1. Weihnachtsfeiertag (25. Dezember 2018)

Autorin / Autor:
Pfarrer Thorsten Eißler, Reutlingen [Thorsten.Eissler@elkw.de]

Johannes 1, 1-14

Intention: An Weihnachten ist das Licht zu uns gekommen. Dieses Licht kann ich weitergeben. Jeden Tag. Denn dieses Licht leuchtet auch durch mich.

Liebe Gemeinde,
haben Sie schon einmal richtige Dunkelheit erlebt?
Also nicht so zuhause, wenn man das Licht ausmacht und doch noch das Stand-By Licht vom Fernseher sieht. Und auch nicht, wenn man im Wald noch ein bisschen Sternenlicht sieht. Sondern eine Dunkelheit, bei der man sich fragt: Habe ich eigentlich meine Augen gerade offen oder zu?
Ich habe das dieses Jahr schon erlebt. Wir waren im Urlaub in einer großen Eishöhle. Ganz am Ende der Höhle hat uns der Führer gefragt: „Möchten Sie einmal absolute Dunkelheit erleben?“ Wir wollten. In der Höhle gab es kein elektrisches Licht. Deshalb haben wir alle unsere Laternen ausgemacht. Es war dunkel. Richtig dunkel. So was habe ich vorher noch nie so bewusst erlebt. Das waren vielleicht 30 Sekunden, aber es kam mir ewig vor. Dann hat er sein Feuerzeug angemacht. Und dieses Licht eines kleinen Feuerzeugs hat sich plötzlich in dieser Höhle ausgebreitet. Das war wunderschön. Und ich konnte mich wieder entspannen.
Wir feiern heute Weihnachten. Weihnachten hat viel mit Licht zu tun. Um Licht geht es deshalb auch in dem Predigttext für das Weihnachtsfest. Es ist der Anfang des Johannesevangeliums:

"Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.
Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht.
Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben,
die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit."

Johannes und die WeihnachtsgeschichteDas Johannesevangelium erzählt nicht von Maria und Josef und dem Kind in Bethlehem. Vielleicht, weil die Menschen, für die Johannes schreibt, die Geschichte schon gekannt haben. Vielleicht, weil Johannes einen noch größeren Horizont in den Blick nehmen wollte. Deshalb wirkt seine Beschreibung von dem, was wir heute feiern irgendwie distanziert. Und ist doch so klar und eindeutig: Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. Gott selbst wird Mensch. In diesem kleinen Kind, das da in der Krippe in einem Stall zur Welt gekommen ist, wird Gott selbst zu einem Menschen. Gott will es ganz genau wissen. Will nicht Beobachter bleiben. Er will so werden, wie Sie und ich. Und damit das auch allen ganz klar wird, was für eine große Nachricht das ist, schreibt er am Anfang: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.“ Damit spielt er auf die Schöpfungsgeschichte in der Bibel an, wo Gott alles erschaffen hat, indem er einfach nur sprach: „Es werde…“ Durch sein Wort hat er alles geschaffen, was wir kennen. Und genau dieser Gott will es jetzt genau wissen. Er will wissen, wie seine Menschen leben. Wie das ist, ein Mensch zu sein. Dieser Gott, der eigentlich über allem steht, wird zu einem Menschen. Klein, hilflos, in einem ärmlichen Stall. Und die Hirten, das sind mit die Ärmsten Menschen in dieser Zeit, sind die ersten, die es erfahren. Denn: „Siehe, euch ist heute der Heiland geboren“.

Licht und DunkelheitIch glaube, dass Johannes auch Dunkelheit gekannt hat. Nicht nur die Dunkelheit, bei der man nichts sieht. Ich glaube, dass sich Johannes in seiner Welt umgeschaut und gemerkt hat, dass es viele Dinge gibt, die das Leben dunkel machen. Bittere Armut. Menschen, die wegen einer Krankheit nicht mehr am Leben teilnehmen konnten. Teilweise ausgestoßen wurden, weil sie „unrein“ waren. Eine römische Besatzungsmacht, die das Leben kontrolliert hat. Das alles hat das Leben der Menschen eingetrübt. Verdunkelt. Und genau dieser Dunkelheit setzt Johannes das Licht entgegen: „In Jesus war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen. Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.“
Jesus selbst greift im Johannesevangelium später dieses Bild nochmal auf und sagt von sich: „Ich bin das Licht der Welt.“
In der Eishöhle in unserem Urlaub, hat das Licht eines Feuerzeugs gereicht, um uns allen zu zeigen, was Licht kann: Dunkelheit vertreiben. Und ich glaube, genau das will Johannes uns sagen: Mit Jesus kommt das Licht zu uns und vertreibt die Dunkelheit. Die Hirten reißt das aus ihrem Alltagstrott. Die drei Weisen aus dem Morgenland machen sich extra auf den Weg. Sie alle merken, dass mit diesem Kind, mit diesem Licht etwas Neues beginnt, das unsere Welt verändern wird. Nicht über Nacht. Aber in den Geschichten der Bibel lesen wir, wie sehr Jesus später unsere Welt verändert hat. Wie sehr er Menschen zum Nachdenken gebracht hat. Zum Umdenken. Wie sehr er das Leben der Menschen verändert hat, die krank waren. Und wie sehr er versucht hat, den Menschen zu zeigen, wie das Leben auch sein kann. Wie Gott sich das Leben für uns gewünscht hat.
Das hat die Menschen damals inspiriert. Sie sind ihm gefolgt. Haben an ihn geglaubt. Geglaubt, dass er die Verhältnisse umkehren würde. Geglaubt, dass mit ihm etwas völlig Neues in die Welt gekommen ist. Das war revolutionär, weil es alles in Frage gestellt hat, was die Menschen zu dieser Zeit für richtig gehalten hatten. Bzw. was man ihnen gesagt hat, was richtig ist. Deshalb hat das auch vielen Menschen Angst gemacht. Denen, die an der Macht waren und denen, die sich mit allem gut arrangiert hatten. Die eigentlich nicht wollten, dass sich irgendwas ändert. Die haben Angst gekriegt vor dem Licht Gottes.

Das Licht breitet sich aus – damals und heuteUnd was ist mit uns heute? Was ist mit mir?
Wir leben in einem Land, in dem es uns unglaublich gut geht. Es ist alles da. Ich habe ein Dach über dem Kopf. Wir haben gestern Abend lecker gegessen, und es lagen auch viele Geschenke unter dem Tannenbaum. Wenn jemand krank wird, dann gibt es Ärzte und Krankenhäuser.
Was macht dieses wahre Licht mit mir?
In der Eishöhle haben wir das Licht in unseren Lampen geteilt. Jeder hat seinem Nachbarn und seiner Nachbarin dann das Licht weitergegeben und so hat sich die ganze Höhle nach und nach mit immer mehr Licht gefüllt. Und genau so stelle ich mir das heute auch vor: Dass Gott selbst Mensch wird, ist für uns heute vielleicht nicht mehr so revolutionär wie damals. Das Licht ist ja auch schon da. Es leuchtet bei uns ja schon. Und in uns. In mir. Deshalb ist es, glaube ich, so wichtig, dass wir uns damit nicht zufriedengeben. Ich möchte gerne, dass dieses Licht immer heller wird. Ich möchte es gerne weitergeben, damit unsere Welt immer heller wird, wie in der Höhle.
Ich glaube: dass auch ich dieses Licht in mir habe. Und Sie auch. Sie und ich, wir sind ein Teil dieser Geschichte. Wir können dazu beitragen, dieses Licht zu vermehren. Jeder von uns kann sich überlegen, wo er oder sie für andere Menschen zum Licht werden kann. Wo kann ich was dazu beitragen, dass unsere Welt ein kleines bisschen heller wird.
Das kann ganz unterschiedlich aussehen: für jemanden da sein. Zuhören. Oder den Mund aufmachen, wo man was sagen muss. Für jemanden Partei ergreifen, der es selber nicht (mehr) kann. Eben genau das weiterführen, was uns Jesus vorgelebt hat.
Dann kann sich dieses Licht weiter ausbreiten und dann kann es auch nicht mehr von der Dunkelheit ergriffen werden.
Genau das feiern wir heute. Gott selbst kommt zu uns. Er kommt uns ganz nahe. Das hat die Welt damals grundlegend verändert. Und das kann uns auch heute noch helfen, dass unsere Welt jeden Tag ein kleines bisschen heller wird.
Amen.

(Gestaltungsidee: Bei uns gibt es an Weihnachten die schöne Tradition, dass man sich an Heilig Abend und Weihnachten kleine Kerzen aus der Kirche mitnehmen kann, die man dann jemand anderem vor die Tür stellen kann. Wer so eine Kerze bekommt, weiß dann, dass jemand an ihn oder sie denkt.)


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