4. Advent (21. Dezember 2014)
Pfarrer Christoph Schwethelm, Marktbreit [gnodstadt@dekanat-uffenheim.de]
Lukas 1, 26-55
Liebe Gemeinde,
wir tauchen durch diese Erzählung hinein in einen ganz heiligen Bereich. Und das hat nicht nur etwas damit zu tun, dass hier so etwas Wunderbares wie der Heilige Geist und die Geburt von Gottes Sohn angekündigt wird.
Für mich ist die ganze Ereignisfolge von Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt etwas Großartiges, ja, Heiliges. Aus der Lust und der Freude von zwei Menschen aneinander entsteht plötzlich etwas, über das Mann und Frau keinen rechten Einfluss mehr haben, da wächst ein ganz eigenständiges Wesen heran, am Anfang noch unglaublich verletzlich, angewiesen auf Schutz und doch schon anders. Wenn dieses Kind dann im Bauch der Mutter beginnt, sich sichtlich zu bewegen, können auch wir Männer schon ein ganz klein wenig etwas ahnen von dem Wunder, das sich da anbahnt, von dem Wunder, das die Frau schon viel früher begriffen und gespürt hat. Ach, gebe Gott, dass alle Frauen, ja alle Mütter und Väter in diesem Moment mehr das Wunder erspüren könnten als die Angst vor der Zukunft, als den Unwillen, dass dieses Kind vielleicht zum "falschen Zeitpunkt", zu spät wie bei Elisabeth oder viel zu früh, wie bei Maria oder ganz und gar unerwünscht sein könnte. Und gebe Gott, dass jedes Kind, das geboren wird, als ein Gotteskind, als eine Tochter und ein Sohn Gottes angeschaut werden kann und nicht als eine Last oder ein Armutsrisiko.
Dann kann für die Eltern dieser Kinder das Fest der Geburt eine Weihnacht werden, eine von Gott gesegnete Nacht, ein gesegneter Tag.
Die göttliche KinderstubeSicher wäre auch das eine gesegnete adventliche Tätigkeit, wenn wir uns daran machen würden, nun all den Kindern, die noch geboren werden sollen, und denen, die schon geboren sind, eine Wiege und eine Kinderstube zu bereiten, in der sie geborgen und sicher aufwachsen könnten, wo sie die Liebe Gottes schon mit der Muttermilch trinken könnten im Überfluss.
Der eigenen Niedrigkeit bewusstAber wir bereiten uns ja nicht nur um der Kinder willen auf Weihnachten vor, sondern um unserer selbst und unserer ganzen Welt willen. Nicht umsonst wird die Empfängnis Jesu nicht hineingestellt in eine kleine Familie, sondern sie wird beschrieben als die Sache einer jungen, unscheinbaren Frau und ihrem Gott. Gott hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Gott, so sagt uns Maria, hat gesehen, dass da in ihr nicht ein Mensch lebt, der schwelgt in seiner eigenen Größe und Leistungsfähigkeit, in seiner Stärke und Macht, sondern dass in Maria ein Mensch lebt, der sich seiner geringen Möglichkeiten bewusst ist, der sich in seinem Herzen aber dennoch leidenschaftlich mit den Hungrigen solidarisiert, mit denen, die klein gehalten werden von den Mächtigen und Hochmütigen. Ein Mensch, eine Frau, schwach in der eigenen Kraft, aber stark im Mitgefühl und in ihrem liebevollen Blick und ihrer lebendigen Barmherzigkeit.
... aber voller Mitgefühl und HoffnungWie stark diese junge Frau empfindet, wird uns präsentiert in dem so überraschenden Gebet, das sie herausruft, als Elisabeth sich so mit ihr freuen kann. In diesem Augenblick weiblicher Verbundenheit denkt sie nicht an rosa Windelhöschen oder an die Farbe der Tapeten im Kinderzimmer. Auch ob es einmal Hipp oder Alete gibt, ist ihr völlig egal.
Sie kann nun nicht anders, als die Größe Gottes zu preisen und ihre Hoffnung auf Gerechtigkeit für die Hungrigen hinauszuschreien:
"Gott, der mächtig ist, hat Großes an mir getan. Er, der ewig Barmherzige zeigt seine Macht. Er frustriert die Erwartungen der Eingebildeten, er holt die Mächtigen vom Thron, nimmt ihnen ihren Einfluss, er hebt die Niedrigen aus dem Staub. Er deckt den Tisch für die Hungrigen und die Reichen müssen jetzt hungrig zusehen. Er richtet sein Volk wieder auf und erfüllt seine Verheißungen."
Maria denkt nicht nur an sich. Sie will das Geschenk Gottes nicht als persönlichen Besitz behalten. Sie ist offen dafür, dass Gott durch sie hindurch wirken kann - hinein in die ganze, unter dem Unrecht leidende Welt. Daran hängt ihr Herz leidenschaftlich.
Aus Maria wird keine "Supermaria" - Gott schenkt sich„Der Heilige Geist wird über dich kommen, die Kraft des Höchsten dich überschatten." So verkündigt der Engel der Maria. Wären wir jetzt in einem Hollywood-Science-Fiction Film, würde der Engel Maria ein SUPERMARIA-Kostüm überreichen und von da an wäre sie die Helferin der Armen und Unterdrückten und sie würde in das Leben der Hochmütigen einbrechen und sie würde sie von ihren Thronen werfen. Aber nichts von all dem hier. Sie bekommt ein Kind, das, was eine Frau kann, was von Geburt an in ihr angelegt ist. Sie tut, was sie kann und nicht das Unmögliche. Und indem sie tut, was sie kann, gibt sie Gott Raum, den Rest zu tun: „Ich bin des Herrn Magd, mir geschehe, was du gesagt hast.“
Das möchte ich auchWer jetzt neidvoll auf Maria sieht, weil er so gerne endlich auch einmal so von Gott beschenkt werden würde wie Maria, der sucht nur sich selbst. Gott konnte Maria und andere brauchen, weil ihr Herz nicht bei ihr selbst war, nicht frustriert darüber, dass Gott sie übersehen hatte. Nein, ihr Herz war bei denen, bei denen auch das Herz Gottes ist, bei den Versklavten, bei den Witwen und Waisen, bei den Mittellosen und Armen, bei den Vergessenen in der Gesellschaft. Denen galt auch das ganze Leben ihres Sohnes Jesus. In ihm wirkt der Heilige Geist, den Maria empfangen durfte, weiter.
Den Heiligen Geist empfangenDer Heilige Geist ist allerdings kein Geschenk, das Gott nur der Maria verleiht. "Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen", das verheißt in der Apostelgeschichte Jesus seinen Jüngern beim Abschied.
Wenn wir unser Herz bereitet haben wie Maria, wenn wir ausgestreckt sind in Liebe und Barmherzigkeit zu allen Kindern Gottes, besonders aber zu den Übersehenen und Benachteiligten, wenn der Wunsch in uns Raum gewinnt, dass nicht länger die Ungerechtigkeit und die Gewalt in dieser Welt herrschen sollen, dann kann der Heilige Geist in uns wirken und dann können durch die Fähigkeiten und Gaben, die Gott uns von Anfang an gegeben hat, Dinge geschehen, die den Namen Gottes preisen und über die sich Gott und die Menschen freuen.
Die kleinen Schritte zum Reich GottesWir spüren: Auch wir Männer müssen Maria und andere Frauen nicht dafür beneiden, dass sie schwanger werden dürfen und Kinder zur Welt bringen. Auch wir dürfen den Heiligen Geist empfangen, und das Kleine zur Welt bringen, das uns möglich ist. Gott wird dann den Rest tun und das Kleine, das Unvollkommene segnen und auch durchs Kreuz vollenden.
„Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes“ (Römer 15,13). Amen.
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