4. Sonntag nach Epiphanias (02. Februar 2014)
Pfarrer Dr. Johannes Reinmüller, Ingelfingen [johannes.reinmueller@web.de]
1. Mose 8, 1-12
Liebe Gemeinde!
Noah und die vielen Tiere in der Arche – das ist ein bekanntes und ein beliebtes Bild, das in keiner Kinderbibel fehlen darf. Es ist aber auch das bekannteste Motiv aus der Bibel, das die Werbeindustrie für die Kinder entdeckt hat. Noah und die vielen Tiere in der Arche – dieses Motiv gibt es mittlerweile als Kindermobile, als Kinderbettwäsche, auf Schulranzen, auf Mäppchen und als Playmobilfiguren. So beliebt dieses Motiv bei den Kindern ist – wir Erwachsene finden es nett und goldig, wenn ein pausbäckiger Noah mit einer Taube auf der Schulter neben einem Krokodil und einem Elefanten vergnügt aus der Arche schaut – aber so richtig ernst nehmen wir diese tierische Bootsfahrt im Grunde genommen nicht.
Denn: Wie kann so etwas überhaupt sein, dass eine Familie mit so vielen Tieren in einem Holzschiff über einen überschwemmten Planeten schippert? Und je mehr wir uns über Details dieser phantastischen Bootsfahrt Gedanken machen, desto mehr verstehen wir, warum man diese Geschichte den Kindern und der Werbeindustrie überlassen hat.
Eine Geschichte von Gott, der Welt und dem Menschen
Also stimmt diese Geschichte von Noah und der Arche nicht? Doch! Die Geschichte stimmt! Sie stimmt, weil es eine Geschichte ist, mit der die Bibel uns Menschen die grundlegenden Zusammenhänge von Gott, Mensch und Welt erklärt. Und wir merken: es ist eine aktuelle Geschichte, in der es letztlich um mich und um mein Leben vor Gott geht.
Die Arche und Gottes rettender Blick
Doch zuerst der Reihe nach – die Arche:
Drinnen in der Arche herrscht ein reges Treiben. Alle Lebewesen, Mensch und Tier, haben in ihr Platz gefunden und haben es sich in ihr eingerichtet. Das ist der Blick, den Noah von der Arche hat.
Doch von außen betrachtet ist die Arche ein geschlossenes und in sich verschlossenes System, das auf den unendlichen und bedrohlichen Fluten seine Bahnen zieht. Das ist der Blick, den Gott auf die Arche hat.
Dieser Blick, den Gott auf die umher schwimmende Arche hat, erinnert mich an Weltraumbilder von der Erde: Der blaue Planet, der als ein in sich geschlossenes System mit seinen Lebewesen in den unendlichen Galaxien seine Bahnen zieht.
Doch „[d]a gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war (V. 1)“. So beginnt unsere Geschichte. Aber wir dürfen uns das nicht so vorstellen, als würde Gott zwischendurch an die Arche denken, die orientierungslos in den unendlichen Fluten ihre Bahnen zieht, sondern Gott blickt gnädig und voller Fürsorge auf sie, weil in ihr alles Leben ist. Deswegen belässt es Gott auch nicht mit einem Blick, sondern er rettet sie und ihre Bewohner, indem er sie auf einen Felsen setzt. Dieser Felsen ist das erste Stück von Gottes neuer Welt, das sichtbar und spürbar ist. Denn der Fels wird der Weg sein, über den die Bewohner der Arche die neue Welt betreten.
Die Rettungsaktion Gottes
„Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war […]“ und setzte sie auf einen Felsen.
Von derselben Rettungsaktion lesen wir in der Bibel an anderer Stelle, nämlich im Johannesevangelium: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh 3,16).
Gott rettete die Arche, indem er sie auf einen Felsen stellte, der das erste Stück und damit der Zugang der Bewohner zur neuen Welt war. Und Gott rettete die Welt, indem er sie auf den Felsen, auf Jesus Christus gründete, der der erste und damit der Zugang der Menschen zu Gottes neuer Welt ist.
Wir merken auf einmal: Die Erzählung von der Arche ist kein phantastisches Märchen von einem Menschen namens Noah und vielen Tieren, sondern die Erzählung von der Arche ist Gottes Geschichte mit den Menschen. Und sie ist damit die Erzählung meiner Rettung.
Die Arche ist nun gerettet. Doch Noah bleibt nicht sitzen und führt nicht sein Leben in der Arche fort, als wäre nichts gewesen, sondern die Rettung auf dem Felsen hat für Noah Folgen. Er wagt den Blick aus seiner vertrauten Welt, der Arche, nach draußen. Wenn die Arche auf einem Felsen ruht, dann muss es doch Hoffnung geben! Deshalb wagt Noah den Blick aus einem kleinen Fenster raus aus seiner vertrauten Welt der Arche, hinaus in die Weite.
Noahs und unser Blick hinaus in Gottes neue Welt
Wie ist das bei uns? Auch wir als Christen wissen: Unser Leben, unsere Welt, gründet auf Christus, dem Felsen. Wir treiben nicht orientierungslos durch die Fluten des Lebens, sondern unser Leben hat ein Fundament, und wir sind gerettet! Doch haben wir auch den Mut wie Noah, den Blick hinaus zu wagen? Weg von unserer vertrauten Welt und unserem vertrauten Leben hin zur Zuversicht, dass wir in den Fluten Gottes neue Welt erblicken?
Noah hat Zuversicht: Wenn die Arche auf einem Felsen liegt, dann muss es trotz der unendlich scheinenden Fluten auch eine neue Welt geben. Deswegen sendet er eine Taube aus. Und als diese leer zurückkehrt, lässt sich Noah nicht von seiner Zuversicht abbringen und versucht es noch einmal und noch einmal. Erst beim dritten Mal bleibt die Taube fort und kehrt nicht zurück. Jetzt wird Noahs Zuversicht bestätigt, und er weiß: Es gibt eine neue Welt und in dieser Welt ist neues Leben möglich!
Mit diesem zuversichtlichen Bild endet unsere Geschichte. Und wir fragen uns: Was will sie uns sagen? Wir blicken auf die Arche, die auf dem Felsen ruht. Und wir blicken auf Noah, der immer noch mit allen Lebewesen in der Arche bleibt. Die Geschichte will uns sagen: Die Arche – das ist unsere Welt! Ein in sich geschlossenes System, auf dem sich alles Leben abspielt.
Der Fels Jesus Christus
Und die Geschichte will uns sagen: Werde so wie Noah! Erkenne, dass die Welt auf der du lebst nicht auf den unendlichen Weiten des Chaos zufällig umherirrt, sondern dass Gott sie aus Gnade auf einen Felsen, auf Jesus Christus, gegründet hat. Er, Jesus Christus gibt der Welt und all ihrem Leben einen Halt und schenkt Rettung. Und die Geschichte sagt uns: Werde so wie Noah! Verzweifle nicht an der Welt und an den Grenzen dieser Arche. Wag‘ den Blick nach draußen in die Weite. Und habe die Zuversicht, dass nicht die weiten Fluten, sondern Gottes neue Welt unsere Zukunft und Heimat ist.
Das Bild, mit dem wir uns von der Arche verabschieden, ist das Bild, das Gott von der Arche und damit von der Welt und von uns Menschen hat: Wir sind wie Noah mitten in unserer Arche – aber mit der Zuversicht, auf Christus den Felsen gegründet zu sein und mit dem Ausblick in Gottes neue Welt.
Amen.
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