Ewigkeitssonntag / Totensonntag (26. November 2017)
Pfarrerin und Studienrätin Stephanie Kscheschinski, Lörrach [stephanieloeffler@t-online.de]
Lukas 12, 42-48
Liebe Gemeinde,
heute am Ewigkeitssonntag denken wir im Gottesdienst an all die Menschen, die wir in unserer Gemeinde im vergangenen Kirchenjahr zu Grabe getragen haben. Das Sterben und der Tod unserer Lieben hat uns oft erschreckt und auch betroffen gemacht. Denn nichts wirkt so radikal auf uns wie der Tod. Er beendet das leibliche Leben hier auf dieser Erde. Und am Sterbebett, am Sarg, am Grab sind wir mit dieser Radikalität konfrontiert. Und wir stellen uns natürlich die Frage:
Was kommt danach?Wir erbitten in unseren Trauergottesdiensten und Gebeten für unsere Verstorbenen Gottes Gnade und das ewige Leben in seinem Reich. Und wir hoffen als Christenheit auf die Auferstehung und das ewige Leben. Aber glauben wir auch daran?
Und wenn wir daran glauben, hat das eine Konsequenz für unser Leben?
Wenn wir daran glauben, dass es ein ewiges Leben gibt, dann stellt sich doch die Frage: Wer wird es erhalten? Was kann ich tun, um es zu bekommen? Was darf ich nicht tun? Wie verliere ich die Chance auf das ewige Leben?
Wer erhält das ewige Leben?Wer entscheidet denn darüber, wer hineinkommt in Gottes Reich? Wer entscheidet denn darüber, wer in den Himmel kommt, wie wir es gerne ganz kindlich formulieren?
Schauen wir uns dazu das Gleichnis aus Lukas 12 genauer an, das uns heute als Predigttext gegeben ist.
Der Gutsherr ist offensichtlich verreist und braucht für die Zeit seiner Abwesenheit einen Verwalter. Wer ist aber nun der treue und kluge Verwalter? Die Aufgabe des Verwalters ist, dass er das Gesinde beaufsichtigt und schaut, dass alle Aufgaben erledigt werden, die nötig sind. Des Weiteren besteht seine Aufgabe darin, dem Gesinde das an Getreide auszuzahlen, was sie verdienen, also den Knechten und Mägden den Lohn auszuteilen.
Und nun wird in dem Gleichnis erzählt, dass es vier Typen von Verwaltern gibt.
Vier verschiedene Verwalter-TypenDer erste Typ „Verwalter“ macht es genau so, wie der Gutsherr es angewiesen hat. Und wenn der Gutsherr unangemeldet zurückkommt und sieht, dass alles gut läuft, ist er sehr zufrieden. Und er stellt fest, dass er diesen Verwalter gut als Stellvertreter einsetzen kann.
Wenn der Gutsherr aber unangekündigt kommt und feststellt, dass sein Verwalter, der zweite Typ, die Knechte und Mägde schlägt und selbst im Übermaß Völlerei betreibt und sich betrinkt, dann wird der Gutsherr streng richten und den Verwalter in Stücke hauen lassen, wie es bei den Persern üblich war, wenn sie einen verurteilten Sklaven durch eine glatte Hinrichtung töten ließen.
Der dritte Typ Verwalter kennt genau den Willen seines Gutsherrn, tut ihn aber nicht und bereitet auch nichts vor für die Ankunft seines Gutsherrn. Dieser Verwalter wird für sein unzuverlässiges Verhalten mit vielen Schlägen bestraft, wenn der Herr wiederkommt.
Der vierte Typ Verwalter ist einer, der den Herrn nicht kennt und deshalb in seinem Verhalten sich gar nicht nach dem Willen des Herrn ausrichtet. Dieser Verwalter wird zwar weniger Schläge für sein nachlässiges Verhalten bekommen, aber eben doch Schläge als Strafe.
Das Gleichnis schließt dann mit dem folgenden Vers: „Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“
Wer ist mit dem Verwalter eigentlich gemeint?Das Gleichnis macht es uns nicht leicht, weil viel von Strafe und von Prügel die Rede ist. Wer ist denn eigentlich mit dem Verwalter gemeint? Bin nicht ich selbst gemeint? Ich, die ich mein Leben verwalte, das mir von Gott geschenkt wurde. Wie verwalte ich nun mein Leben richtig, dass ich als kluge und treue Verwalterin gelten kann und am Schluss des Tages nicht Prügel kassiere?
Und wer ist der Herr, der hier beurteilt? Ist es nicht Christus selbst, der wiederkommt, „zu richten die Lebenden und die Toten“?
Wer ist Christus für uns?Wir müssen also unseren Blick auf Christus selbst richten. Was wissen wir von ihm? Wie begegnet er den Menschen, was erzählt uns dazu die Bibel?
Jesus Christus begegnet den Menschen mit bedingungsloser Liebe. Er nimmt sie an, er vergibt Schuld, er macht Neuanfänge möglich. Die liebevolle Annahme durch Christus ist nicht an Bedingungen geknüpft. Sondern weil wir da sind, weil wir leben, weil wir von Gott den Odem des Lebens eingehaucht bekommen haben, haben wir ein Existenzrecht. Und dieses Leben, das uns geschenkt wurde, ist sehr gut. Es ist gewolltes Leben. Wir alle sind von Anfang an gewollt, eben nicht nur Zufallsprodukte. Und wir sind von Anfang an von Gott geliebt. Aber Gott weiß, was für Gebilde wir sind… so heißt es in Psalm 103. Wir sind endlich, wir sind Staub, wir können falsche Wege gehen, wir können Schuld auf uns laden. Aber Gott handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat (Ps 103). Sondern Gott vergibt uns unsere Schuld und ist barmherzig mit uns.
Wenn Christus also wiederkommt, zu richten die Lebenden und die Toten, dann dürfen wir auch am Ende der Zeit mit seiner Gnade und Barmherzigkeit rechnen. Denn Gott liebt uns nicht, wie wir sind, sondern wie wir sein können.
Wie können wir sein?Wir können unser Leben an Gottes Wort orientieren. Wir können die Zehn Gebote und das Gebot der Nächstenliebe als Richtschnur nehmen und uns immer wieder im Leben fragen und fragen lassen, ob wir noch im Rahmen dieser Gebote leben und handeln. Wenn wir den Predigttext ernst nehmen, dann läuft alles darauf hinaus, dass wir vor Gott Rechenschaft ablegen müssen über unser Leben. Und dann werden wir gefragt: Wie hast du das Leben, das ich dir anvertraut habe, verwaltet? Was hast du getan in deinem Leben und mit deinem Leben?
Hast du gerecht gehandelt? Hast du für andere Sorge getragen? Gott erwartet also von uns, dass wir über unser Handeln nachdenken. Dass wir es korrigieren. Dass wir uns immer wieder an seinem Wort neu ausrichten und so immer mehr zu den Menschen werden, die Gottes Ebenbild entsprechen.
Denn Gott weiß, was für ein Gebilde wir sind. Und Gott liebt uns nicht, wie wir sind, sondern wie wir sein können.
Und dass wir kluge und treue Verwalter sein können, das sieht ja auch das Gleichnis vor. Wer als kluger und treuer Verwalter dafür Sorge trägt, dass auch das Gesinde seinen gerechten Lohn bekommt, der wird von dem Herrn gelobt. Mehr noch, der Herr sagt, dass er einen solchen Verwalter über alle seine Güter einsetzen kann. Also nicht nur über die Knechte und Mägde, sondern über die Tiere und Pflanzen, über die Umwelt und die Ressourcen.
Ist das nicht eine Rückbindung an die Schöpfungserzählung, wo Gott den Menschen einsetzt, die Erde zu bebauen und zu bewahren? Uns ist die Erde und alles, was darauf lebt, anvertraut zum guten Gebrauch, nicht zur Ausbeutung. Hier sind wir immer wieder neu gefragt in unserem christlich-ethischen Nachdenken. Wo gebrauchen wir das Anvertraute klug und treu und wo beginnt die rücksichtslose Ausbeutung? Ohne nun im Einzelnen viele Beispiele vorzutragen, sehen Sie, liebe Gemeinde, was Gott von uns fordert, wenn er uns unser Leben anvertraut? Er fordert von uns, dass wir nicht nachlässig mit unserem Leben umgehen, sondern nachdenklich. Er fordert von uns, dass wir uns bemühen gerecht, aufrichtig, zuverlässig und besonnen mit unserem Leben und mit allem, was uns anvertraut ist, umzugehen.
Rechenschaft vor ChristusSo verstehe ich auch den letzten Satz des Predigttextes: „Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“
Uns ist viel gegeben, sehr viel. Jedem und jeder ist das eigene Leben gegeben und anvertraut. Und zudem sind wir oft verantwortlich für das Leben anderer Menschen, z.B. als Eltern, als Lehrer und Lehrerinnen, als Chefs und Vorgesetzte, als Arbeitgeber, als erwachsene Kinder, die für die hilfsbedürftigen alten Eltern Verantwortung übernehmen, als Mitglieder einer Stadtverwaltung, als Gemeinderätin, als Pfarrer und Pfarrerin, als Landwirt, als Politiker, als Städteplaner… Wir haben alle an unserem speziellen Ort im Leben Verantwortung nicht nur für uns, sondern eben auch für andere Menschen und für die Welt um uns herum.
Und genau das ist uns anvertraut und dafür haben wir Verantwortung, nach der wir bei der Wiederkunft Christi gefragt werden.
Nun ist Christus aber kein gnadenloser, strenger Richter, sondern ein liebender und barmherziger Richter, der weiß, was für ein Gebilde wir sind.
Christus weiß, dass wir oft schwach sind, dass wir oft nicht so handeln, wie wir sollten und vielleicht sogar wollten. Er weiß, dass wir oft nachlässig sind und Verantwortung abgeben wollen und immer wieder gedankenlos handeln.
Aber er liebt uns trotzdem, weil er uns kennt. Und weil er uns bedingungslos so liebt, wie wir sein können und nicht, wie wir sind.
Deshalb brauchen wir uns vor der Wiederkunft Christi nicht zu fürchten. Denn er allein wird in seiner Barmherzigkeit richten und entscheiden, wer das ewige Leben erhalten wird. Das ist nicht unsere Aufgabe, sondern allein seine.
Und so wollen wir als kluge und treue Verwalter unser Leben im Angesicht Gottes leben und auf Gottes Liebe und Gnade vertrauen, jetzt und in Ewigkeit.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Predigt zum Herunterladen: Download starten (PDF-Format)