Epiphanias (06. Januar 2025)
Matthäus 2,1-12
IntentionAm Jahresanfang fragen viele: Wie soll es jetzt weitergehen? Wie gehen wir mit der Zukunft um? Der Predigttext zeigt drei Möglichkeiten. Neue Ziele und Wege verfolgen, das Altbewährte weiterführen oder zögernd abwarten. Die Predigthörer können sich wiedererkennen und identifizieren.
Liebe Gemeinde!
„Wie soll es jetzt weitergehen, für mich persönlich, für unser Land, für unsere Welt? So fragen sich viele am Jahresanfang. Christenmenschen befragen vielleicht die Jahreslosung, andere das Horoskop, manche haben es mit Bleigießen versucht in der Silvesternacht. Vielleicht lässt sich ein Anhaltspunkt finden, eine Idee, was einem bevorsteht. Dann könnte man überlegen: Wie kommen wir da durch?
Auch für unser Land fragen wir: Wie soll es jetzt weitergehen – immerhin stehen in 7 Wochen Neuwahlen an. Politiker geben Prognosen ab, Klima-Sachverständige und Wirtschaftsweise (da braucht man schon 5!) analysieren die Situation und rechnen ihre Ergebnisse hoch für die Zukunft. Die Zukunft scheint dann wie eine Verlängerung der Gegenwart. Aber ist das gut? Oder eher zum Fürchten?
In der Geschichte, die immer an Epiphanias, dem Dreikönigsfest, vorgelesen wird, ist es anders. Da gibt es die Weisen, die etwas Neues entdecken. Es gibt den König Herodes, der auf seinem Standpunkt beharrt und bloß fragt: Wie komme ich da durch, wie halte ich die Zukunft aus. Und es gibt die Experten, die Schriftkundigen – die sind zögerlich und unentschlossen und warten ab, obwohl sie es besser wissen könnten.
Hören Sie aus dem Matthäusevangelium 2, 1–12:
„Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten.
Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, 4und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten Mi 5,1: ‚Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.‘
Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete. Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. 1Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut 1und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Und da ihnen im Traum befohlen wurde, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem andern Weg wieder in ihr Land.“
Weise aus dem OstenZuerst also die Weisen. Dass es drei waren und dass sie Könige waren, hat man später aus den drei erwähnten königlichen Geschenken herausgelesen. Matthäus erzählt nichts davon. Er schreibt, sie waren Magier. Das waren nicht Zauberer, sondern gebildete, weise Männer. Weise ist jemand, der seine Erfahrungen und seine Erkenntnisse zusammenbringt und bedenkt und daraus dann einen Standpunkt gewinnt. Das, was ich schon erfahren habe in meinem Leben, und das, was ich von anderen gelernt habe im Gespräch, in der Schule, aus Büchern, auf Reisen – das beides zusammenbringen und dann eine Idee gewinnen, eine Meinung: Das ergibt Weisheit. Wer alles prüft und das Beste behält. Wer das kann, dem kann man vertrauen. Der ist weise. Der kann auch Rat geben. Wer also nicht nur nachplappert, was alle sagen, nicht das, was gerade in Mode ist, wer nicht bloß sagt „das hat‘s ja noch nie gegeben“ und auch nicht einfach „das war doch schon immer so“ – der ist weise. So weise waren diese Gebildeten aus dem Osten, aus dem Morgenland. Astronomen waren sie offenbar, Sternkundige. Ich weiß nicht, ob sie etwas Besonderes gesucht haben. Aber sie haben etwas gefunden. Eine Sternkonstellation, wie sie nur ungefähr alle 900 Jahre vorkommt. Saturn und Jupiter so eng zusammen, dass sie wie ein einziger, besonders hell leuchtender Stern aussehen. (Im Planetarium in Stuttgart kann man sich vorführen lassen, wie das war.)
Und aus ihren Büchern wussten sie: Jupiter, das ist der Stern der Götter und Könige. Und der Saturn, das ist der Stern Israels. Das alles brachten sie zusammen, und dann meinten sie: In Israel ist ein König geboren – ein neuer König. Ein strahlend heller König. Das brachte sie in Bewegung. Das wollten sie sehen. Sie wollten sehen, was es mit diesem neuen König auf sich hat. Sie wollten nicht abwarten, was passiert. Deshalb brachen sie auf nach Westen. Sie waren bereit, ganz persönlich Konsequenzen zu ziehen aus dem, was sie gesehen und erkannt hatten. Nicht bloß reden – machen! Prüfen und überlegen und dann aber auch machen! Wahrscheinlich gehört das auch zur Weisheit. Etwas Neues probieren. Und wenn es nicht klappt, dann sich nicht entmutigen lassen, sondern etwas anderes probieren. Das ist weise. Die Männer folgen also dem Stern. Sie fragen nicht, ob das gefährlich sein könnte. Sie sehen nicht die Wegstrecke ins Unbekannte vor sich und fragen: Wie kommen wir da durch? Sie haben ein Ziel vor Augen. Eine gute Zukunft. Und anscheinend wissen sie: Wer nicht losgeht, kommt nirgends an. Sie sehen den Stern. Dahin wollen sie. Und Gottes Licht geht mit ihnen.
Wo man ganz dringend eine bessere Zukunft brauchtSpäter hat man in den der Königen Vertreter der ganzen (damals bekannten) Welt gesehen. Einer sei ein Greis gewesen, einer noch ganz jung. Beide wurden in Gewändern aus dem arabisch-persischen Kulturkreis dargestellt. Anscheinend braucht man kein bestimmtes Alter, um weise zu sein und konsequent zu leben. Und einer war dunkel, vielleicht sogar schwarz, hat man sich vorgestellt. Sie kennen sicher die mittelalterlichen Gemälde und Krippendarstellungen, die das so zeigen. Sie kamen aus Weltgegenden, wo man heute jedenfalls ganz dringend neue Herrscher und eine neue gerechte Friedensordnung braucht. Wo man ganz dringend eine bessere Zukunft braucht. Vielleicht war das früher schon so? Da, wo es den Menschen schlecht geht, da brauchen sie Zukunft und Hoffnung. So gesehen ist es vielleicht kein Wunder, dass die Künstler keine Europäer dazu gemalt haben, auch keine Amerikaner. Wo es den Menschen gut geht, da wollen sie keine Veränderung. Im Gegenteil: Veränderungen scheinen für sie bedrohlich.
König Herodes, Spitze einer CliqueSo ging es auch dem Herodes, dem König von Roms Gnaden. Als der hört, dass in seinem Land ein neuer König aufwachsen soll, da fühlt er sich bedroht. Ihm geht es doch gut – wenn er auch seine Macht und seinen Wohlstand mit vielen Soldaten und viel Gewalt schützen muss. Den Armen ging es nicht gut unter seiner Herrschaft. Aber seine herrschende Clique, die hatten alles, was sie wollten. Die hatten mehr als genug zum Leben. Deshalb wollte Herodes, dass alles bleibt, wie es ist. Deshalb war sein erster Gedanke, als er von dem neuen König hört: Der muss weg. Da kommt etwas Neues, und die Wohlhabenden und die Herrschenden denken nur an sich und wollen, dass alles bleibt wie es ist!
Ungerechtigkeit – und nichts soll sich ändern?Und wie war es damals? Die einen hatten mehr als genug und vielen anderen blieb nicht genug zum Leben. Ein bisschen ist das so wie heute. Die Vereinigung Oxfam gibt jährlich einen Bericht zur Vermögensungleichheit heraus. Sie hat ausgerechnet, dass den Milliardären und Millionären in Deutschland ungefähr 60 % des Vermögens gehören. Und die ärmere Hälfte der Bevölkerung hat nur 1,3 % des Gesamtvermögens. Was glauben Sie, wer dringend möchte, dass die Verhältnisse so bleiben? Und wer hofft auf Veränderung? Bloß: Immer, wenn jemand etwas daran ändern möchte, dann ist das Geschrei groß. Dann kriegen die Wohlhabenden und die Herrschenden Angst und alles bleibt beim Alten. Revolution! Heißt es dann, Umsturz!
Jetzt sagen Sie nicht: Aber es hat doch schon immer Arme und Reiche gegeben. Das stimmt ja. Aber ist das gut so? Matthäus zeigt in seiner Geschichte, wohin es führt, wenn die Herrschenden und die Reichen nicht wollen, dass sich etwas ändert. Nur ein paar Sätze weiter erzählt er vom Mord an den Kindern in Bethlehem. Heute übrigens kommen in der Gegend um Bethlehem wieder Kinder ums Leben und Erwachsene auch – wahrscheinlich gibt es zu viele, die nicht wollen, dass sich dort etwas ändert.
Experten reden, aber handeln nichtUnd dann erzählt Matthäus noch von den Wissenschaftlern, den Experten. Schriftgelehrte hießen die damals. Die werden befragt, was sie über diesen Zukunfts-Stern wissen und was sie davon halten. Und sie wissen eine Menge! Aus Bethlehem soll er kommen, der Fürst, der Frieden bringen soll. Sie zitieren den Propheten Micha. Bethlehem also. Das ist gar nicht weit von Jerusalem. Die gute Zukunft ist eigentlich naheliegend. Das tragen die Gelehrten ihrem König Herodes vor. Und dann schweigen sie. Sie halten sich raus. Sie wollen nicht Partei ergreifen. Sie sagen nicht: Aber das ist Blödsinn. Sie sagen auch nicht: Jetzt ist es soweit. Jetzt muss etwas geschehen. Sie sagen einfach gar nichts weiter. Sie warten ab. Sie überlassen es – wie man so schön sagt – sie überlassen es der Politik, Maßnahmen zu ergreifen. Sie sind ja nur Wissenschaftler, nicht Politiker. Sie warten ab, was die Politiker entscheiden werden. Im Grunde ist das bequem. Wenn es gut geht – dann gut. Und wenn es schief geht, können sie immer sagen: „Das war die falsche Entscheidung. Das hätte man doch sehen müssen. Wir haben es doch gesagt.“ Solche Experten gibt es viele, an Schreibtischen und an Stammtischen. Sie wissen alles, manchmal auch alles besser. Aber sie tun nichts. Das Handeln überlassen sie den anderen. Dafür sind sie als Experten nicht zuständig. Die anderen sind am Ende verantwortlich. Die Experten bleiben neutral.
Mut zu VeränderungMatthäus erzählt von drei Menschengruppen: die Weisen, die sich auf Neues einlassen, der König und seine Clique, die beim Alten bleiben wollen, und dazwischen die Experten, die sich raushalten. Zu welcher Gruppe gehören Sie? Wo finde ich mich wieder?
Mir scheint, wir brauchen Weitblick, wie jene Weisen aus dem Osten. Die sahen den Stern, eine Orientierung, die – so schien ihnen – von Gott geschickt war. Da haben sie begriffen: Es muss nicht alles bleiben, wie es geworden ist. Es ist durchaus etwas Neues möglich. Es kann anders werden. Die Weisen fanden bei dem Stern dort in Bethlehem einen Menschen, der gezeigt hat, wie die Welt sein kann und wie sie nach Gottes Willen sein soll: Bis heute erzählen wir von seiner Geburt unter dem Stern und von ihm selbst. Wir erzählen, dass Blinde sehen und dass Menschen, die gelähmt waren von ihren schlimmen Erfahrungen, wieder auf die Beine kommen, wenn sie ihm begegnen; wir erzählen, dass es für alle reicht, wenn nicht die einen alles für sich in Anspruch nehmen, so dass den anderen nichts bleibt; wir erzählen, dass alle so viel bekommen, dass sie davon leben können. Ich vertraue auf diese Geschichten, die zeigen, wie es gehen kann, wenn man mit Gott rechnet. Geschichten, die zeigen, wie es anders werden kann, wenn man es anders macht. Mit dem Stern fängt es an.
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