Ewigkeitssonntag / Totensonntag (24. November 2019)

Autorin / Autor:
Kirchenrätin i.R. Bärbel Hartmann, Neuffen [baerbel.hartmann@t-online.de]

Matthäus 25, 1-13

Intention der PredigtMatthäus 25,1-13 ist ein ernstes Gleichnis mit doppeltem Ausgang.
Die Predigt wirbt für kluges, weitblickendes Leben und Handeln, wissend, dass Jesus uns von vorn entgegenkommt und uns gewinnen möchte für ein Leben der Freude in Ewigkeit.
Die Trauernden, die aus Anlass des Gedenkens der im vergangenen Jahr Verstorbenen da sind, bleiben in der Predigt besonders im Blick.

Liebe Gemeinde,
„die Tür bleibt zu“ – So lautete vor kurzem eine Überschrift im Regionalteil der Nürtinger Zeitung. Entgegen ursprünglichen Planungen entschied ein Gemeinderat, in der Grundschule des Ortes doch keine weitere Tür einzubauen.

„Die Tür bleibt zu“ – Hier ging es um ein Gebäude. Doch wie viele sind heute unter uns, die diesen Satz schmerzlich durchbuchstabieren müssen im Verlust eines lieben Menschen. Verschlossene Türen, kein Zugang mehr zu dem Menschen, mit dem man Jahre, vielleicht Jahrzehnte, das Leben geteilt hat. Seine Schritte sind verklungen. Ihre Stimme ist verstummt. Nie mehr wird er oder sie zur Tür hereinkommen. Nie mehr die Türen des Elternhauses öffnen. Türen von Kleiderschränken, von Hobbyräumen... Sie sind zu, wenn der Mensch fehlt, durch den das alles lebte. Die Tür des Lebens ist ins Schloss gefallen.

Viele unter uns haben vermutlich Erfahrungen mit verschlossenen Türen. Sie tun weh.
„Die Tür bleibt zu“ – wenn meine Bewerbung abgelehnt wurde, die Stelle gekündigt wird, die Firma Insolvenz anmeldet. Sie ist verschlossen, wenn man in der Schule zum Außenseiter wird, wenn der Kontakt in der Familie gerissen ist. Und wie schnell kann es geschehen, dass der Mensch selbst verschlossen wird, sich immer mehr zurückzieht, müde, resigniert.

Im heutigen Predigttext erzählt Jesus eine Geschichte, in der fünf junge Frauen erleben: „Die Tür bleibt zu!“

Ich möchte Sie einladen, bereits beim Zuhören wahrzunehmen: Jesus erzählt hier eine Geschichte, mit der er fürs Leben wirbt, für die Hoffnung, fürs Feiern in seiner Gegenwart, weit über unsere irdische Zeit hinaus. Er möchte seine Zuhörer, er möchte uns dafür gewinnen.

Lesung Matthäus 25,1-13:
„Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. 3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. 4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. 5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! 7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. 8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zu den Händlern und kauft für euch selbst. 10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. 11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“

Hintergrund des Gleichnisses ist ein damaliger Brauch in Israel. Der Bräutigam verließ vor der Hochzeit sein Elternhaus, die Braut kam ins Haus und erwartete ihn dort. Es gab noch keinen Junggesellenabschied; jedoch gingen Freundinnen oder Frauen aus der Umgebung der Braut dem Bräutigam mit Öllampen entgegen, um ihn zu empfangen.
Diese Situation schildert Jesus. Zehn junge Frauen erwarten den Bräutigam. Vorfreude aufs Fest! Alle haben sie ihre brennenden Lampen dabei. Doch das Kommen verzögert sich. Sie müssen lang warten. Zu lange. Alle werden sie müde. Alle schlafen ein.

Doch in einem Moment sind sie alle hellwach, als um Mitternacht der Ruf ertönt: Siehe der Bräutigam kommt. Geht hinaus, ihm entgegen!

Die Mitte der Nacht ist der Anfang des Tages, sagt eine alte Weisheit!
Der Morgen naht. Vorfreude! Festfreude! Feiern werden sie. Noch einmal die Lampen mit Öl versorgen, Licht auf den Weg. Und dann pure Freude, Feiern, Hoch-Zeit!

Doch nur fünf der jungen Frauen sind bereit, für die andern gibt es ein böses Erwachen.
Sie haben keinen Nachschub dabei. Sie haben nicht vorgesorgt. Sie haben im Hier und Heute gelebt, sich darin verloren. Sie haben nicht daran gedacht, eine Reserve an Öl mitzunehmen damit ihre Fackeln nicht verlöschen, selbst wenn es lange dauert, bis der Bräutigam zurückkehrt. Ihr Licht ist erloschen, dunkel ist es um sie:

Es kann vor Nacht leicht anders werden, als es am frühen Morgen war (1) ist nun ihre Erfahrung. Heiter, unbeschwert waren sie unterwegs, dem Fest entgegen. Dass ihnen eine lange Nacht bevorsteht, damit hatten sie nicht gerechnet.

Fürs Teilen des Vorrats der anderen ist die Menge zu gering. Es bleibt nur der gute Rat der Klugen, es mit Einkaufen zu probieren.

Spüren wir, wie aus allen Poren der Erzählung das warme Werben Jesu spricht, es den klugen Jungfrauen gleichzutun? Im Licht zu bleiben, Öl bei uns zu haben – auch für lange, dunkle Nächte und einen weiten Weg?
Was aber bedeutet dies für uns heute?

Jesus schildert im Gleichnis das Himmelreich. In seinem Kommen ist es angebrochen. Die Engel an Weihnachten verkündigten die große Freude für alle Welt: „Fürchtet euch nicht. Denn euch ist heute der Heiland geboren!“

Unser Heiland, der gelitten hat, gekreuzigt wurde, gestorben ist und auferstanden ist.
Er sitzt zur Rechten Gottes, von dort wird er wiederkommen, zu richten die Lebenden und die Toten – so bekennen wir Christen es seit Jahrhunderten im Glaubensbekenntnis.

Er selbst ist der Bräutigam, der wiederkommt, um das Hochzeitsfest zu feiern. Darauf leben wir zu. Diese Hoffnung tragen wir in uns.
Darum heißt bei uns der Totensonntag eben auch Ewigkeitssonntag.

Gott kommt dir von vorn entgegen – singt Manfred Siebald.
Weil dem so ist, können und sollen wir nach vorne leben, ihm entgegen.

Ein Politiker wurde vor kurzem in einem Interview gefragt: Wenn in einem Jahr die Welt untergeht, was wäre bis dahin Ihre Aufgabe? Sie dürfen allerdings keinen Apfelbaum pflanzen. Antwort: Ich würde darüber sprechen, dass das Ende der Welt nicht wirklich das Ende des Lebens ist. Als gläubiger Christ würde ich das vermitteln wollen. (2)

Weil Gott uns von vorn entgegenkommt, gewinnen wir eine neue Perspektive für unser Handeln, für unseren persönlichen Lebensweg und für die Welt.
Gesund oder krank, verliebt oder wieder allein. Nehmen wir alles, was uns beschäftigt mit auf den Weg ihm entgegen. So, wie jener junge Mann kurz nach seiner Krebsdiagnose zu seiner Frau sagte: Ich bin gespannt, was wir mit Gott erleben werden. Als es Monate später gesundheitlich erkennbar bergab ging, fragte sie ihn:
Hast du Angst vor dem Sterben? Ruhig antwortete er: Nein, du kennst doch meinen Denkspruch: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben!“ (3) Dieser junge Mann hatte Öl dabei, er lebte im Horizont der Ewigkeit, getröstet mitten in der Nacht der Schmerzen.

Auf manchen Gräbern der Friedhöfe leuchtet in diesen Wochen ein sogenanntes „Ewiges Licht“. Die Öllampe, die in den katholischen Kirchen nahe den Hostien brennt, erinnert an die Gegenwart Jesu. Sie erstreckt sich weit über die Kirche hinaus, in die Welt, ins Leben, übers Sterben hinaus ins ewige Leben.

Ja, wir können Öl mit uns nehmen:
Das Öl des biblischen Wortes, das uns durch Tage und Nächte stärken kann: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln… er erquicket meine Seele, er führet mich auf rechter Straße… du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein… und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar. Keine verschlossenen Türen, sondern Heimat in der Ewigkeit

Das Öl des barmherzigen praktischen Helfens. Der Samariter hat im Gleichnis Jesu dem unter die Räuber Gefallenen die Wunden mit Öl gereinigt und ihn weiterversorgen lassen. Balsam für Leib und Seele.

Lothar Zenetti hat es auf den Punkt gebracht:
"Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter!
Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer!
Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht!"

Christen sehen über die vielen Schwierigkeiten nicht hinweg, aber sie sehen über ihnen die großen Möglichkeiten Gottes.
Christen sehen an den vielen Leiden nicht vorbei, aber sie sehen unter all den Nöten die viel tiefere Liebe Jesu.
Christen schließen vor dem Dunkel der Welt nicht die Augen, sie glauben nicht blind, sondern sie sehen alles von Gott her in einem anderen Licht.
So können wir aufbrechen, in die neue Woche mit allem, was uns erwartet und bewegt – ihm entgegen.
Wir können voll Hoffnung aufstehen, der offenen Tür entgegen gehen, wie die fünf klugen jungen Frauen, vielleicht sogar singend:

"Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt. Er selbst kommt uns entgegen, die Zukunft ist sein Land. Wer aufbricht, der kann hoffen, in Zeit und Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit." (4)
Amen.

Anmerkungen
1 EG 530,2
2 Armin Laschet in: Die Zeit 42/2019 S. 8.
3 Joh.3,37
4 EG 395,3


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