22. Sonntag nach Trinitatis (27. Oktober 2024)
Micha 6,1-8
Meine PredigtintentionEntgegen Katastrophenlärm und Untergangsmelodien betonen: Der Weg zu einem Leben in Frieden und Freiheit ist gangbar. Gott hat ihn eröffnet. Für alle Zeiten – auch für unsere Zeit. Das kann das Lied (EG Wü 658) „Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn“ nach der Predigt gut bekräftigen.
Liebe Gemeinde!
Manchmal gibt es Streit! Richtig heftig. Auch mit den Liebsten.
Was dann?
Dann kommt es darauf an, dass man einen Ausweg findet.
Einen Weg, eine Orientierung – für beide Seiten begehbar – und hilfreich.
Genau so streitet Gott mit seinem geliebten Volk Israel.
Wir hören davon, wie der Prophet Micha in diesem Streit zum Sprachrohr Gottes wird.
Ich lese aus Micha, Kapitel 6,1-8:
1 Hört doch, was der HERR sagt:
»Mach dich auf, führe einen Rechtsstreit mit den Bergen,
auf dass die Hügel deine Stimme hören!«
2 Hört, ihr Berge, den Rechtsstreit des HERRN, ihr starken Grundfesten der Erde; denn der HERR will mit seinem Volk rechten und mit Israel ins Gericht gehen!
3 »Was habe ich dir getan, mein Volk, und womit habe ich dich beschwert?
Das sage mir!
4 Habe ich dich doch aus Ägyptenland geführt und aus der Knechtschaft erlöst
und vor dir her gesandt Mose, Aaron und Mirjam.
5 Mein Volk, denke doch daran, was Balak, der König von Moab, vorhatte
und was ihm Bileam, der Sohn Beors, antwortete; wie du hinüberzogst von Schittim bis nach Gilgal, damit du erkennst, wie der HERR dir alles Gute getan hat.«
6 »Womit soll ich mich dem HERRN nahen, mich beugen vor dem Gott in der Höhe?
Soll ich mich ihm mit Brandopfern nahen, mit einjährigen Kälbern?
7 Wird wohl der HERR Gefallen haben an viel tausend Widdern, an unzähligen Strömen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen für meine Übertretung geben, meines Leibes Frucht für meine Sünde?«
8 Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert:
nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.
Liebe Gemeinde!
Was erwartet Gott von uns? Von jedem Einzelnen?
Von mir? Hier und heute?
Anders gefragt: Was kann jede und jeder Einzelne von uns dafür tun, dass wir in Freiheit und Frieden leben? Auf diese Fragen antwortet unser Bibelwort aus Micha 6.
Und zwar entlastend, eröffnend, Weg weisend.
Zusammengefasst in diesem einen wunderbaren Wort am Schluss:
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert:
nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ (Mi 6,8)
Darauf kommt es. Um nicht mehr und nicht weniger. Aller guten Dinge sind drei.
Wie eine Formel zum Lebensglück hört sich das an. Und das ist es auch.
Doch bevor wir dieser Eröffnung zu einem Leben in Freiheit und Frieden nachspüren und sie noch besser verstehen, sollen wir wahrnehmen: Aus welcher Lebenslage und in welche Lebenssituation hinein sprechen diese Worte eigentlich? Je konkreter wir das vor Augen haben, desto klarer und trostreicher ist der dreifache Ratschlag.
I
Die Worte werden Micha aus Moreschet zugeschrieben.
Der war ein Prophet in Israel. Der sollte heraussagen, was Gott seinem Volk zu sagen hat. Also wie Gott hineinspricht in das Leben des Volkes und in das Gewissen Einzelner.
Seine Botschaft war unmissverständlich: Die Eliten (Israels) versagen. Sie schauen nur nach ihrem Wohlergehen. Sie haben keine Augen für die Bedürftigen im Land.
Sie befördern in ihrer Eigensucht den Untergang des Volkes.
Und so kam es zur Katastrophe.
In zwei Wellen ist das damalige Israel erobert und geplündert worden. Wie viele sind entführt und versklavt worden!
Das alles geschah 800 Jahre vor unserer Zeitrechnung.
Was bleibt?
Die Worte von Micha bleiben. Als Worte an uns.
Im ersten Teil hören sie sich an wie „Erinnerungsarbeit“:
Sie erinnern an die guten Taten Gottes – an Gottes Zuwendung zu den Bedürftigen und Unterdrückten in der Knechtschaft Ägyptens.
Sie erinnern an den schwierigen Weg in die Freiheit.
An die Erfahrung der Bewahrung in Not.
An Gottes Zuwendung zu den bedrohten und angefeindeten Israeliten, die ihren Weg weiterziehen aus der Knechtschaft in das verheißene Land – mit den Geboten vom Berg Sinai „im Gepäck“.
In Not und Sorge um die Zukunft ist genau das ein erster Schritt:
Die erlebte Güte Gottes im eigenen Leben aufsuchen und sehen!
Das gilt auch hier und heute. Bei uns. Im Leben eines jeden Einzelnen und im Land.
Wo so vieles mies geredet wird, obwohl wir doch auch soviel Positives erleben.
Schwarzmalerei bereitet den Boden für ungehemmte Wutausbrüche und Lähmungen.
Dagegen steht das Wort aus Micha:
Nein, es gibt einen Weg mit dem guten Gott zum Guten, zum Leben.
Wer sich nämlich erinnert – mit Micha und mit Anderen – wie die Güte Gottes in seinem Leben aufscheint, wer danach schaut und sie entdeckt, der fragt sich dann vielleicht, wie der Mensch im Buch Micha:
II
Wie weit habe ich mich von Gottes Güte und Wahrheit entfernt?!
Wie weit habe ich mich verblenden und ablenken lassen?!
Wie konnte ich nur all das Gute und Schöne und Befreiende und Berührende in meinem Leben übersehen?!
Um dann zu weiter zu fragen: Wie kann ich das wieder gutmachen?
Was kann ich – ich Dackel – nur Gott Gutes tun?
Statt Dackel sagte man früher auch schon mal: „Ich Sünder.“
Heftig rumort es in dem Menschen, der bei Micha seine Versäumnisse erkennt.
Was der sich alles ausdenkt, womit er Gott besänftigen und befrieden will:
6 »Womit soll ich mich ... beugen vor dem Gott in der Höhe?
Soll ich mich ihm mit Brandopfern nahen, mit einjährigen Kälbern?
7 Wird wohl der HERR Gefallen haben an viel tausend Widdern, an unzähligen Strömen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen für meine Übertretung geben, meines Leibes Frucht für meine Sünde?«
Ja, der so fragt, meint es ernst. Wie tief muss seine Erschütterung sein?
Und es ist gut, dieses ernste Ansinnen eines reumütigen Menschen zu hören.
Der übrigens nicht „denen da Oben“, die Schuld in die Schuhe schiebt.
Der so fragt, sucht bei sich selber.
Wie Sie und ich vielleicht auch, wenn wir sehen:
Wir lagen total daneben – wir haben falsche Wege beschritten.
Der so fragt, will auf die Knie fallen, die feinsten Dinge Gott opfern – soviel nur geht:
das beste Kalb – 1.000 Widder, soviel Öl, wie nur möglich. Selbst den Erstgeborenen.
Da verschlägt es mir den Atem.
Ich spüre: Wie leicht können Reue und Buße im religiösem Eifer maßlos werden. Übertrieben.
So übertrieben, dass wir Menschen dabei Gottes Wunsch verkennen – verdrehen.
Das höre und spüre ich bei Micha – und ich frage mich:
Wie schnell kann auch ich übertrieben reagieren?
Und damit voll daneben liegen.
Denn solche religiösen Ersatzhandlungen, Bußleistungen – mehr als alle Bußgelder zusammen genommen – , die sind nicht nur übertrieben, sondern Unsinn.
Es geht bei der Umkehr, bei der Buße um etwas anderes: Es geht darum, Schrott aus dem Weg zu räumen – für den Weg zum wahren Leben. Heißt es doch:
III
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist...“
Also: Es nichts Neues! Du musst nicht grübeln und erfinden. Erinnere dich:
Was gut ist für unser Leben, das ist allen Menschen gesagt – dem Adam und der Eva – und allen ihren Nachfahren. Beherzige schlicht, diese drei Dinge:
1. Gottes Wort halten
2. Liebe üben
3. demütig sein vor deinem Gott.
Darauf kommt es an:
(1.) Gottes Wort halten. Dazu gehört: Von Gott erzählen, von seinen guten Taten. Das fängt bei Kindern an, daheim, in der Schule oder in der Kinderkirche. Manch einer, und so einer bin ich, erfährt erst als junger Mann davon. Dafür ist es nie zu spät.
Das Gute, was Menschen füreinander tun können und sollen, orientiert sich an den guten Taten Gottes. Gut ist, das Recht zu halten und zu tun (hebräisch: „asot mischpat“), das Gott gesetzt hat. Damit seine Gerechtigkeit aufblühen kann unter den Menschen.
Der ganz große Wegweiser zu einem Leben in Frieden und Freiheit sind die Zehn Gebote.
Ich probiere, sie einmal in umgekehrter Reihenfolge auf mich wirken zu lassen.
Vom zehnten Gebot zum ersten. Lebenspraktisch! Nicht begehren, was anderen gehört. Sie nicht schlechtreden. Ihnen nichts wegnehmen – nicht den Besitz, nicht die Frau, nicht das Leben. Das würde Frieden schaffen!
Ich spüre dabei, wie sich Unfrieden vom Verletzen des letzten der Zehn Gebote bis zum ersten Gebot hin steigert. Wer in dieser Spirale steckt – spielt sich am Ende selber zum höchsten Richter auf – an Gottes statt.
Liebe Gemeinde,
und genau das passiert auch heute nicht nur einmal.
Wenn ich an räuberische Kriege denke.
Wie bedroht Neid unser Miteinander.
Und eskaliert dann – nicht zu selten.
Verletzt und zerstört Ebenbilder Gottes auf so viele Weisen.
(Hier ist noch Platz für konkrete Beispiele.)
Micha setzt dagegen:
(2.) Liebe üben, wörtlich „die Freundlichkeit/Güte lieben (hebräisch: „ahavat chäsäd“)!
Nicht Geld oder Ruhm lieben – sondern Anderen Liebe erweisen, die Hilfe und Beachtung und Anerkennung brauchen.
Das ist der Ausgangspunkt für ein Weitergeben der Liebe Gottes: in Allen ein Ebenbild Gottes sehen. Ein Ebenbild der Liebe Gottes, die in Jesus ein konkretes Gesicht bekommen hat, Mensch geworden ist. Und so:
(3.) Demütig sein (hebräisch: „haznea“) vor deinem Gott; wörtlich: „mit Gott gehen“, und zwar demütig, „bescheiden“, „besonnen“, „achtsam.“*
So mit Gott mitgehen.
Mehr braucht es nicht. Das aber wirklich.
Und dabei geht Gott voraus.
Wenn wir uns immer wieder neu bescheiden und auf den Weg ins Leben machen – öffnet sich ein Weg aus dem Unfrieden zum Frieden.
Hier und heute und immer wieder neu.
Amen
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