2. Weihnachtsfeiertag (26. Dezember 2020)
Pfarrer Markus Granzow-Emden, Stuttgart [Markus.Granzow-Emden@elkw.de]
Hebräer 1, 1-4
IntentionDie Predigt will zusammen mit dem Verfasser des Hebräerbriefs ins Staunen finden über das Kommen Gottes im Sohn.
Liebe Gemeinde,
glücklich ein Mensch, der staunen kann!
Ein Kind sieht zum ersten Mal im Leben den Christbaum, an dem die Lichter brennen. Mit offenen Augen steht es da, nimmt den Glanz und Duft in sich auf.
Ein Bräutigam wartet auf seine Braut – und dann kommt sie ihm entgegen. Wie er sich freut!
Bestimmt hat auch Lukas gestaunt, als er von der Geburt Jesu erzählte. Von Maria und Josef, die eine Herberge suchten. Von Hirten, die nachts auf den Feldern wachten. Von der wunderbaren Geburt, von den Engeln und ihrem Lobgesang.
Gott kommt zu den Menschen. Er begegnet ihnen in einem Kind in der Krippe – ist das nicht zum Staunen?
Heute am zweiten Feiertag dürfen wir weiter staunen über Gott, der zu den Menschen kommt.
Wir hören den Anfang des Hebräerbriefs. Aus Kapitel 1 die Verse 1 bis 4:
„Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welten gemacht hat. Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name.“
Gott redetGott kommt zu den Menschen. Es ist die gleiche Geschichte wie am Heiligen Abend.
Nur die Blickrichtung hat sich geändert. Wir schauen nun gewissermaßen über den Rand der Krippe hinaus, ganz weit nach oben – und wieder ist es zum Staunen.
Feierlich verkündet der Verfasser des Hebräerbriefes: Gott hat geredet.
Bereits seinem Volk Israel hat Gott sich mitgeteilt. Er hat Abraham und Sara auf einen Weg gerufen. Er hat sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreit, hat große Wunder getan. Er hat ihnen Gebote gegeben und ihnen den Weg zu einem guten Leben eröffnet. Propheten trugen sein Wort weiter, Gottes mahnendes und tröstendes Wort. Gott hat geredet.
Reden – das ist oft der Anfang von Leben. »Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht.« Oder: Ein Kind kommt zur Welt und erfährt, dass Eltern mit ihm sprechen. Menschen finden ins Leben, weil jemand sie anspricht. Das Leben entdecken und unseren Platz darin finden wir, wenn jemand mit uns spricht, uns beim Namen ruft.
Und bis zuletzt sind wir angewiesen darauf, dass ein Mensch zu uns spricht. Wenn wir, am Ende unseres Weges zu schwach sind, um selber sprechen zu können, dann hoffen wir doch, dass jemand da ist und zu uns spricht. Dass wir auch dann gehalten und getragen werden von einem Wort, das wir hören.
Ein Wort ist der Anfang. So finden Menschen ins Leben. So finden, die zerstritten waren, wieder zusammen. Ein Wort überwindet das Schweigen. Ein Wort ist die Brücke, der Anfang zu etwas Neuem.
Wie gut, dass Gott redet! Gott bleibt nicht bei sich, sondern sucht Gemeinschaft. Schon das ist etwas Großes. Aber nun bezeugt der Hebräerbrief noch etwas, und das lässt ihn besonders staunen: »Gott hat zu uns geredet durch den Sohn.«
Das ist die gute Nachricht des Festes, damit beginnt eine neue Zeit: »Gott hat zu uns geredet durch den Sohn.«
Im Sohn spricht Gott uns anGott hat sich mit seinem Sohn Jesus Christus aus-gedrückt. So wie es manchmal auch zwischen uns geschieht, wenn wir uns beschenken. Ich habe dann – hoffentlich – den beschenkten Menschen im Blick. Ich schenke etwas, womit er etwas anfangen kann und was ihm Freude macht. Ich zeige mit meinem Geschenk, dass es mir um eine gute Beziehung geht. Ich lege beim Schenken auch etwas von mir selbst mit hinein, lasse aber die nötige Freiheit.
Gut zu schenken ist eine Kunst. Denn es geht ja um Liebe beim Schenken. Es geht mehr um die beschenkte Person, als um die, die schenkt.
»Gott hat zu uns geredet im Sohn« – das hören wir heute am Festtag auch so: Wir sind reich beschenkt von Gott. In seinem Sohn schenkt er etwas von sich selbst. Und wir verstehen: Wir Menschen sind ihm wichtig. Wir liegen ihm am Herzen.
Wesen und Weg des Sohnes: lauter LiebeDieser Sohn, so heißt es in der Mitte unserer Verse, sei »der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens«. Nicht weniger als der göttliche Glanz leuchtet in ihm auf! Die Lichtherrlichkeit des Höchsten, Gottes Ehre und Gewicht: Hier treten sie zutage. Der Sohn, in dem Gott sich ausdrückt und schenkt, ist ganz und gar von ihm selbst geprägt und erfüllt. Wie ein Siegelabdruck ist der Sohn. Wir sagen: »Schau ihn an: Ganz der Vater.«
Was ist im Sohn Gottes von Gottes Wesen zu sehen? Was drückt sich aus, was leuchtet auf in Gottes Sohn? Zu sehen ist Gottes Wesen. Zu sehen ist seine Liebe.
Niemand anders entspricht Gott so wie der Sohn. Niemand wird je in dieser Weise Gottes Wesen ausdrücken, wie der Sohn es tut. »Gott von Gott, Licht vom Licht«, rühmt ihn ein altes Bekenntnis.
Was da geschehen ist, ist nicht mehr zu überbieten. Eine neue Zeit hat begonnen. Hier geschieht etwas Endgültiges. Das, was bleibend gilt, hat nun begonnen. Mit dieser Geschichte hat Gott sich ausgesprochen. Der Sohn ist sein endgültiges Wort.
In feierlichen Aussagen stellt der Verfasser des Hebräerbriefes gleich in seinen ersten Versen den Sohn Gottes ins hellste Licht: Den Sohn hat Gott »eingesetzt zum Erben über alles: Durch den Sohn »hat er die Welt gemacht«. Durch den Sohn wird die Welt gehalten und getragen: »Alle Dinge trägt er mit seinem kräftigen Wort.«
Dass die Welt ist und dass die Welt besteht: Daran beteiligt Gott den Sohn. Alle seine Absichten, was er plant und tut, vollbringt Gott im Einklang mit ihm. Und auch die große Störung inmitten der Schöpfung, das Nein der Menschen zu Gottes Willen und Weg, überwindet der Sohn: »Er hat vollbracht die Reinigung von den Sünden.« Da klingt am Christtag der Karfreitag an. Der Gottessohn schafft Versöhnung, spricht sein Wort: »Es ist vollbracht!« Das kann nur einer, der mit höchster Autorität ausgestattet ist. Der die Herrlichkeit Gottes in sich trägt, der das liebende Wesen Gottes ausdrückt wie kein anderer neben ihm.
Diesem Sohn, der den Weg ganz in die Tiefe ging, wird dann auch die Ehre zuteil, erhöht zu werden: »Er hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.«
Der Platz zur Rechten Gottes zeigt die Bestimmung des Sohnes: Mit dem Vater zu regieren – und bereit zu sein, Gottes Werk zu vollenden.
Höher als die Engel: der SohnZuletzt kommt dem Sohn noch eine besondere Auszeichnung zu: Der Sohn ist erhabener als die Engel. »Er ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name.«
Liebe Gemeinde, was wäre das Weihnachtsfest ohne Engel? Der Engel sagt den Hirten, was in dieser Nacht geschehen ist. Der Chor der Engel singt Gott das Lob.
Das ist ihr Auftrag: dem Höchsten zu dienen, ihm das Lob zu singen. Aber die Engel sind nur Diener Gottes.
Im Lied »Ihr Kinderlein, kommet« heißt es ja: »Hoch droben schwebt jubelnd der Engelein Chor«. So passt es zum Blickwinkel des Heiligen Abends. Da staunen wir ja darüber, wie Gott als Kind in der Krippe ankommt. Am Heiligen Abend sind die Engel und ihr Jubel der höchste Ton im Lied.
Wenn wir heute mit dem Hebräerbrief das gleiche Geschehen von der anderen Seite aus in den Blick nehmen, sozusagen von der Krippe aus in die höchsten Höhen schauen, dann bemerken wir: Dort, zur Rechten Gottes, sind nicht die Engel. Dort ist Gottes Sohn. Und in diesem Sohn hat Gott zu uns geredet. So verkündet der Hebräerbrief das Weihnachtsevangelium, aus seinem Blickwinkel.
Der Sohn ist gekommen. Glanz von Gottes Glanz, Ebenbild seines Wesens, Weltschöpfer, Welt-Erhalter und Welt-Versöhner. In ihm hat Gott sein Jawort gesprochen.
Loben wir ihn, staunen wir über seine Wege, singen wir zur Ehre seines Namens! Amen.
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