4. Advent (20. Dezember 2020)

Autorin / Autor:
Kirchenrat Dr. Frank Zeeb, Straßburg [frank.zeeb@elk-wue.de]

1. Mose 18,1-2.9-15

IntentionDer 4. Advent als Freudensonntag vor Weihnachten ist in Corona-Zeiten kaum zu vermitteln. Das Lachen Saras wird in verschiedene Richtungen interpretiert, um auf der Folie menschlicher Reaktionen auf die Pandemie und ihre Auswirkungen zu dem Schluss zu kommen: Gott kommt und will Leben verändern.

18,1 Und der HERR erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. 2 Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde.
9 Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10 Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11 Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12 Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!
13 Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14
Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15 Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.


Der 4. Advent als Freudensonntag – und das in Zeiten der Pandemie
Liebe Gemeinde,
das „Lachen“ steht im Mittelpunkt unseres Textes. Sara lacht, weil ihr ein Sohn versprochen wird. Isaak werden sie ihn später nennen. Das ist ein Wortspiel mit dem hebräischen Wort für „Lachen“. Und der 4. Adventssonntag ist ein Sonntag, der vom Wochenspruch über die Lieder bis zum Predigttext geprägt ist von der überschäumenden Freude: Gott kommt. Ein Kind ist auch uns verheißen. In ihm wird – schon in ein paar Tagen, wenn wir Weihnachten feiern – sinnfällig deutlich, wie menschlich uns Gott begegnet, wie nahe er uns kommen will. Das Kind, das die Hoffnung ist, so nahe. Der große unfassbare Gott kommt zu uns in einem Kind. Den aller Welt Kreis nie beschloss, der liegt in Marias Schoß. Deshalb: Freuet euch! Nun jauchzet, all ihr Frommen.

Und doch: Hat die Freude nicht gerade in diesem Jahr einen ausgesprochen bitteren Beigeschmack? Fast alles, was für uns in einem normalen Jahr die Vorfreude auf Weihnachten aus-macht, ist dieses Jahr dem Virus zum Opfer gefallen: Weihnachtsmärkte, das Besuchen von Ver-wandten, der Austausch von Plätzchen mit den Nachbarn, Kunden, Geschäftsfreunden bei einem Plausch und einer Tasse Kaffee, der adventliche Bummel durch belebte erleuchtete Straßen … wie kann es Weihnachten werden ohne all das? Und – viel schlimmer - hunderttausende Menschen sind erkrankt, sie haben die Angst vor einem positiven Testergebnis durchlebt, haben womöglich Angehörige und liebe Menschen an das Virus verloren oder leiden unter Folgen der Erkrankung. Da bleibt das Lachen sicher vielen im Halse stecken.

Das Lachen Saras – vier BlickwinkelKann man da überhaupt lachen, so wie Sara lacht? Wenn ich mir die Szene vorstelle, würde ich sehr gerne wissen, was das für ein Lachen war. War es ein befreites Lachen angesichts der Verheißung, die ihrem Mann von den fremden Männern zugesagt wird? Worauf Sara und Abraham seit Jahrzehnten warten, das wird jetzt konkret und ist mit einer Zeitansage bestimmt … in einem Jahr werdet ihr euren Sohn in den Armen halten. Es ist also bald soweit, dass Sara ihre Schwangerschaft feststellt und sich erfüllt, was Gott den beiden seit langer Zeit angedeutet hat: Die Verheißungen werden sich jetzt der Reihe nach und in schneller Folge erfüllen, ein Sohn, Land, Segen, ein großer Name … das Leben von Sara und Abraham strebt jetzt stetig auf seinen Höhepunkt zu. Die Besucher wären dann Propheten, die in Gottes Namen konkret von dem sprechen, was jetzt kommt.
Sara lacht, weil sie und ihr Mann jetzt Grund haben, sich zu freuen. Wenn Saras Lachen so ein Lachen war, dann ist das ein Lachen voller innerer Freude über die Schöpfung und das Leben, das Gott von Generation zu Generation weitergibt – Gott ist ein Freund des Lebens, freuet euch!

Vielleicht war es auch einfach ein ungläubiges Lachen. Das Lachen ist ja nicht etwas, das man sich antrainieren kann, sondern es ist eine spontane Reaktion. Die Ansage des fremden Gastes ist so unglaublich, dass Sara einfach loslachen muss. Ganz spontan und ohne sich etwas dabei zu denken. Dafür könnte sprechen, dass es ihr nachher peinlich ist, als sie darauf angesprochen wird. Immerhin gehört es sich ja auch nicht wirklich, einen Gast auszulachen, dem man doch alle Ehre schuldet. Einem Gastgeber alle guten Segensworte zuzusprechen, ist ein feiner Zug von einem Gast. Ihn dafür auszulachen, aber ein grober Verstoß gegen die Etikette.

Ich könnte mir aber auch denken, dass Saras Lachen eher ein bitteres Lachen war, fast schon zynisch: „Was, ich soll noch ein Kind bekommen, in meinem Alter und längst über die Jahre hinaus, in denen eine Frau Kinder empfängt – und mein Mann ist ja auch schon alt. Nach all den Jahren, in denen wir uns ein Kind gewünscht haben, kann das nur der blanke Hohn sein, was hier versprochen wird. Lächerlich.“ Dass Sara nur bitter lachen kann, angesichts einer solchen Verheißung, die allem spottet, was sie bisher erlebt hat, wäre nachvollziehbar. Die neue Lutherbibel hat übrigens einen Schritt in diese Richtung getan: früher lautete die Übersetzung “nun, da ich alt bin soll ich noch der Liebe pflegen“ und jetzt heißt es „soll ich noch Liebeslust erfahren“.
Der neue Text ist genauer, denn das hebräische Wort hat etwas mit Eden zu tun, dem Garten des Paradieses und der Wonne. Misstraut Sara dem, was die fremden Gäste sagen? Geht sie davon aus, dass diese Männer falsche Propheten sind, womöglich Spötter? Mit Gottes Verheißung haben sie dann nichts zu tun und es sind erst recht keine Engel. Die jüdische Tradition hat diesen Gedanken erwogen, aber wieder verworfen, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass Gottes Verheißung so durchgeschüttelt wird. Aber man könnte sich gut vorstellen, dass Sara sich in ihrer Lage verspottet fühlt.
Gottes Verheißung klingt uns Menschen oft so abwegig, dass wir nur darüber lachen können, gera-de wenn es uns schlecht geht. Aber sollte es Gott unmöglich sein, etwas zu tun, was wir uns überhaupt nicht vorstellen können, weil es alles sprengt, was wir kennen? Der aller Welt Kreis nicht beschloss, der liegt in Marias Schoß. Sara konnte das noch nicht im Licht des Advents deuten. Sie ahnte noch nicht, wie nah Gott den Menschen kommen kann. Und auch uns fällt es nicht immer leicht, die Nöte unserer Zeit in dieses Licht der Verheißung zu stellen: Gott kommt zur Welt! Gerade da, wo es dunkel ist und ärmlich zugeht.. Es ist ja auch fast übermenschlich, wenn einen etwas plagt, wenn mein Umfeld leidet, wenn die Gesellschaft ächzt, das einfach wegzuschieben und auf die Verheißung zu verweisen. Und ich merke an mir selbst, dass ich unwillig werde. Soll ich bloß etwas vertröstet werden – und sei es mit den größten Verheißungen und herrlichsten Visionen, über die ich mich freuen soll, obwohl mir gar nicht danach ist?

Mir persönlich ist deshalb eine vierte Deutung für Saras Lachen sehr sympathisch. Ich lasse es offen, was Sara empfunden hat. In jedem Fall fühlt sie sich ertappt, als sie darauf angesprochen wird, dass sie gelacht hat. Vorher war Sara in der Geschichte wortwörtlich nur im Hintergrund: Sie organisiert das Mahl, aber beim Essen ist sie nicht dabei, sie steht hinter der Tür. Man spricht über sie, als ob sie es nicht hören könnte. Jetzt spricht der Fremde mit ihr. Natürlich streitet sie erst ab, dass sie gelacht hat. Aber der Fremde ist ihr nicht böse. Er wird ihr wirklich zum Engel, zum Boten Gottes, indem er ihr Lachen und damit ihre Gefühle ernst nimmt. Er wiederholt seine Zusage. Und den letzten Satz übersetzt man am besten so: „Ja, freilich hast du gelacht.“ Ich könnte mir denken, dass Sara bei diesen Worten aufgeht, was hier eigentlich geschieht. Sie erkennt, dass ein Bote von Gott vor ihr steht, als der sie mit Namen anspricht.

Trotz allem – Freuet euch!Wenn Gott kommt, dann wird das Unmögliche möglich. Wenn Gott kommt, dann stehen alle Dinge in einem neuen Licht. Wenn Gott kommt, dann wird alles neu. Und Gott kommt, auch und gerade zu uns. Wenn Gott kommt, sind unsere Ängste, unsere Sorgen, unser ganzer Unmut und Ärger über das Virus und die Maskenpflicht und die Kontaktbeschränkungen nicht einfach weg. Aber sie sind bei ihm gut aufgehoben. Er nimmt sie ernst und vielleicht hilft er uns, sie in ein neues Licht zu stellen, in jenes weihnachtliche Licht, das nichts beschönigt und übertüncht, aber alles mit dem Ton der Hoffnung färbt. Gott kommt zu uns, vielleicht nur selten als Engel, ganz gewiss als kleines Kind in der Krippe, als Mitmensch mit einem guten Wort, vielleicht auch als einer der Menschen, die über ihre Kräfte daran arbeiten, dass die Gesellschaft trotz allem funktioniert. Womöglich ist das die Botschaft für die Adventszeit 2020. Gott schaut weiter und anders auf unsere Zeit. Er kommt uns nahe. Und deshalb trotz allem: Jauchzet! Freuet Euch! Gott kommt. Amen.




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