Exaudi (12. Mai 2024)
Johannes 16,5-15
IntentionDie Predigt macht deutlich, dass Jesu Abschied kein Grund zur Trauer ist, weil Jesus durch den Heiligen Geist uns nahe ist. Sie entfaltet, wie der Heilige Geist bei uns wirkt.
Predigttext16,5 Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? 6 Doch weil ich dies zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. 7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden. 8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; 9 über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; 10 über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; 11 über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. 12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. 13 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. 14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen. 15 Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er nimmt es von dem Meinen und wird es euch verkündigen.
Liebe Gemeinde!
Jesus nimmt Abschied von seinen Jüngern.
Abschiede sind immer ein Einschnitt in unserem Leben.
Manchmal werden sie positiv wahrgenommen.
So wie in Hermann Hesses Gedicht „Stufen“:
„Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne.
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.“
In den meisten Fällen aber sind Abschiede mit Trauer und Zukunftsängsten verbunden.
So wie im bekannten Lied der Pfadfinder:
„Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr.
Die Zukunft liegt in Finsternis und macht das Herz uns schwer.“
Angst vor der Zukunft und Trauer über den Abschied Jesu, das ist die Situation der Jünger.
„Weil ich dies zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer“, sagt Jesus.
In diese Situation hinein will Jesus den Heiligen Geist senden.
Der Heilige Geist als BeistandIch denke, wir können uns gut hineinversetzen in die Situation der Jünger von damals.
Kein Wunder, dass ihr Herz voll Trauer ist und sie in der Gefahr sind zu resignieren. Über Jahre hinweg waren sie mit Jesus zusammen und haben engsten Kontakt mit ihm gepflegt.
Sie haben erlebt, wie er sich den Menschen zugewendet hat.
Jeder und jede von ihnen war selber von seiner Liebe überwunden worden und hatte eine neue Lebensperspektive bekommen.
Wenn sie etwas bewegte, konnten sie ihn fragen.
In allen Lebenslagen konnten sie sich Jesus anvertrauen.
Da war es doch kein Wunder, wenn ihnen dieser Abschied das Herz schwer machte.
Wie sollte es jetzt weitergehen ohne ihn?
Wie sollten sie ohne ihn durchkommen durch die dunklen Täler und die Durststrecken auf dem Weg?
Jesus weiß um ihre Sorge. Er sieht die Not seiner Leute in dieser Welt.
„In der Welt habt ihr Angst“, stellt er ganz realistisch fest.
Und er nimmt wahr, wenn seine Gemeinde in der Gefahr ist zu resignieren.
Ängste und Resignation sind ja auch uns nicht fremd.
Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten machen vielen Menschen Angst.
Die Situation unserer Kirche, die zurückgehenden Mitgliederzahlen, weniger Teilnehmende bei den Gottesdiensten, die Reduzierung von Pfarrstellen und Zusammenlegungen von Gemeinden, die radikalen Einsparungen erzeugen eine Stimmung der Trauer und Resignation bei vielen Gemeindegliedern.
Dazu kommen die persönlichen Belastungen und Nöte, die wir in diesen Gottesdienst mitgebracht haben.
Das alles sieht Jesus. Er weiß, was uns umtreibt. Er überspielt das nicht.
Und dennoch, gerade angesichts der Traurigkeit seiner Jünger, sagt er:
Es ist gut für euch, dass ich weggehe, dass ich zum Vater gehe. Sonst kann der Heilige Geist nicht zu euch kommen. Ich muss Platz machen für diesen anderen.
Nur das Johannesevangelium spricht in dieser Weise vom Heiligen Geist.
Das griechische Wort, mit dem das Johannesevangelium den Heiligen Geist bezeichnet, bedeutet Beistand, Anwalt und Fürsprecher beim Gericht. Also einer, der einem beisteht und für einen einsteht, wenn es schwierig wird.
In manchen Bibelausgaben wird der Ausdruck auch mit Helfer und Mutmacher übersetzt.
Martin Luther hat in seiner Übersetzung den Ausdruck Tröster gewählt.
Wohl deshalb, weil Trost in seiner Zeit einen viel umfassenderen Sinn hatte als bei uns heute.
Da geht es nicht nur darum, dass da jemand Trostpflästerchen verteilt und die Tränen abwischt. Das auch! Aber Trost ist im Verständnis der Reformatoren viel mehr.
Trost ist all das, was ein Menschenleben hält und trägt, worauf man wirklich sein Vertrauen setzen kann.
In diesem Sinn heißt die erste Frage im Heidelberger Katechismus: „Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“ Und die Antwort lautet: „Dass ich mit Leib und Seele meines getreuen Heilands Jesus Christus eigen bin.“
Das bewirkt der Heilige Geist, den Luther einen Tröster nennt.
„Ich will euch diesen Tröster senden“, sagt Jesus. Und das ist gut für euch.
Denn nur so kann ich euch ganz nahe sein, wenn ich beim Vater bin.
Und nicht nur euch, sondern allen Menschen zu jeder Zeit und auf der ganzen Welt, in allen Situationen eures Lebens.
Durch den Tröster – Geist macht Jesus sein Versprechen wahr: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Wir sind nicht allein. Durch seinen Tröster-Geist ist Jesus selber uns nahe. Wir können uns an ihn wenden im Gebet. Er schenkt uns Kraft und Mut, mit ihm zu leben und seine gute Botschaft anderen Menschen weiterzusagen.
Der Heilige Geist öffnet die Augen„Der Heilige Geist wird der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht.“ Die Welt, die ganze Menschheit ist angesprochen. „Sie wird überführt“, heißt es wörtlich.
Wie bei einer Gerichtsverhandlung wird sie ins Unrecht gesetzt, wenn sie Gottes Wirklichkeit nicht erkennt.
Wo der Heilige Geist nicht wirkt, da bleiben unsere Augen verschlossen für die Situation, in der wir Menschen uns befinden und für Jesu Kreuz und Auferstehung.
Mit den drei Begriffen Sünde, Gerechtigkeit und Gericht wird das deutlich gemacht.
Der Heilige Geist öffnet die Augen für die Sünde. Sünde wird von den Leuten moralisch verstanden. „Ein Sünder bin ich doch nicht, ich habe doch niemand etwas Böses getan“, bekommt man dann zu hören. „Ich bin auch nicht schlechter als andere Leute.“ Mit Sünde ist in der Bibel aber etwas Grundsätzlicheres gemeint. Gott will Herr sein in unserem Leben, wir aber wollen unsere eigenen Herren sein. Gott hat eine Bestimmung, ein Ziel für unser Leben. Wir sollen aus seiner Liebe leben und diese Liebe anderen Menschen erweisen. Wir aber leben an unserer Bestimmung vorbei. Das können wir nur erkennen, wenn der Heilige Geist uns die Augen öffnet. Er bringt uns zu der Erkenntnis, dass wir Sünder sind. In diesem Sinn hat Martin Luther gesagt: Auch die Sünde muss geglaubt werden.
Das Zweite ist die Gerechtigkeit. Wir denken dabei zuerst an die Rechtfertigung, die Jesus uns im Glauben schenkt. Hier ist aber die Rechtfertigung gemeint, die Jesus selbst erfährt. Jesu Tod am Kreuz ist nicht sein Scheitern. Er ist nicht im Tod geblieben. Er ist auferstanden und kehrt zurück zu seinem Vater im Himmel. Damit wird er gegenüber der Welt ins Recht gesetzt.
Das dritte Stichwort ist Gericht. Mit seinem Tod am Kreuz hat Jesus das Gericht über die Sünde der Welt getragen. Das Böse hat damit seine endgültige Macht verloren. Jesus ist Sieger.
Aus eigener Vernunft können wir das nicht erkennen, es braucht die durch den Heiligen Geist geöffneten Augen. Darum dürfen wir bitten.
In diesem Sinn heißt es in einem Gesangbuchvers:
„Jesus, gib gesunde Augen, die was taugen,
rühre meine Augen an.
Denn das ist die größte Plage,
wenn am Tage man das Licht nicht sehen kann.“
Der Heilige Geist macht uns Jesus wichtig und hält uns fest bei ihm„Er wird mich verherrlichen. Von dem Meinen wird er’s nehmen und es euch verkündigen“, sagt Jesus über den Heiligen Geist. Er lädt zum Glauben ein, so wie Jesus es getan hat: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Aufatmen sollt ihr und frei sein!“ Diesen barmherzigen und liebevollen Jesus stellt uns der Heilige Geist vor Augen und macht ihn zum Mittelpunkt unseres Lebens. Und er hält uns fest bei ihm. So haben wir es gelernt: „Der Heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen und im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“ So wird Jesus durch den Heiligen Geist verherrlicht.
Vor vielen Jahren hat man in Rom eine merkwürdige Zeichnung aus der Anfangszeit des Christentums entdeckt. Sie ist in Stein geritzt. Ein Mensch ist darauf abgebildet. Dieser Mensch hängt an einem Kreuz und trägt den Kopf eines Esels. Dieser gekreuzigte Esel wird von einem Menschen angebetet. Mit erhobenen Händen, in der Gebetshaltung der ersten Christen steht er da. Offensichtlich handelt es sich um eine Zeichnung, in der ein Christ verspottet wird. „Alexamenos betet seinen Gott an“, ist in lateinischer Sprache daruntergeschrieben.
Der Raum, in dem die Zeichnung gefunden hat, gehörte zu einer Schule, in der Sklaven zu Dienern am kaiserlichen Hof ausgebildet wurden. Alexamenos, der junge Christ, wurde von seinen Mitschülern verspottet. Sein Glaube erschien ihnen als eine tolle Eselei. Wie konnte man einen Gekreuzigten als Gott verehren? Alexamenos mag sich alleingelassen vorgekommen sein in dieser feindlichen Umgebung. Aber offenbar hat der Spott bei Alexamenos seine Wirkung verfehlt. Denn in einem Nebenraum hat man noch eine andere Inschrift gefunden. „Alexamenos fidelis“ steht da geschrieben, „Alexamenos bleibt treu“. Der junge Mann hat seinen Glauben durchgehalten. Alexamenos war nicht allein, sein Herr Jesus Christus war bei ihm und hat ihn festgehalten durch seinen Heiligen Geist.
Egal, was uns den Glauben schwer macht, Jesus ist auch bei uns durch den Heiligen Geist und hält uns im Glauben fest. Amen.
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