinde aus Menschen verschiedenster Milieus und Bevölkerungsschichten. Reiche Händler waren dabei, einfache Hafenarbeiter und sogar Sklaven. Kein Wunder, dass die Gemeinschaft unter ihnen schwierig war. Und bei uns heute? Auch wenn man heutigen Gottesdienstbesuchern ihre Unterschiedlichkeit nicht mehr unbedingt ansieht – wie oft kommt es vor, dass sich Menschen bei uns nicht willkommen fühlen, weil sie keinen Platz finden in fest gefügten Gruppen und Kreisen? Wen wollen wir nicht dabeihaben? Die jungen Männer aus Afghanistan, die doch schon längst wieder in ihre alte Heimat abgeschoben werden sollten? Oder die alte Frau von nebenan, die immer so streng riecht und ständig das Gleiche erzählt? Oder die Konfis, die im Gottesdienst stören, weil sie während der Predigt miteinander flüstern? Oder den smarten Herrn, der sicher nur im Gottesdienst ist, weil seine Nichte getauft wird und der während des Orgelvorspiels die Mails auf seinem Smartphone checkt? Zählen die überhaupt zu unserer Gemeinschaft?
Ja, würde Paulus sagen. Nicht ihr seid die Einladenden. Es ist Jesus Christus. Erinnert euch an die Tischgemeinschaft, zu der Jesus eingeladen hat: reiche Zöllner, einfache Fischer, Frauen mit zweifelhaftem Ruf, Kranke, Ausländerinnen. Schon damals haben sich die frommen Insider darüber aufgeregt. Aber Jesus hat ernst gemacht mit der Tischgemeinschaft, von der keiner ausgeschlossen wird und zu der alle eingeladen sind. Sogar noch am letzten Abend seines Lebens, beim ersten Abendmahl. Nicht nur der Vorzeigejünger Johannes durfte dabei sein, sondern auch das Großmaul Simon Petrus – und sogar der Verräter Judas. Beim letzten gemeinsamen Essen gibt Jesus ihnen mit, was sie zusammenhalten soll – über alle Gegensätze hinweg: Brot und Wein.
Gemeinschaft in Brot und WeinEr nimmt das Brot und sagt: „Das ist mein Leib – für euch gegeben – nehmt und esst.“ Was geschieht, wenn wir Brot essen? Wir werden satt. Muskeln und Nervenzellen bekommen neue Energie. Brot ist lebensnotwendig. Wenn Jesus selbst das Brot sein will, das wir essen, dann sagt er: Ich teile meine Lebenskraft mit euch. Jeden Tag. Ich gebe euch Energie. Ich bin täglich bei euch – wie das Brot, das ihr esst. Brot ist aus vielen Körnern gemahlen und gebacken und ihr brecht es in viele Teile. Ihr seid durch mich verbunden. So will ich durch und in euch weiterwirken.
Und dann nimmt Jesus den Kelch und sagt: „Das ist mein Blut – für euch vergossen – nehmt und trinkt.“ Was geschieht, wenn wir Wein trinken? Wenn wir es in Maßen tun, dann werden wir fröhlich und gelöst. Wein gehört zu einem festlichen Anlass. Wein schenkt Lebensfreude. Wenn Jesus sich in Brot und Wein gibt, dann heißt das: Sein Blut wird nicht einfach sinnlos vergossen. Sondern es wird vergossen, damit wir, die wir an seinen Tisch eingeladen sind, Anteil an seinem Leben bekommen – damit wir Kraft bekommen und schon jetzt die Freude spüren, die bei dem großen himmlischen Festmahl herrschen wird, wenn wir einst alle in Gottes Reich mit Jesus am Tisch sitzen werden.
Im Abendmahl schenkt uns Gott „koinonia“, die enge Beziehung zu ihm und untereinander. Diese Gemeinschaft hängt nicht von unserer Zu- oder Abneigung ab, sondern allein davon, dass wir eine gemeinsame Mitte haben: Jesus, der sein Leben mit uns teilt. Wir sind eingeladen, das Leben zu feiern, Gemeinschaft einzuüben und die Sehnsucht nach ihrer Vollendung in Gottes Reich wach zu halten. Das ist die bleibende Einladung, aber auch die bleibende Herausforderung – bei jeder Abendmahlsfeier.
Amen.
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