6. Sonntag nach Trinitatis (27. Juli 2014)
1. Petrus 2, 1-10
Sammeln Sie gerne etwas? Servietten, Briefmarken, Muscheln, Steine … dann ist es Ihnen vertraut, das Auswählen, manches Erwählen, das genaue Hinschauen, die Freude am Besonderen, aber auch das wieder Verwerfen, Aussortieren, Beiseitelegen.
Unser Text für heute ist ein sehr bildreicher Text. Steine spielen eine besondere Rolle darin. Hören wir 1. Petrus 2, 1–10:
„So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist. Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus. Darum steht in der Schrift: ‚Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.‘ Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist ‚der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses‘; sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind. Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst ‚nicht ein Volk‘ wart, nun aber ‚Gottes Volk‘ seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid (Hosea 2,25)."
Liebe Gemeinde, von lebendigen Steinen war die Rede, vom Eckstein und Grund unseres Glaubens.
Ich habe Ihnen Steine mitgebracht. In Herkunft verschieden, die Formen, die Farben je eigen, aus dem Acker oder Fluss, behauen, geschliffen, gerieben, abgebrochen. Geformt von Einflüssen und Witterungen, mit Ecken oder Rundungen, jeder hat sein Gewicht.
Die Steine sind Sinnbilder für uns Menschen: auch ich bin geformt von vielen Einflüssen,
habe meine Ecken und Rundungen, habe mein Gewicht.
So sind wir ganz verschieden geprägt. Eigentlich unfassbar, dass so verschiedene Menschen sich in einer Gemeinde sammeln und bereit sind, Gemeinschaft miteinander zu haben. Alle Generationen, ganz unterschiedlich geprägte Menschen – sowohl von ihrer Glaubens- als auch von ihrer Lebenseinstellung her – mit sehr verschiedener Herkunft und Interessen sind in unseren Kirchenräumen anzutreffen, sei es in NN oder anderswo.
Miteinander bilden sie das Haus der Kirche.
Was ein Gebäude zusammenhält, das sind solide Fundamente.
Was die Kirche erhält und zusammenhält, das sind nicht ihre führenden Kräfte, ihre Autoritätspersonen oder Behörden. Wenn es da bröckelt und wackelt, so mag uns das ernstlich beängstigen, aber entscheidend ist das nicht. Was so verschiedene Menschen zusammenhält – es ist der eine Grund. Das Fundament ist eine lebendige Person, zu der wir in Beziehung treten können. Das Fundament der Gemeinde ist Jesus Christus.
Wenn das so ist, dann lohnt es sich, darüber nachzudenken, wer der ist, zu dem wir uns da bekennen. Die Bibel schildert ihn als Befreier der kleinen Leute und Richter, der die Mächtigen in die Schranken des Rechts und der Gerechtigkeit weist. Drei Kennzeichen, wie die Bibel Jesus Christus schildert, möchte ich herausgreifen: Sie zeigt ihn als arm, ohnmächtig und leidend.
Der Eckstein Jesus Christus – arm, ohnmächtig, leidend
Arm, das heißt, geboren als Armer unter Armen. Das feiern wir zu Weihnachten. Ich kann Christus nur erkennen, wenn ich mich auf die Seite der Armen begebe. Ich bin herausgefordert, mit ihren Augen die Gegenwart anzusehen. Wahrscheinlich sehe ich dann sehr viel schärfer, wo es in meiner näheren Umgebung und in der Welt ungerecht zugeht.
Ohnmächtig – Christus stellte sich ganz auf die Seite der Armen und der an den Rand gedrängten und befreite sie. Doch anders als erwartet. Nicht in einem Siegeszug. Zu Ostern feiern wir den ohnmächtigen, den Messias ohne Macht. Es ist ja merkwürdig mit der Macht: Viele Christen, die an Gottes Allmacht glauben, leben abhängig und trauen sich nichts zu. Was richten wir schon aus? sagen sie entmutigt. Gott wird es richten. So aber kommt Gerechtigkeit nicht zustande. Jesus hat scheinbar nichts erreicht und doch alles vollbracht. Ohne selbst Macht zu haben, hat er die Mächtigen herausgefordert und sich als stärker als sie erwiesen. Gelegentlich kommt diese ganz andere Macht auch an den Tag, meist aber ist sie uns verborgen, und wir haben das Gefühl: Es bewegt sich doch nichts.
Zum 3. Stichwort: – Den leidenden Jesus feiern wir an Karfreitag. Es ist gut und nötig, dass wir uns immer wieder daran erinnern und erschrecken über den Triumph menschlicher Unvernunft. Leben hat keine Zukunft, wenn es nicht Menschen gibt, die sich in Mitleidenschaft ziehen lassen. Die bereit sind, Leiden zu sehen und sich davon bewegen zu lassen. Doch wer sich für das Leben einsetzt, muss damit rechnen, die als Gegner zu bekommen, die von der Zerstörung leben. Mag das ein Mineralölkonzern sein oder eine Lebensmittelkette oder auch der Nachbar, der sein Geld durch Bankenspekulationen am Profit von Waffengeschäften verdient. Nötig sind Menschen, die standhalten. Solche, die der Arroganz Einhalt gebieten, dem Zynismus entgegentreten und Wichtigtuern mit Liebe und Humor deutlich machen, was wichtig ist.
Der Grundstein und die lebendigen Steine
Der Grund ist gelegt in Jesus Christus. Der Grundstein – arm, ohnmächtig, leidend – wir aber wollen das nicht sein, heftig wehren wir uns dagegen, dazu passende Steine zu sein. Dieser Stein ist für viele ein Stolperstein. Fülle, Macht und Wohlergehen sind Werte, die bei uns Menschen hoch im Kurs stehen. Da legt sich die Frage nahe: Sind wir damit nicht ganz unbrauchbar für Gottes Bau?
Nein, macht unser Predigttext deutlich. Gott kann uns gebrauchen, und er will uns auch formen, einpassen in seinen Bau, brauchbar machen. Doch er arbeitet nicht wie ein Steinmetz, der sich einen Stein nimmt und bearbeitet, dass die Fetzen fliegen. Gott, der Steine lebendig machen kann, Gott möchte unser Einverständnis, dass wir uns auf einen Prozess der Veränderung einlassen. Darum wirbt er.
So wie wir Steine einbringen in diesem Bau, so sind wir selbst Gottes Bau. Gott selber arbeitet an uns, er baut da auf und weiter, wo es nötig ist, beseitigt auch den Müll, der uns behindert. Im Petrusbrief hören wir: "Und auch ihr als die lebendigen Steine bauet euch zum geistlichen Haus." Lebendige Steine – das sind wir: Wir bauen doch längst, wir errichten Häuser und legen Straßen und Spielplätze an, schleppen und mauern ein Haus auf das andere und reiben uns auf.
Lebendige Steine, das könnte auch meinen: Einer stößt den andern an, so kommt etwas ins Rollen, bewegt sich etwas, zieht die Bewegung Kreise.
Der Grund für die Bewegung, das Fundament für den Bau ist Christus. Die Beziehung zu Jesus Christus, das Hören und Reden mit ihm lässt auch uns auf diesem Fundament stehen. Auf dieses Fundament sollen und dürfen wir bauen. Wir als lebendige Steine, an denen Gott seinerseits arbeitet. Wir sollen an diesem Haus nach unseren Möglichkeiten weiterbauen. Unsere Mitarbeit am Bau Gottes kann ganz verschieden aussehen.
Lebendige Steine – Gott ist es, der uns brauchbar macht und brauchen kann
Wie die Steine aussehen können, die wir einbringen, dazu ein paar Beispiele: die Fähigkeit anderen zuzuhören und zu trösten, die Beteiligung an einer Gemeindegruppe, Besuche bei anderen Menschen, gemeinsames Feiern und Musizieren, sich einsetzen für Asylbewerber und anderes gesellschaftskritisches Engagement, Mitarbeiten im Kirchengemeinderat, durch das Dasein im Gottesdienst und in der Gemeinde und durch das Gebet für sie.
Wichtig ist, dass solches geschieht und jeder und jede sich nach seinen und ihren eigenen Möglichkeiten engagiert und Licht weiterträgt in das Leben anderer.
Verlieren wir dann nicht aus dem Blick: Unsere Arbeit, unser Einsatz für Gottes Haus geschieht nicht allein aus unserer Kraft und durch unsere Anstrengung. Gott ist es, der Gaben und Fähigkeiten in uns wachsen lässt und uns leiten möchte, dass wir unsere Aufgabe erkennen und fröhlich erfüllen können.
Noch ist nicht heraus, wie unser Bau ausfällt. Paulus sagt: Gott selbst wird am Ende der Zeit unser Tun auf seine Weise und wohl ganz anders als wir beurteilen. Letztlich wird Gott uns die Treue halten. Das hat er versprochen und das hängt auch nicht davon ab, ob unser Werk nun besonders gelungen ist oder nicht.
Das liegt am soliden Fundament, das er gelegt hat und auf das wir uns verlassen können. So können wir uns mutig und fröhlich einbringen, im Bewusstsein, dass Gott, der uns beauftragt, uns auch trägt und hält. Amen.
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