9. Sonntag nach Trinitatis (28. Juli 2024)
Matthäus 13,44-46
IntentionWo Menschen sich entscheiden können, weil sie begreifen, was wirklich wichtig ist – da beginnt für sie der Himmel. Das ist der Anfang der Freude über ein glückliches Leben. Das wäre für mich die Intention einer Predigt zu dem Doppelgleichnis vom Schatz und der kostbaren Perle.
Wie bei einem Zeitungsartikel sollte das Wichtige, die Freude über den Schatz, am Anfang stehen. So werden die Gottesdienstbesucher motiviert, weiter zuzuhören. Wie es auf dem Acker des Alltags, im alltäglichen Geschäft aussieht, das wissen sie schon.
Ein Ziel, das den Einsatz lohntVon allem zu viel und nichts richtig. So beschreibt der Sohn von Freunden im Nachhinein seine Jugendzeit. Er hat im Verein Fußball gespielt, manche seiner Kameraden gingen zum Tennis. Das schien auch cool. Da wollte er auch dabei sein. Aber immer wieder gab es Terminkollisionen, dann ging nur das eine oder das andere. Manchmal das eine, ein andermal das andere – aber eigentlich nichts richtig. Zumal er auch noch ganz ordentlich Trompete gespielt hat. Manchmal hatte er Zeit für das Jugendorchester, manchmal nicht. So blieb er ein durchschnittlicher Musiker, ein durchschnittlicher Fußballer, ein durchschnittlicher Tennisspieler. Nirgends gehörte er wirklich dazu. Und mit der Zeit verlor er die Freude und die Lust daran. Von allem etwas ist scheinbar nicht genug.
Jesus hat in einem Gleichnis – besser gesagt in zwei Gleichnissen – erzählt, wie es anders sein kann.
Ich lese aus dem Matthäusevangelium Kapitel 13,44-46:
Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
Liebe Gemeinde,
wo Menschen sich entscheiden können, weil sie begreifen, was wirklich wichtig ist – da beginnt für sie der Himmel. Das ist der Anfang der Freude über ein glückliches Leben. Jesus nennt es „das Himmelreich“, als er diese Geschichten erzählt. Er erzählt sie seinen Jüngern. Deshalb muss er nicht lange erklären, was das eigentlich ist, das Himmelreich. Davon hat er ihnen ja schon hundertmal und in all seinen Geschichten erzählt – von dem Himmelreich, das nahe herbei gekommen ist, das „mitten unter euch“ schon beginnt. Ich will es für heute dabei belassen. Das Himmelreich: Das ist die Welt, wie Gott sie haben will. Das Leben, wie es gut für die Menschen ist und wie es nach seinem Willen sein soll. Solches Leben kann man finden, erzählt Jesus hier. Und wenn man es findet, dann wird man alles dafür einsetzen, es für sich zu gewinnen.
Ganz unvermutet beginnt das GlückMitten im Acker, in der täglichen Routine kann ein Mensch finden, was wirklich wichtig ist. Manchmal stößt man unversehens darauf. Im ersten Moment ärgert man sich vielleicht sogar über das Hindernis, das einen aufhält und bei der Arbeit stört wie ein dicker Stein im Acker. Eigentlich war man ja mit etwas ganz anderem beschäftigt. Hat seine Pflicht getan, gepflügt. Hat vielleicht schon an die kommende Ernte gedacht und den Ertrag, vielleicht auch nur an den Feierabend oder an das Erntefest. Und dann das! Wie unnötig ist diese Störung! Aber Jesus sagt: Genau dann kommt es darauf an, genau hinzuschauen. Was liegt denn da? Ist das womöglich etwas Kostbares? Ein Schatz vielleicht? Oder doch bloß ein überflüssiger Stein? Da ist etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Da ist etwas, was ich vielleicht schon längst vergessen hatte. Was mir wichtig ist, was mich erfüllt – das gilt es zu sehen. Vielleicht erkennt man es nur, wenn man nicht von allzu vielem abgelenkt wird. Vielleicht erkennt man das nur, wenn man sich nicht vom dem ablenken lässt, was andere tun und für wichtig halten? Viele erwarten etwas von mir. Was ich will, was mir wichtig ist, was ich gut kann, besser vielleicht als die anderen – vielleicht begreife ich das nur, wenn ich nicht länger versuche, die Erwartungen der anderen zu erfüllen? Wenn ich dem auf die Spur komme, was ich will und kann: Vielleicht tue ich dann etwas, was zunächst unvernünftig scheint, vielleicht lasse ich das eine und das andere sein, um mich konzentrieren zu können? Um genug Kraft zu haben für das, was mir wirklich entspricht? Jesus verspricht in seinen Gleichnissen: Die Freude über das, was man so gewinnt, überstrahlt alles. Ganz unvermutet beginnt das Himmelreich.
In der Routine des Alltags übersieht man leicht das NötigeIm Alltag verschwimmt alles in der Routine. Das Leben wird zum logistischen Problem. Vieles ist möglich und erstrebenswert. Viele Perlen scheinen der Mühe wert. Was für ein wunderbares Leben, in dem man so viele Perlen finden kann. Es ist eine Errungenschaft unserer Zeit und der Emanzipation, dass für Männer und Frauen so vieles möglich ist. Aber es macht Stress, wenn man alle Erwartungen erfüllen, alle Möglichkeiten nützen will. Eine überforderte Generation organisiert und plant – und spätestens wenn ein Kind krank wird, dann bricht alles zusammen. Muss man sich damit abfinden und sich durchwursteln? „Geht alles gar nicht“ heißt das Buch, das zwei Journalisten der ZEIT über ihr Leben zwischen anspruchsvollem Beruf, Kindern und Partnerschaft geschrieben haben. „Aus Paaren werden Partner in der Logistikbranche“, erleben sie. Momente der Zweisamkeit bzw. Gelassenheit gäbe es kaum noch. Die Vereinbarkeit der vielen Erwartungen ist eine Lüge, schreiben sie und sind frustriert. Spiegelbildlich gilt das natürlich auch für Frauen. Gibt es eine Lösung für dieses Dilemma?
Von allem zu viel, aber nichts richtig. (Das alles ist übrigens nicht nur ein Problem der heutigen Elterngeneration. Bei vielen Rentnern erlebe ich dasselbe Hin-und-Hergerissen-Sein zwischen Familie und Reiselust, Ehrenämtern und Selbstsorge für Gesundheit und Geselligkeit. Und die sich nicht so viele Aktivitäten leisten können – die haben auch Stress, damit sie sich doch auch möglichst viele Möglichkeiten schaffen können.) Die Gefahr ist groß, dass so die Liebe verloren geht und man das verpasst, was einen wirklich glücklich macht. Und das alles gilt ja nicht nur für das Nebeneinander von Familie und Beruf. Auch im politischen Engagement, auch in der Ausbildung, im Ehrenamt übersieht man leicht das Wichtige und Richtige in all dem, was möglich ist.
Wie im HimmelEin zwanzig Jahre alter schwedischer Film zeigt, wie es anders gehen kann. Gestresst und verbraucht von den Verpflichtungen und Erfolgen seiner Karriere kehrt ein Stardirigent in sein Heimatdorf zurück. Ein Herzinfarkt war für ihn der „Stein im Acker“, der ihm zeigt, dass es so nicht weiter geht. Angekommen im Dorf seiner Kindheit, glaubt er sich gescheitert, weil er dem Vielerlei seines Lebens nicht gewachsen war. Er zieht sich in die Einsamkeit zurück, meidet die Menschen. Zunächst widerwillig übernimmt er schließlich den armseligen Kirchenchor und die Kantorenstelle des Dorfes, die man ihm anträgt. Aber dort entfaltet sich ein ganzer Mikrokosmos menschlicher Sorgen und Nöte vor ihm. Überglücklich erkennt er, wie er mit Hilfe der Musik einen Weg in die Herzen der Menschen findet und ihnen helfen kann, ihr Leben zu verändern. War nicht das der Sinn seiner Musik, dass sie Menschen verändert und aufbaut? Im Höhenflug seiner Karriere hatte er das vergessen. Für alle im Dorf beginnt ein neues, ein glücklicheres Leben. Und der Film heißt „Wie im Himmel“. Amen.
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