20. Sonntag nach Trinitatis (22. Oktober 2023)
Markus 10,1-16
IntentionWie besonders und wie beglückend kann eine Partnerschaft sein! Das steht im Zentrum der Predigt. Nicht die Ehe als eine geforderte Ordnung, die es unter Qualen zu erfüllen gilt. Die Verse 10 bis 12 können m.E. entfallen. Ich greife dies „Jüngergespräch“ in der Predigt nur in einem paraphrasierenden Satz auf. Die rabbinische Überlieferung am Schluss mag jedeR in Freiheit in Auswahl (entschärfend) nacherzählen.
Als Schriftlesung liegt 1.Mose 1,26–28a nahe. Nach der Predigt passt gut das 1989 für eine Trauung gedichtete Lied von Klaus-Peter Hertzsch: „Vertraut den neuen Wegen“ (EG 395).
Liebe Gemeinde,
es geht im Evangelium heute um die Frage der Ehescheidung – und um noch viel mehr!
Ich lese aus dem Markusevangelium, Kapitel 10:
1 Und Jesus machte sich von dort auf und kam in das Gebiet von Judäa und jenseits des Jordans. Und abermals lief das Volk in Scharen bei ihm zusammen, und wie es seine Gewohnheit war, lehrte er sie abermals.
2 Und Pharisäer traten hinzu und fragten ihn, ob es einem Mann erlaubt sei, sich von seiner Frau zu scheiden, und versuchten ihn damit. 3 Jesus antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten? 4 Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. 5 Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; 6 aber von Anfang der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. 7 Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, 8 und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. 9 Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.
(10 Und im Haus fragten ihn die Jünger abermals danach.
11 Und er sprach zu ihnen: Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht ihr gegenüber die Ehe; 12 und wenn die Frau sich scheidet von ihrem Mann und heiratet einen andern, bricht sie die Ehe.)
13 Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. 14 Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. 15 Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. 16 Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.
Scheidung kann sein – es geht Jesus aber um BasicsLiebe Gemeinde, Ehescheidung ist erlaubt! Ja, auch nach der Bibel. Und Jesus nimmt das nicht zurück.
Er sagt allerdings: Das hat mit euch und eurer Persönlichkeitsverfassung zu tun. Mit einer Härte der Herzen, mit einer Rauheit, wo sich wohl auch der Heilige Geist nicht mehr aufhalten mag. Darum: Bevor es unerträglich wird, bevor es zu Gewalt und anderem Bösen kommt: Trennung!
Nur, das ist gar nicht die Frage, die Jesus interessiert.
Heute freilich sind gerade diese Fragen „on top“:
Ist das oder jenes erlaubt?
Wie oft und mit wem? Homo-, Lesben-, Bi-, Trans-Ehen, Ehe für alle.
Merkwürdig: Über diese Fragen, wer, wann, mit wem, unter welchen Umständen verheiratet sein und sich scheiden lassen kann, verkümmern die anderen Fragen:
Worin gründet und zielt ihr Zusammensein?
Wie kommen Menschen zueinander?
Diese Fragen greifen tiefer als so viele Beispiele aus der Eheratgeberliteratur.
Und genau um diese Dimensionen geht es Jesus:
Jesus holt weit aus – geht zurück auf Gottes schöpferischen AnfangJesu holt weit aus. Er greift zurück auf Gottes schöpferischen Anfang: „Von Beginn der Schöpfung an“ ist das Menschengeschlecht zweifach gewollt, nämlich männlich-weiblich (1. Mose 1,27).
Zwei auf Augenhöhe sind da von Gott ersonnen, gesegnet: „Er segnete sie.“ (V. 28) Und zwar beide. Und gleichermaßen.
Und Jesus stellt dann dieses besonders heraus: Der Mann verlässt die Herkunftsfamilie. Ein Wort, das bei allem Reinreden von Eltern und andern Verwandten so segensreich zu hören ist. Und wenn es gehört wird – wie viel Leid und Zwietracht könnte das vermeiden helfen. Nicht reinreden! Da ist eine eigene Familie entstanden. Und wo das bedacht und geachtet und beherzigt wird – wie könnte das Ehen befördern.
Schließlich jubelt doch der erste Mann – der „Adam – über das so andere, anziehende Wesen. Und dieser Jubel ist bis heute nicht verstummt.
Gott sei Dank, liebe Gemeinde!
Ich höre in diesem Jubel auch ein männliches Lob über die wunderbare Schöpfung Gottes mit: Was für ein prächtiges Geschöpf ist die von Gott erschaffene Frau!
Weswegen Adam „seinem Weibe anhaftet“, wie Martin Buber wörtlich übersetzt. (1. Mose 2,24 so auch Mt 19,5).
Von der Attraktion der Frau geht es also zum „Anhaften“ – zum Verbinden – zum „ein Fleisch werden“ (1. Mose 2,24). Eine zunehmende Intensivierung von Nähe.
Ja, es ist durchaus nicht abwegig, mit dem großen jüdischen Bibelausleger Raschi in dem „Ein-Fleisch-Werden“ das Kind zu sehen, das aus der Verbindung von Frau und Mann entstehen kann.
Noch einmal: Auf diesen drei Fundamenten basiert das, was Jesu sagen will:
1. Gott erschafft Mann und Frau. 2. Es entsteht eine eigene Gemeinschaft, eine eigene Familie, und 3. aus diesem anziehenden, attraktiven Miteinander wird deine feste Verbindung: ein Anhaften, aus dem ein gemeinsames Wirken entspringt. Das können Kinder sein, können auch andere Aufgaben und Felder sein, die es gemeinsam zu beackern gilt. Ich sage bewusst „beackern“, denn dieses Bild führt uns auch Jesus vor Augen.
Wörtlich übersetzt heißt sein Wort nämlich:
„Was nun Gott zusammengespannt hat“ (von süzeugnümi = zusammenspannen, zusammen in ein Joch spannen, zusammenfügen), – also wie Pferde oder Ochsen in einem Fuhrwerk zusammengespannt – „das soll der Mensch nicht scheiden“, nicht trennen. Heißt: Du sollst ein so festes und enges Miteinander einer Partnerschaft nicht trennen.
Denn das will Jesus mit diesem Bild sagen:
Die Bindekraft des Anhaftenden zu trennen, aufzulösen, ist ein Kraftakt.
Schon wer einen Klebestreifen von einem Papier reißt, sieht das. Eine Spur der Beschädigung ist unverkennbar.
Wie viel mehr bei einer Trennung von Menschen, die „ein Fleisch“ sind. Das hinterlässt gewaltige Verletzungen, Wunden, Schmerzen, kann unendlich weh tun und ist alles andere als easy – und schon gar nicht sexy. Einfach Wegschicken, Schlussmachen, das, sagt Jesus, wäre Ehebruch und gilt gegenseitig (V. 10–12).
Warum macht es Sinn zu bleiben? Was ist der Segen dabei?Liebe Gemeinde, warum macht es Sinn, beieinanderzubleiben? Was ist der Segen dabei?
Wenn Jesus eine Partnerschaft als ein Gespann versteht, dann sind da Aufgaben, die für beide gemeinsam da sind. Die verbinden. Vor denen gilt es, nicht wegzulaufen.
Wenn zu unserem Abschnitt die Segnung der Kinder gehört, dann, denke ich, eben aus diesem Grund: Wo das Gespann aufgelöst wird, entsteht ein nicht geringes Durcheinander. Das habe ich von vielen Konfirmanden und Konfirmandinnen gehört und gelernt. An dem Gebot „Du sollst nicht ehebrechen!“ ist für Jugendliche dies das Gute und Heilvolle und Beschützende: „Wir wollen wissen, wer zu wem gehört und zu wem wir gehören.“ Darum sollten Paare, wenn sie denn getrennte Wege gehen, genau darum wissen und alles dafür tun, dass diese Verbindungen zu ihren Kindern gemeinsam weiter bestehen. Zum Wohl und Segen ihrer Kinder – und ihrer selbst.
Und liebe Gemeinde, das ist ja so strahlend, wenn aus Partnerschaften das leuchtet:
Wie da Paare „zusammengespannt“ miteinander Kinder groß ziehen. Ich ziehe den Hut! Oder eine gemeinsame Lebensaufgabe, zum Beispiel eine Landwirtschaft oder einen Betrieb, voranbringen.
Paare, die eine Mission, eine Botschaft für die Welt verbindet, sei es in der Politik oder der Kunst oder auf anderen Feldern ihrer Berufe, strahlen etwas aus. Sie bewirken Segen für andere.
Wo ich das an Anderen, an Ehen von Handwerkern, Landwirten, an Künstlern, Ärzten und so vielen anderen erlebt habe, da hat mich das immer für meinen eigenen Weg im Leben ermutigt. Wie war und ist mir das ein Segen!
Gottes Strahlkraft in einer PartnerschaftDa strahlt etwas aus, weil Gott etwas von seiner Kraft, von seiner Liebe, in eine Partnerschaft gelegt hat. Von seinem Geist der Liebe. Gott wirkt darin!
Es heißt nicht ohne Grund „Was Gott zusammengespannt“ hat.
Und das ist nun alles andere als verfügbar, als planbar und berechenbar?
Es ist dieses große Geheimnis, das in einer jüdischen Erzählung so zum Ausdruck kommt:
„Eine alte ehrwürdige Frau fragte einmal den Rabbi Jose ben Chalephta (um 150): In wie viel Tagen hat Gott seine Welt geschaffen? Er antwortete: In sechs Tagen...
Sie sprach: Und was tut er seitdem?
Rabbi Jose antwortete: Er bringt die Ehepaare zusammen: die Tochter von dem und dem soll dem und dem gehören (...).“
„Das kann ich auch“, versetzte die Frau. „Wie viele Knechte und Mägde habe ich! (...) In einer kleinen Stunde kann ich sie verbinden!“
Rabbi Jose sprach: „Mag dies leicht sein in deinen Augen, vor Gott ist es so schwer, wie das Spalten des Schilfmeeres.“
Darauf verließ er sie und ging fort. Was tat die Matrone? Sie nahm 1.000 Knechte und 1.000 Mägde, stellte sie reihenweise auf und sprach: „Der und der soll die und die heiraten.“ Und so verband sie sie in einer Nacht.
Am nächsten Morgen kamen sie zu ihr; dem war der Kopf zerspalten, dem das Auge ausgerissen, dem der Fuß gebrochen; der sagte: „Die will ich nicht!“ Und die sagte: „Den will ich nicht.“ Da sandte die Matrone hin und ließ den Rabbi Jose ben Chalaphta kommen.
Sie sprach zu ihm: „Eure Tora ist Wahrheit, schön und löblich ist sie. ...“ –
„Habe ich es dir nicht gesagt“, entgegnete Rabbi Jose, „wenn es auch leicht ist in deinen Augen, vor Gott ist es so schwer wie das Spalten des Schilfmeeres!“ (Pesiq 11,b: nach Strack-Billerbeck, Bd. I, 803)
Was Gott nun mit einem solchen Kraftakt seiner Liebe zusammengespannt hat, „das soll(te) der Mensch wahrlich nicht trennen“. Denn das wäre menschliche Torheit!
Amen.
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