Ewigkeitssonntag / Totensonntag (26. November 2023)
2. Petrus 3,8–13
IntentionDie Hinweise auf den universalen Rettungswillen Gottes stehen im Predigttext im Zusammenhang von apokalyptischen Bildern des Tages Gottes. Wie eine Welt zusammenbricht – der Himmel, der Halt gegeben hat, die Erde mit dem gewohnten Alltag ¬, das schildern Trauernde als Erfahrung. Sie und alle anderen hören: Gott hat Geduld mit seinen Geschöpfen. Gott gewährt Zeit zum Leben, zum Sterben, zum Trauern, zum Hoffen über das jetzt Erfahrbare hinaus, zur Besinnung auf die Gottesbeziehung, zu einem neuen Ansatz fürs Weiterleben. Himmel und Erde müssen vergehen, damit eine neue Welt, von Gott ins Werk gesetzt, ihren Anfang nehmen kann, die im Zeichen der Gerechtigkeit steht.
Predigttext 2. Petrus 3,8–138 Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag. 9 Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde. 10 Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden nicht mehr zu finden sein. 11 Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen, 12 die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und ihm entgegeneilt, wenn die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen. 13 Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.
Bis morgen! So verabschieden wir uns immer wieder voneinander und rechnen damit, dass wir diesen morgigen Tag erleben werden.
Beim Besuch zuhause, im Krankenhaus, im Pflegeheim. Bis morgen!
Manche erzählen beim Trauergespräch von jenem letzten Moment, vom bewussten Abschied von einem sterbenden Menschen. Anderen geht erst im Rückblick auf, wann die letzte Begegnung war, so jäh und unvorbereitet trat der Tod ihrer Liebsten ein.
In den letzten Wochen war ich mehrmals auf Intensivstationen. Still ist es dort nicht. Die Geräte geben Signale über den Zustand der Patientinnen und Patienten. Aber immer wieder breitet sich inmitten dieser Betriebsamkeit eine Ruhe aus. Es war schon Abend, und noch war für diesen Patienten unabsehbar, wann die OP möglich sein würde, denn Notfälle haben immer Vorrang. Bevor ich ging, betete ich Psalm 23. Und noch im Beten spürte ich, wie sich in mir die tiefe Gewissheit ausbreitete, dass wir im Leben und im Sterben bei Gott geborgen sind.
Einmal begleitete ich eine Frau zu ihrem sterbenden Partner. Ein Tag voller schöner und schrecklicher Momente lastete auf ihr. Der Arzt war sichtlich berührt, als er ihr den sehr kritischen Zustand darlegte. Aber für den Augenblick, als sie ans Bett trat und sich ihrem Liebsten zuwandte, war es, als bildete sich um die beiden eine Schutzhülle aus Hoffnung und Vertrauen, jenseits von Leben oder Sterben.
Bis morgen – sagen wir, auch wenn es kein gemeinsames Morgen mehr gibt, auch wenn wir deutlich spüren: dieser Mensch liegt im Sterben und wird diese Nacht nicht überstehen.
Bis morgen – darin schwingt die Hoffnung mit, die uns Lebende mit den Sterbenden verbindet, über die Schwelle des Todes hinweg. Denn nicht der Tod ist das Ziel unseres Lebens, sondern das Leben, das nicht mehr vom Tod bedroht und gezeichnet ist.
„…dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden nicht mehr zu finden sein.“
Für Trauernde, vor allem für die, die der Tod ihrer Lieben überfallen hat, die sich nicht vorbereiten konnten, mögen diese Bilder der Zerstörung, des Zusammenkrachens gar nicht so fern liegen. Die bisherige Lebenswelt mit allem, was ihnen Halt gegeben hat, ist in einem Nu zu Bruch gegangen. Nichts ist mehr, wie es war. Sie ringen um Fassung, um den Alltag zu bestehen. Mühsam sammeln sie die Bruchstücke ihrer Erinnerung zusammen, suchen zu bewahren, was sie mit den Toten verbunden hat. Versuchen die Liebe präsent zu halten, die war und die bleibt, auch wenn die Geliebten nicht mehr erreichbar sind.
Trauern und Erinnern brauchen Zeit. Während so vieles drängt, was nach einem Tod zu tun und zu regeln ist.
Wie gut zu hören: Gott hat Geduld. Gott drängt dich nicht, rasch wieder in die alten Gleise zu kommen, damit das Leben weiterläuft. Gott weiß um die Schwere in den Gliedern und auf der Seele, um den Druck auf den Schultern. Gott hat Geduld mit dir, wie du jetzt bist, hin- und hergerissen zwischen Schrecken und Erinnerung und dem Verlangen, das Leben möge wieder leicht werden und hell.
Es braucht Zeit zum Trauern. Zeit zu entdecken, wie sehr mir dieser Mensch am Herzen liegt, wie viel mich mit ihm verbindet. Die Freude zu spüren, was durch die Liebe zu diesem Menschen in mir gewachsen ist, und zugleich den Schmerz darüber, wie sehr mir dieser Mensch fehlt.
Wie tröstlich, dass Gott selbst die Sekunden, die Augenblicke wertschätzt, in denen alles da war, die ganze Fülle der Liebe aus seiner Quelle. Ewige Momente mitten in unserem zerbrechlichen Leben.
Im Trauergespräch höre ich immer wieder, wie Trauernde auf die Hoffnung setzen, dass sie ihren Lieben auf ungeahnte Weise wieder begegnen werden. Wie und wann weiß Gott allein. Allein darauf zu hoffen, zeigt: sie sind nicht bereit, dem Tod das letzte Wort zu lassen. Ihre Hoffnung hängt sich an Gottes Treue zu seiner Schöpfung und seinen Geschöpfen. Sie lassen Gott nicht aus der Verantwortung.
„Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen, die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und ihm entgegeneilt, wenn die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen. Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.“
Was passiert, wenn alles wegschmilzt, worauf wir bisher gebaut haben, nicht erst in der Zukunft, sondern jetzt? Konflikte oder gar Kriege in fast allen Erdteilen und dazu die überall mehr und mehr spürbaren Folgen der Klimakrise. Wie weiterleben, wenn einem der Himmel schwindet, die Gottesbilder fremd und das Gottvertrauen brüchig wird?
Die Antwort hier: indem wir nicht aufhören, Gott in den Ohren zu liegen.
So lassen wir Gott nicht aus der Verantwortung und tun zugleich mit unserer eigenen Kraft, was dran ist: Umkehren zu einem gerechten, friedlichen und die Schöpfung bewahrenden Zusammenleben. Umkehren als Einzelne, als Gesellschaft und als Staaten.
Für das Ziel ist Gott verantwortlich. Den neuen Himmel und die neue Erde nach seiner Verheißung führt er selbst herauf. Wir tun gut daran, dieses Ziel vor Augen zu haben und unsere Hoffnung davon stärken zu lassen. Und dabei auf Gottes Wirken jetzt schon, im Verborgenen, zu vertrauen. Gott hat Geduld mit uns. Gott wirkt an und in uns schon jetzt. Wo Trauernden ein Licht aufscheint und sie für sich einen gangbaren Weg entdecken. Wo Friedensboten nicht müde werden, hin und her zu vermitteln, dass Konflikte gelöst werden. Wo mit beharrlichem Dranbleiben die Chancen steigen, die Herausforderungen der Klimakrise zu bestehen.
„Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.“ Amen
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