Epiphanias (06. Januar 2018)
Kirchenrat Dr. Frank Zeeb, Straßburg [frank.zeeb@elk-wue.de]
Kolosser 1, 24-29
Ein Geheimnis …Psst … Können Sie ein Geheimnis für sich behalten? Das klingt spannend! Aber womöglich ist heute manch einer und eine schon der vielen Geheimnisse überdrüssig. Advents- und Weihnachtszeit sind ja voll von Geheimnissen, tatsächlichen oder vermeintlichen. Das fängt oberflächlich an bei der Geheimnistuerei um die Geschenke. Kindern – die ja Geheimnisse lieben – macht man eine Freude, wenn man das Geheimnis um Nikolaus oder Christkind ein bisschen inszeniert. Aber dabei gerät das eigentliche Geheimnis von Weihnachten oft in den Hintergrund: Gott wird Mensch. Er begibt sich hinein in unsere Welt als ein kleines Kind, wird einer von uns, damit wir zu ihm kommen können. Das feiern wir zu Weihnachten, und es ist sicherlich mehr als ein Zufall, eine Laune des Kalenders, dass dieses Geheimnis mitten im Winter sich ereignet, wenn die Nächte lang und die Tage kurz sind, es an manchen Tagen auch gar nicht richtig hell wird. Ein Geheimnis braucht eine gewisse Dunkelheit, im strahlenden Licht kann es sich nicht richtig entfalten. Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt … Deshalb ist es faszinierend, dass Weihnachten vor allem ein Licht-Ereignis ist. Um die Engel leuchtet die Klarheit des Herrn, der Stern leuchtet über dem Stall, und wir bilden das nach, indem wir den Christbaum mit ganz vielen Kerzen schmücken, damit es hell werde in unseren Zimmern und in unseren Herzen.
Aber heute ist nicht mehr der Weihnachtstag. Noch erstrahlt zwar in den meisten Kirchen der Christbaum, und in vielen Familien ist es Tradition, dass er am Erscheinungsfest zum letzten Mal angezündet und dann abgeräumt wird. Vielerorts beginnen auch ab Montag die CVJMs damit, gegen eine kleine Spende die Christbäume zu entsorgen. Man muss ihn ja nicht gleich – wie es nach der Werbung eines Möbelhauses ein schwedischer Brauch sein soll – zum Fenster hinauswerfen. Der Knutstag, auf den da Bezug genommen wird, liegt übrigens genau einen Monat nach dem Tag der Heiligen Lucia, der wiederum ein Lichtfest ist. Licht und Finsternis, Geheimnis und Offenbarung, das ist der Bezugsrahmen, um den das heutige Fest kreist. Das haben wir auch im Wochenspruch gehört: „Die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt.“ Schauen Sie einmal nach vorn: Heute, am Samstag des Erscheinungsfestes sind Kanzel und Altar mit weißen Paramenten geschmückt, morgen, also am ersten Sonntag nach dem Erscheinungsfest, sehen wir grüne Paramente.
Kommen und Gehen ...Das Evangelium für das Erscheinungsfest ist die Geschichte von den drei Weisen aus dem Morgenland. Sie sind die ersten Nichtjuden, die zum Jesuskind kommen – von weither, um den neugeborenen König anzubeten. Die ersten Menschen aus den Völkern also, die zum Glauben an Jesus als dem Christus kommen. Jesus ist der Messias, der Herrscher der Welt, nicht nur für die Juden, sondern für alle Völker. Egal, aus welchem Land einer stammt, welche Hautfarbe sie hat, welche Sprache er spricht oder welche Religion sie bisher hatte: Jesus Christus ist der Heiland für alle. Daher gehören zum Erscheinungsfest traditionell die Themenkreise Weltmission und Taufe. In der Ostkirche feiert man traditionell eine große Wasserweihe, mit einer Prozession zu einem fließenden Gewässer, und in Russland gibt es den Volksbrauch des Eisbadens als Tauferinnerung am Epiphaniasfest.
Aufgefallen ist mir aber ein großer Unterschied: Die drei Weisen kommen zu Jesus, Paulus und die Apostel gehen hin zu allen Völkern. Es ist also eine doppelte Bewegung oder, wie man heute gerne sagt: Eine Komm- und eine Gehstruktur. Die Kommstruktur gehört in die Zeit des Ursprungs – die Hirten kommen zu Jesus, die Weisen kommen, oft steht in den Evangelien, dass ein Mensch oder eine Gruppe zu Jesus kommt. Die Kommstruktur gehört auch in die Zeit der Erfüllung: Am letzten Tag, wenn Jesus wiederkommt, werden alle Völker nach Zion pilgern, um Gott anzubeten.
Dazwischen ist aber die Zeit der Sendung, der Missio: Jesus sendet die Seinen hinaus in alle Welt. So hat sich Paulus aufgemacht, ist ein unsteter und hektischer Apostel geworden, um möglichst viele Städte und Länder zu besuchen und dort das Evangelium zu verkündigen. So haben sich die Missionare aufgemacht, zum Beispiel von der Basler Mission, zu fremden und unbekannten Völkern, um ihnen von Jesus zu erzählen und haben dabei nicht nur Kirchen und Gemeinden gegründet, sondern nebenbei auch viele Sprachen und Kulturen kennengelernt und den Kilimandscharo entdeckt.
So sollen auch wir Heutigen uns aufmachen. Die Missionsgebiete unserer Zeit sind gar nicht einmal so weit entfernt, sie liegen nicht hinter Urwald und Wüstensand, sondern mitten in unseren Städten und Dörfern. So viele Menschen leben unter uns, die keine Hoffnung haben, die einsam sind in ihrer Gottesferne und dringend eines zusprechenden Wortes bedürfen. Hier hat jeder Christ seine Aufgabe! Kreativität ist gefordert. Menschen dort aufzusuchen, wo sie sind, war nie einfach, und heute gilt es, neue Wege zu suchen. In Stuttgart gibt es seit ein paar Monaten ein christliches Blumencafé. Zwei junge Frauen haben sich zusammengetan, sie leiten einen ganz normalen Blumenladen, bieten ein Café für das Stadtviertel an, die Menschen treffen sich dort, weil sie einen Blumenstrauß brauchen oder sich auf einen Kaffee treffen und, wenn es sich ergibt, erzählen die beiden Frauen von ihrem Glauben, unaufdringlich, aber eindrücklich. Eine neue Form, Menschen das Evangelium zu sagen, frisch und modern.
Leiden für ChristusNiemand behauptet aber, dass das Engagement für Christus leicht sei. Paulus selbst hat viel gelitten um des Evangeliums willen. Er hat unendliche Strapazen auf sich genommen … schon alleine die Liste seiner Reisen ist Zeugnis für die Schwierigkeiten, denn damals war die Mobilität längst nicht so bequem wie heute. Reisen war schwierig und anstrengend und vor allem gefährlich. Schiffbruch und Piratenüberfälle waren gang und gäbe, und für einen kranken Mann muss es noch einmal schwieriger gewesen sein. Dennoch nimmt er alles auf sich. Auch die Feindschaft seiner Umgebung, die ihn mehr als einmal ins Gefängnis bringt, wo die Gefangenen sicher nicht besonders rücksichtsvoll behandelt wurden. Paulus nimmt alle Leiden auf sich und freut sich noch darüber, denn er weiß, dass er sie für Christus leidet.
Damit wird er zu einem der ersten Glaubenszeugen, zum Märtyrer. Nicht, dass Gott das braucht, dass einer für ihn leidet, denn das Leiden Christi ist genug für alle. Und man muss dem Leiden Christi auch nichts hinzufügen. Aber so wie Christus gelitten hat für Gott, so führt Gott die Seinen auch nicht immer die leichten und glatten Wege. Mit einem Wort Johann Albrecht Bengels: „Gott führt uns nicht um das Leiden außen herum, sondern er führt und leitet uns mitten im Leid.“ Und für den Schweizer Reformator Johannes Calvin spiegelt sich im Leiden der Christen gleichsam das Leiden Christi wider. Durch das Leiden der Christen wächst die Kirche. Insoweit ist Leiden um Christi willen auch ein Stück Mission.
Eines der überzeugendsten Argumente der frühen Kirche war ja, wie fröhlich die Christen ihr Leiden auf sich genommen haben. Sie wussten und glaubten, dass sie gerade so Anteil an Christus haben. So wie Christus gelitten hat, leiden die Seinen – und geben damit Zeugnis ab für die Welt. Sie machen aber auch ihre Hoffnung deutlich, dass alles in der Welt eine Grenze hat, auch das Leid. Im Licht der Hoffnung – und nur so lässt sich Leid ertragen – geschieht Nachfolge, auch Nachfolge im Leid. Das sage ich heute besonders vor dem Hintergrund der verfolgten Christen überall auf der Welt, nicht zuletzt in den Ländern des Vorderen und Mittleren Orients. Sie leiden stellvertretend für alle Christen, auch für uns, denen es doch im Großen und Ganzen recht gut geht. Das Mindeste, was wir tun können, ist unser Gebet. Wir stehen fürbittend für die ein, die in der Nachfolge Christi ein Kreuz tragen, das uns gottlob erspart bleibt. So haben wir dann Teil an der Hoffnung, die alle Christen verbindet, die Hoffnung auf das Kommen des Herrn in Herrlichkeit.
Geheimnis des GlaubensJetzt sind wir aber weit abgekommen von der Ausgangsfrage: Was ist denn nun das Geheimnis, das an Weihnachten im Dunkel in die Welt gekommen ist und an Epiphanias ans helle Licht kommt? Eine Beobachtung am griechischen Text hilft uns weiter. Auch wer kein Griechisch kann, hört im Wort „Mysterium“ heraus, dass es sich um etwas Geheimnisvolles handeln muss. Die lateinische Übersetzung übersetzt dieses Wort oft mit „sacramentum“. Damit ist klar, wie sich das Geheimnis ausdrückt, das der Apostel und wir alle in Wort und Tat verkündigen: Die Gegenwart Christi wird verkündigt, wenn das Evangelium laut wird und sinnenfällig anschaulich in den göttlichen Wortzeichen, in den Sakramenten, oder – ein letztes Mal in diesem Kirchenjahr ein Adventslied: „denn er tut ihn(en) schenken / in den Sakramenten / sich selbsten zur Speisen“. Wort und Sakrament – das ist das Geheimnis, das Christus uns offenbar werden lässt. Deshalb gehört zur Taufe unbedingt die Verheißung, die Hoffnung schenkt, auch wenn die ganze Welt im Chaos versinkt: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“
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