8. Sonntag nach Trinitatis (30. Juli 2023)
Matthäus 5,13–16
IntentionDie Predigt zielt auf den kostbaren Geschmack des Lebens. Wie das Salz die Speisen würzt, so kann auch gelebter Glaube zum Salz der Erde werden.
Matthäus 5,13–16
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter, so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Liebe Gemeinde,
„ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.“ Was ist das für eine Anrede, welch ein Zuspruch und Anspruch zugleich liegen in Jesu Wort: „Ihr seid das Salz der Erde – ihr seid das Licht der Welt.“ Gilt das wirklich uns und wenn ja, in welchem Sinn?
Salz und Licht sind unverzichtbarSalz würzt, Licht erhellt. Salz und Licht sind unverzichtbar. Salz ist so unentbehrlich für den Geschmack wie Licht für die Farben. Nichts ist so nützlich wie Salz und Sonne, auf Gold kann man verzichten, nicht aber auf Salz, wussten schon die antiken Weisen.
Salz ist uns heute ein leicht verfügbares Konsumgut. Es würzt die Speisen. Mit Jod und Fluor angereichert, schützt es die Schilddrüse. Mit Ingwer, Chili, Knoblauch oder Kräutern aller Art versetzt, verlockt es zum Gaumenkitzel. Salz verspricht den kostbaren Geschmack des Lebens.
Einst aber war Salz so wertvoll wie Gold. Kriege wurden um Salz geführt. Salzstraßen durchzogen die Länder. Die Namen der Salzstädte wie Salzburg, Hallstatt oder Schwäbisch Hall zeugen noch heute von der überragenden Bedeutung, die der Salzgewinnung und dem Salzhandel zukamen. Denn ohne Salz gibt es kein Leben. Salz macht Lebensmittel haltbar. Salz dient zum Pökeln, Salz wird eine reinigende und konservierende Kraft zugesprochen. Salz macht Fades genießbar. Wir wissen um das Salz in der Suppe. Und wir wissen, wie sehr unsere Körper Salz und Mineralstoffe aller Art brauchen.
Salz war einst in biblischen Zeiten eine Gabe des Toten Meeres. Man konnte in seinem stark salzhaltigen Wasser baden, um beispielsweise von Hautkrankheiten zu genesen. Man konnte aus dem See Salz als Wirtschaftsgut gewinnen. In großen Platten wurde es den Verdunstungsflächen entnommen, in Platten gebrochen und in den Handel gebracht. In Platten wurde es gebraucht, um die Backöfen damals auszukleiden. Kein Brot, kein gutes Brot, kein haltbares, kein genießbares Brot ohne das Salz des Toten Meeres.
Salz und Licht verweisen auf GottSalz war und ist noch immer unverzichtbar gleichwie das Licht, das uns Orientierung gibt, das uns wärmt, das uns lockt, von dem wir leben. Das Licht weist schon immer auf Gott, das Salz wies einst auf die Tora, die Weisung an Israel. An Gott und seinem Gebot hing das Leben. so lehrte Israel und sah das Überleben der Menschheit an den Gehorsam dem Religionsgesetz gegenüber gebunden. Sich selbst sah man als Leiter der Blinden, als Licht derer, die in Finsternis sind, als Erzieher der Unverständigen und Lehrer der Unmündigen. In diese Vertrautheiten hinein fiel Jesu Wort: „Ihr seid das Salz der Erde – ihr seid das Licht der Welt.“ Doch er redet nicht zu den Religionskundigen, nicht zu frommen Helden, nicht zu einer durch Herkommen und Bildung ausgezeichneten Priesterschar. In seinem Blick stehen vielmehr, schaut man mit auf die Seligpreisungen, die unserem Wort unmittelbar vorausgehen, die Hungrigen, die Sehnsüchtigen, die Traurigen, die Sanftmütigen, die, die sich der Barmherzigkeit öffnen, die Menschen, die nach Frieden verlangen und Frieden geben. Sie sind ihm das Salz der Erde, sie das Licht der Welt.
Findet den kostbaren Geschmack des Lebens wiederDie offene Schar der Menschen, denen Jesu Wort gilt, die seine Zusage in das anbrechende Gottesreich ruft, wird zum erneuerten Israel. Sie lässt er wissen: Werdet wie das Salz, seid wie das Licht. An euch wird die Welt genesen, durch euch wird die Humanität neu geboren. Mit euch macht es wieder Lust zu leben. Zwar kann Salz laugig werden und Salz, als Katalysator in Öfen eingesetzt, kann ausgebrannt und weggeworfen werden, so auch ihr, wenn ihr fade, langweilig, dumpf werdet, wenn ihr aufhört für die Verfeinerung und Erleuchtung der Welt euch zu engagieren. Aber wie sollte das sein, wo das Licht leuchtet und wer wäre so töricht, das Licht unter den Scheffel, einen Getreidebottich, zu stellen? Wollt ihr etwa in die selbstverschuldete Unmündigkeit zurück, euch Tempel und Kaiser noch unterordnen? Vielmehr: Lasst euer Licht scheinen in der Welt! Die Stadt auf dem Berge kann nicht verborgen bleiben. Eure Gastfreundschaft, eure Solidarität, eure Hingabe bilden inmitten der Landschaften des Schmerzes Lichtinseln des Heils. „Ihr seid das Salz der Erde – ihr seid das Licht der Welt.“
Entdeckt das Leben! Findet den kostbaren Geschmack des Lebens wieder! Seid einander Licht und Salz. Wie? Indem ihr euch in das Licht Jesu stellen lasst, an seiner Gotteszuversicht euch aufrichtet! Wie? Indem ihr in den Atemraum der Hoffnung eintretet und nicht davon ablasst, dass auch euch Gutes, Schönes, Wertvolles entgegenkommt. Nehmt es an! Wie? Indem ihr Gott selbst in euch wirken lasst, indem ihr seiner Liebe vertraut und beginnt, gerade jetzt, in diesem Augenblick, in eurem Lebenskreis eurem Lieben Raum zu geben. Wie? Braucht es Beispiele?
Zwei BeispieleZwei Beispiele will ich geben: Da ist Maria (Name geändert), eine Frau mir persönlich seit Jahren gut bekannt. In ihr hat die Barmherzigkeit für mich ein konkretes Gesicht bekommen. Sie lebt ein bescheidenes Leben. Sie hat früh ihren Mann verloren, allein ihre sieben halbwüchsigen Kinder ins Leben geleitet. Sie steht fest in den Losungen und im Gebet, ohne irgendein Aufheben davon zu machen. Ihr Gesicht ist voller Wärme und Anteilnahme. Sie bäckt Kuchen für das Gemeindefest Jahr um Jahr. Sie ist für die Kranken da. Wer ein Bett braucht, findet bei ihr eine offene Tür. Sie kann kein Englisch und doch sind über die Jahre so viele Gäste aus den Überseekirchen bei ihr gewesen. Es gibt eine Sprache der Liebe. Hört auf sie! Frieden entsteht, wo stille, einfache Menschlichkeit sich entfaltet.
Und da sind zum zweiten Menschen wie Roger Schutz, der einst an der Demarkationslinie zwischen dem Frankreich Petains und dem von Nazi-Deutschland besetzten Frankreich sein Versöhnungswerk begann, Durchgangsort für Flüchtlinge und Ort des Gebets – Taizé, heute weltbekannt. „Tief im Menschen liegt die Erwartung einer Gegenwart, das stille Verlangen nach Gemeinschaft. Vergessen wir nie: Das schlichte Verlangen nach Gott ist schon der Anfang des Glaubens … das Vertrauen auf Gott ist etwas ganz Einfaches ... Der Glaube ist wie ein Schritt, den wir tausendfach von neuem tun, ein Leben lang, bis zum letzten Atemzug.“ Diese Überzeugung trug ihn. Genauso trug ihn der feste Wille, jungen Menschen aus aller Welt Türen zu öffnen in eine geschwisterliche, offenherzige Menschlichkeit. Das ist gelebte Liebe. Braucht es mehr zum Fortbestand der Welt als Menschen wie Maria, wie Roger Schutz? Ja, es braucht dich und mich als Salz und Licht im Alltag.
Ihr seid das Salz der Erde, vielleicht nur ein Korn. Aber das Korn, man wird es schmecken.Wir müssen keine Helden sein, nur Menschen. In der Liebe erblühte Menschen sieht Jesus als das Salz der Erde, das Licht der Welt. Es ist der offene Kreis derer, die am Berg der Seligpreisungen sein Wort vernehmen und es sich zu Herzen nehmen, der offene Kreis derer, die ihre Hoffnung auf ein Stück Sinn, ein Stück Anerkennung, ein Stück Wertschätzung, ein Stück Frieden wiederfinden und im Geist der Hoffnung anders miteinander umzugehen beginnen. So sind wir, gerade auch wir Salz der Erde, Licht der Welt. Der Dichter Pablo Neruda sprach einmal in seiner wunderschönen Ode an das Salz davon, dass es das Salz ist, das uns den innersten Geschmack des Grenzenlosen schmecken lässt, und er wünschte sich auf jedem Tisch der Erde Salz, dessen leichte Substanz lebensbedingendes Licht auf die Speisen versprüht. In diesem Sinn, ganz dem Geist Jesu entsprechend, dürfen wir so elementar wie konkret einander Salz sein, einander Licht werden, durch nichts anderes, als dass wir einander den kostbaren Geschmack des Lebens weiterreichen.
Schließen möchte ich mit Gedichtzeilen von Rudolf Otto Wiemer: „Ihr seid das Salz der Erde, vielleicht nur ein Korn. Aber das Korn, man wird es schmecken. Ihr seid das Licht der Welt, vielleicht nur ein Funke. Aber der Funke fällt hell auf den Weg. Ihr seid die Stadt auf dem Berge, vielleicht nur ein Haus. Aber das Haus lacht aus den Fenstern. Ihr seid das Salz der Erde, vielleicht nur eine Handvoll. Aber das Salz bewahrt vor Fäulnis.“
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