Christnacht (24. Dezember 2015)

Autorin / Autor:
Kirchenrat i.R. Dr. Werner Schmückle, Korntal [Werner.Schmueckle@arcor.de]

Römer 1, 1-7

Liebe Gemeinde!

Ich vermute, Sie haben in diesen Tagen einige Weihnachtspost erhalten.
Es waren wohl sehr unterschiedliche Briefe, die Ihnen da ins Haus geflattert sind.
Vielleicht waren Briefe von ihrer Bank oder von Firmen dabei, mit denen sie in diesem Jahr zu tun hatten.
Sie wollen eine kleine Aufmerksamkeit sein, aber gleichzeitig auch eine Art Werbung mit der Botschaft: „Wir wollen die bewährte Beziehung mit ihnen fortsetzen.“
Dann sind die Rundbriefe von Bekannten oder befreundeten Familien angekommen, in denen berichtet wird, was sich im Laufe des Jahres in diesen Familien alles ereignet hat.
Und schließlich sind da Briefe, in denen sich ganz persönliche Nähe ausdrückt.
Sie sind ein Zeichen der Zuneigung und signalisieren:
„Du, ich denke an dich, du bist mir wichtig, ich wünsche dir alles erdenklich Gute!“

Weihnachtspost von PaulusWir haben die ersten Verse des Briefes des Apostel Paulus an die Christen in Rom gehört. Sie sind gewissermaßen seine Weihnachtspost an uns. Und alle drei Aspekte, die uns in unseren Weihnachtsbriefen begegnet sind, finden sich auch in seinem Brief.

In gewissem Sinne handelt es sich um einen Geschäfts- und Werbebrief. Paulus ist den Christen in Rom nicht persönlich bekannt. Er hat diese Gemeinde nicht gegründet.
Aber er will eine Beziehung mit dieser Gemeinde aufnehmen, will einen Besuch vorbereiten und hofft auf die Unterstützung der Gemeinde für sein geplantes Missionsvorhaben in Spanien, dem Ende der damals bekannten Welt.

Deshalb gibt Paulus auch viel von sich selber preis. So wie es in den Rundbriefen der Fall ist, die wir in diesen Tagen erhalten haben.
Er erzählt von seinem Auftrag und von seinem Ergehen: Paulus, ein Diener und Bote „Jesu Christi, von Christus selber berufen, um das Evangelium zu verkündigen und die Menschen zum Glauben an Christus einzuladen.“
Um diesen Christus geht es ihm.
Christus ist der Inhalt seines Briefes.
Und dieser Inhalt macht das Schreiben des Apostels Paulus erst zu einer Art Weihnachtsbrief.

Die WeihnachtsbotschaftDer Inhalt, die Botschaft, ist dem Apostel Paulus das Wichtigste.
Sie ist die Erfüllung der Verheißungen, die Gott durch seine Propheten hat laut werden lassen.
„Was der alten Väter Schar höchster Wunsch und Sehnen war und was sie geprophezeit, ist erfüllt in Herrlichkeit“ – heißt es in einem Adventslied (EG 12,2).

Das Kind in der Krippe von Bethlehem ist die Erfüllung dieser Verheißungen.
„Geboren aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch“ – schreibt Paulus.
„Nach dem Fleisch“, das meint: wirklich als Mensch.
Gott wird ein Menschenkind und kommt uns so ganz nahe. Mitten in unsere Welt mit ihren Freuden und mit ihren Nöten und Problemen.

Er kommt zu uns Menschen in unsere Sehnsucht nach Frieden und Geborgenheit, nach einem festen Halt, der unser Leben trägt.
Er kommt hinein in unsere Sorge, wie das mit den vielen Flüchtlingen wird in unserem Land.
Er kommt in unsere Angst vor dem Terror, der Menschenleben brutal zerstört und die Angehörigen in Trauer und Verzweiflung stürzt.

„Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute, Gottes Kind, das verbindt sich mit unserm Blute“ – dichtet Paul Gerhardt (EG 36,2).
Gott schenkt Antwort auf die Bitte, die ein neues Gedicht so ausdrückt:
„Komm, Gott, mit deiner Gnade in gnadenloser Zeit
und zeig uns Wege, Pfade zu neuer Menschlichkeit.
Du weißt um Leid und Sterben von Menschenhand gemacht –
Gott, lass uns nicht verderben, hilf uns, du hast die Macht.“

Der Blick über Weihnachten hinausPaulus bleibt in seinem Brief nicht bei Weihnachten, nicht bei der Menschwerdung Jesu stehen.
Er bedenkt den Weg Jesu bis hin zur Auferstehung.
„Durch den Heiligen Geist ist Christus eingesetzt als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten.“
Das Kind in der Krippe wird zum Herrn der Welt.
Das große Staunen darüber findet sich schon in einem Weihnachtslied von Johann Rist:
„…dass dieses schwache Knäbelein soll unser Trost und Freude sein, dazu den Satan zwingen und letztlich Frieden bringen.“ (EG 33,1)

Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe – heißt es schon bei der Taufe Jesu durch die Stimme vom Himmel.
In der Auferstehung Jesu wird das endgültig sichtbar und bekräftigt. Christus ist der Herr, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, der diese Welt und unser kleines Leben in seinen Händen hält.

Und dennoch bleibt er sich treu,
er bleibt der, der uns Menschen als Kind in der Krippe nahe kommt,
derjenige, der mit Armen und Verachteten Tischgemeinschaft hat und ihnen so Gottes Liebe und Vergebung bringt,
der die Kranken heilt und Kindern segnend die Hände auflegt,
der den Weg ans Kreuz geht und stirbt für unsere Schuld.
Christus, der uns einlädt: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, aufatmen sollt ihr und frei sein!“

Ganz persönlichWeil das Kind in der Krippe und der Herr der Welt so mit uns umgeht, darum kann der Apostel Paulus in seinem Brief ganz persönlich werden.
So wie die Freunde, die uns in ihren Weihnachtsbriefen sagen wollen: Du bist mir wichtig und ich denke an dich.
Als Geliebte Gottes und berufene Heilige redet Paulus die Christen in Rom an. Und er spricht ihnen Gnade und Frieden zu.

Gnade und Frieden, das heißt: Ihr seid im Reinen mit Gott.
Was gewesen ist in eurem Leben, muss euch nicht mehr belasten.
Was kommt, muss euch nicht in Angst versetzen.
Gnade und Frieden heißt: Ihr seid geborgen in der Liebe Gottes, was auch immer euer Leben bringen wird.

So kann es Weihnachten werdenSo kann es Weihnachten werden. Für die Gemeinde in Rom und für uns ganz persönlich. So könnt ihr vom Frieden weitersagen und ihn leben mit den Menschen, die sich nach Frieden sehnen in einer friedlosen Welt.
Damit es alle erfahren, was Friedrich von Bodelschwingh so ausgedrückt hat:
„Weihnachten ist die Tür Gottes ins Heilige Land.
Da hört man heimatliche Klänge,
da wird die Sprache der Herzen gesprochen,
da macht uns Gott durch die Weihnachtsbotschaft neu zu seinen Kindern,
da verwandelt sich die Welt.
Über ihrer Not leuchtet die Sonne seines Erbarmens
und die Rätsel irdischer Geschichte
werden zu Wunderwegen seiner Gnade.
Das aber ist die rechte Weihnachtsmelodie.“
Amen.

Zitate: Eugen Eckert: Komm Gott, mit deiner Gnade (Strophe 1), in: Pastoralblätter, Bausteine 12 A/2015; Friedrich von Bodelschwingh, EG Württ. S. 993.

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