2. Sonntag nach Epiphanias (18. Januar 2015)
Johannes 2, 1-11
Liebe Gemeinde,
„Ich bin gekommen, damit sie das Leben in Fülle haben“, sagt Jesus (Joh 10,10). Was für eine schöne Ankündigung! Das Leben in Fülle, wir können aus dem Vollen schöpfen, es ist reichlich da – Tanz und Lebensfreude pur!
Wie kann man dies wohl am meisten empfinden, wenn nicht bei einem Hochzeitsfest?
Bei einer jüdischen Hochzeit wird das ganze Hochzeitsmahl durch einen Segensspruch über den Wein eingeleitet, den das Hochzeitspaar spricht: „Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Wonne und Freude, Bräutigam und Braut, Frohlocken, Jubel, Fröhlichkeit, Frohsinn, Liebe und Brüderlichkeit, Eintracht und Freundschaft geschaffen hat. Eilends, Ewiger, unser Gott, möge in den Gassen Jerusalems gehört werden die Stimme der Wonne und die Stimme der Freude, die Stimme des Bräutigams und die Stimme der Braut, die Stimme des Jauchzens der Bräutigame aus ihrem Brautgemach und die der Jünglinge von ihrem Hochzeitsmahl ….“ Klingt das nicht herrlich?
So kommt das nicht von ungefähr, dass gleich im zweiten Kapitel des Johannesevangeliums von einer Hochzeit die Rede ist und von dem ersten Zeichen, das Jesus bewirkt. So, wie der Evangelist dieses Ereignis beschreibt, geht es sogar um noch mehr als um eine fröhliche Hochzeitsfeier.
Der dritte TagAm dritten Tag, so schreibt Johannes, am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt. Jesus hat bisher noch nicht öffentlich gesprochen, nur zu den ersten Jüngern kurz geredet.
„Am dritten Tag“ – da kann man den dritten Tag der Schöpfung mit heraushören, an dem Gott auf der Erde die Samen aufgehen und Früchte tragen lässt. Am dritten Tag heißt es nicht nur einmal, sondern gleich zwei Mal: „Und Gott sah, dass es gut war.“ Der dritte Tag der Woche ist darum bis heute im Judentum ein beliebter Tag für Hochzeiten.
Am „dritten Tag“ wird so manches Mal die Entscheidung über Leben und Tod offenkundig – so wie z.B. in der Josefsgeschichte in den Träumen des Mundschenks und des Bäckers.
Und es klingt noch etwas mit für die kundigen Leser und Hörer dieser Geschichte: der dritte Tag ist auch der Tag der Auferstehung! Die Zeit des Leidens ist vorbei, der Tod ist besiegt! Der dritte Tag ist ein Freudentag, angekündigt gleich im ersten Zeichen am Beginn des Evangeliums.
Ein Hochzeitsfest und mehrDiese Hochzeit ist nicht einfach nur eine Hochzeit. An vielen Stellen im Neuen Testament ist eine Hochzeit ein Gleichnis für das Himmelreich. Die Gegenwart Jesu selbst ist für die Jünger wie ein Hochzeitsfest. Jetzt ist die Zeit der Freude und Fülle angebrochen!
Jesus und seine Jünger sind eingeladen, seine Mutter Maria ist auch unter den Gästen. Das Hochzeitspaar eröffnet das Mahl mit dem Segensspruch über den ersten Becher Wein.
In diesem Zusammenhang wird deutlich, wie folgenschwer es ist, dass auf dieser Feier der Wein ausgeht. Worüber sollen die weiteren Segenssprüche, die ja noch folgen werden, gesprochen werden? Die Festliturgie ist gefährdet! Wie würden wir es empfinden, wenn beim Abendmahl plötzlich der Wein ausginge?
„Sie haben keinen Wein mehr“, sagt Maria zu ihrem Sohn. Wir können davon ausgehen, dass auch in ihren Augen mehr auf dem Spiel steht als Ausgelassenheit beim Feiern.
Es geht um nichts weniger als das LebenDass Jesus ihr so schroff antwortet, ist nicht persönlich gemeint. Vielmehr ist der Ausruf „Was willst du von mir!“ eine Abwehrformel, die an vielen Stellen in der Bibel auftaucht – immer dann, wenn es um etwas Wesentliches geht, das gefährdet ist. Am Anfang des Markusevangeliums heilt Jesus einen Mann von einem bösen Geist – und dieser Geist ruft gegen Jesus aus: „Was willst du von uns? Du bist gekommen uns zu vernichten. Ich weiß, wer du bist: du bist der Heilige Gottes!“ Die bösen Geister haben Angst.
Und die Witwe von Zarepta, die von ihrem letzten Mehl und Öl dem Propheten Elia ein Brot gebacken hat, ruft einen ähnlichen Satz aus, als daraufhin ihr Kind stirbt: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Mann Gottes!“
Dieser Satz wird ausgerufen, um etwas Wichtiges zu schützen. „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“, antwortet Jesus seiner Mutter. Seine Stunde, Gottes Zeit, die Stunde der Geburt, die Stunde des Todes, die Stunde des Heils ist nicht verhandelbar, darf nicht gestört werden.
Maria ist klug, sie versteht und weist die Diener an, seinen Anweisungen zu folgen: „Was er euch sagt, das tut.“ Auch diesen Satz kennen wir aus der Josefsgeschichte, dieser Satz hat schon einmal einem großen Mangel abgeholfen: In der Hungersnot sagt Pharao diesen Satz zu allen Ägyptern, die zu ihm schreien vor Hunger: „Was der euch sagt, das tut!“ Gemeint ist Josef, und der lässt daraufhin die Kornspeicher öffnen, damit das Volk Brot hat.
Wein – das Symbol für die Freude
Auf Geheiß Jesu füllen die Diener die Wasserkrüge bis obenan. Zwei oder drei Maße gingen in jeden der sechs Krüge – das sind insgesamt 480 bis 720 Liter. Es geht tatsächlich um eine unglaubliche Fülle!
Der Mundschenk darf als erster kosten. Die Diener schöpfen aus den Krügen und bringen ihm davon und er rühmt verwundert den guten Wein, dessen Herkunft ihm nicht bekannt ist. Seine Verwunderung ist die sichtbare Bestätigung, dass hier ein Wunder geschehen ist, ein Zeichen, wie das Johannesevangelium sagt, ein Zeichen für die Herrlichkeit Jesu!
Denn die Hochzeit ist ein mystisches Bild für das Himmelreich, für die Vereinigung zwischen Gott und seinem Volk Israel; für die Vereinigung von Jesus und der Gemeinschaft der an ihn Glaubenden, die ihn sehnsüchtig erwartet hat und nun freudig mit ihm feiert! Er ist da, das Fest kann beginnen – darum ist dies das erste Zeichen, das Jesus bewirkt, dem noch weitere Zeichen folgen: Heilungen, die Speisung der Fünftausend, die Auferweckung des Lazarus und andere.
Die Seinen glauben an ihnSeine Jünger glauben an ihn, so endet dieser Abschnitt vom Anfang.
Sie haben mit Jesus gefeiert, haben vom Wein der Freude gekostet.
Jetzt ist der gute Wein da, die Lichtperlen auf der Zunge, die Gelöstheit in der Seele, jetzt ist der gute Wein da, und alle feiern gemeinsam und singen und tanzen. Jesus hat ihn gebracht, den guten Wein: Jetzt ist die messianische Zeit angebrochen. Aus Mangel wird unerschöpfliche Fülle. „Der Wein erfreut des Menschen Herz“, heißt es in Psalm 104, und ohne diese Gottesgabe ist keine Schabbatfeier denkbar. Wein und Festfreude hängen eng zusammen. Dabei geht es um Genuss, nicht um Bedürfnisbefriedigung oder Sucht. Dazu gehört zweifellos das richtige Maß. Genuss braucht Abwechslung, Vorfreude, Wartezeit. Das Genießen kann uns jetzt schon zu einem Vorzeichen werden für die kommende Welt. Auch das Genießen der Gemeinschaft, denn immerhin wird hier eine Hochzeit gefeiert.
Die Feier des Abendmahls als FreudenmahlEtwas von dieser besonderen festlichen Nähe Jesu zu uns wird für uns spürbar, wenn wir wie heute Gäste sind an seinem Tisch und gemeinsam das Abendmahl feiern. Mehr und mehr Abendmahlsfeiern in unseren Gemeinden lassen etwas von dieser festlichen Freude erahnen. Jesus Christus ist in den Gaben von Brot und Wein gegenwärtig und kommt so ganz nah zu uns. Er verbindet uns untereinander und stiftet Gemeinschaft. Jeder und jede ist willkommen, unabhängig davon, ob die anderen sie einladen würden, denn Jesus ist der Einladende, der um jeden wirbt.
Die Liebesbewegung geht von Gott ausDie Liebesbewegung geht von Gott aus, der nicht allein sein will, und den Menschen sucht, um ihn wirbt, mit ihm eins sein will. Ahnen wir das? Ahnen wir, dass unsere eigenen Sehnsüchte nach Verständnis, nach Anerkennung, nach Liebe unsere Sehnsucht nach Gott widerspiegeln? Und dass Gott auf uns wartet und uns antworten will? Dass wir hinein wachsen können in diese unglaubliche Liebe, von ihr erfüllt werden können, sie selber üben können?
Wir leben in der Epiphaniaszeit und feiern, dass Jesus gekommen ist.
Ihm können wir uns anvertrauen mit all unseren Verletzungen und Sehnsüchten. Er erwartet uns bereits.
Jesus ist kommen, die Quelle der Gnaden:
Komme wen dürstet und trinke, wer will!
Holet für euren so giftigen Schaden
Gnade aus dieser unendlichen Füll!
Hier kann das Herze sich laben und baden.
Jesus ist kommen die Quelle der Gnaden. (EG 66,7)
Amen.
Wichtige Anregungen für diese Predigt sind entnommen aus:
Stefan Koch, Gesegnete Mahlzeit, gesegnetes Fest, Predigtmeditation für den 2. Sonntag nach Epiphanias: Joh 2,1-11, in: Predigtmeditationen im christlich-jüdischem Kontext, herausgegeben von Studium in Israel, Wernsbach 2014, S. 87-92; Ernst-Michael Dörrfuß, … und schenkst mir schwibbeli-schwabbeli voll ein, Predigtmeditation für den 2. Sonntag nach Epiphanias: Joh 2,1-11, in: in: Predigtmeditationen im christlich-jüdischem Kontext, herausgegeben von Studium in Israel, Wernsbach 2008, S. 88-93.
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