2. Weihnachtsfeiertag (26. Dezember 2019)
Matthäus 1, 18-25
IntentionMit Joseph über Vaterschaft nachdenken und Vertrauen lernen.
1,18 Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist.
19 Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen.
20 Als er noch so dachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist.
21 Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.
22 Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14):
23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.
24 Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.
25 Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.
Eigenartig, liebe Gemeinde, wo uns die Geschichte der Geburt Jesu bei Matthäus hinführt. Nicht in den Stall nach Bethlehem, nicht zu den Hirten, nicht zu den himmlischen Heerscharen, nicht zu den Königen auch nicht zu Maria, wie wir es beinahe schon zu gewohnt sind, sondern in die Kammer eines jungen Handwerkers in dem Provinznest Nazareth.
Unscheinbar, doch wichtigJoseph steht im Mittelpunkt dieser Geschichte. Er steht oft nur am Rand bei allen Krippendarstellungen. Und auch sonst wissen wir nicht viel. Sobald Jesus öffentlich auftritt, wird er nicht mehr genannt, vielleicht ist er da schon verstorben. Unwichtig und unscheinbar scheint er, Aber grade der sonst Unscheinbare spielt eine wichtige Rolle in Gottes Heils-Geschichte. Seine Geschichte und Gottes Geschichte werden untrennbar miteinander verbunden. Auch und vor allem Unscheinbare gehören dazu, wenn Gott zur Welt kommt.
Sich lautlos davon stehlen?„Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen.“
Ich stelle mir vor, wie er sich in einer kleinen Kammer neben seiner Zimmermannswerkstatt auf sein Lager gelegt hat. Unruhig wird er gewesen sein. Verwirrt. Zornig auch. „So etwas gibt es doch nicht. Wie kann das sein.“ Maria, mit der er so gut wie verheiratet ist, ist schwanger, ohne dass er sie auch nur berührt hätte.
Hier schon finde ich mich wieder in diesem Joseph. Wie kann das sein? So frage auch ich, biologisch aufgeklärt. Eine Jungfrauengeburt kann ich so einfach nicht glauben. Muss ich das unbedingt glauben? Muss es denn unbedingt so sein, dass der Glaube den Verstand übersteigt?
Joseph hätte das Recht gehabt, sie bloßzustellen, sie steinigen zu lassen - die Maria, die Mutter des Glaubens. Das will Joseph nicht tun, so viel Anstand hat er. Aber entschlossen ist er, die Verbindung mit ihr zu lösen. Ohne großes Aufsehen will er die Maria entlassen und sich davonstehlen. Enttäuscht will er nichts mehr mit ihr zu tun haben.
Sich lautlos davon stehlen, das ist auch heutzutage nicht unbekannt. Manche verlassen einfach ihre Partnerschaften, ohne zu klären, was die Beweggründe sind.
Manche verlassen die Kirche oder den Glauben, - lautlos, ohne die Auseinandersetzung zu suchen, ohne sich Fragen zu stellen.
Die Sprache des Traums sagt mehr als naturwissenschaftliche BegrifflichkeitDer Plan Josephs, Maria zu verlassen, steht fest, und trotz der inneren Unruhe findet er doch in den Schlaf. Große Entscheidungen wollen überschlafen sein. Er träumt.
Ich finde es bezeichnend, dass Joseph zu träumen anfängt. Jeder, der träumt, weiß, wie wenig Träume mit der Realität und dem, was vor Augen ist, zu tun haben. Dinge geschehen da, irreale Dinge, wie sie im wirklichen Leben nicht zu finden sind. - Und doch sind Träume auf ihre Weise wahr. In ihrer Sprache erzählen sie, wie es um uns steht, was wir fühlen, was wir brauchen. Träume finden für uns ihre eigene Sprache für das, was vielleicht noch unsagbar ist.
Und der Traum scheint mir auch der Schlüssel zu der ganzen Geschichte um die Jungfrauengeburt zu sein. Sie überschreitet die Grenze zwischen real und irreal. Sie verleiht einer Tatsache Sprache und Bilder, die sonst unsagbar wäre, wo Begriffe des Verstandes zu kurz greifen. Der irreale und doch wahre Traum öffnet die Tür zum Geheimnis dieses Kindes. Begriffliche Sprache versagt, fasst es nicht. Eine Erzählung fasst mehr, ein Narrativ als sinnstiftende Erzählung erfasst auch Emotionen und tiefere Wahrheiten.
Vaterschaft annehmenEin Engel erscheint im Traum, ein Bote zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und der Welt.
(Erlauben Sie eine kurze Zwischenbemerkung: Man sollte nicht immer auf Engelerscheinungen in einer Beziehungskrise warten. Meist hilft ein Gespräch und eine klärende Auseinandersetzung viel besser. Aber hier geht es um mehr als um ein familiäres Problem, deshalb der Engel als Gottesbote.) Er sagt:
„Fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen. Was sie empfangen hat, das ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.“
Was bedeutet die Botschaft des Engels?
Joseph wird der Vater sein vor aller Welt. Wir Heutigen wissen: Vatersein hat nicht nur mit Zeugung und Genetik zu tun. Vatersein ist viel umfassender. Adoptivkinder fühlen sich als wirkliche Kinder der Familie, die sie aufgenommen hat. Sie werden von ihnen hineinbegleitet in die Welt. die Beziehung zu Vater und Mutter ist prägend, Menschen werden durch Sozialisation und Erziehung entscheidend geprägt. Auch wenn genetisch manches veranlagt ist und eine Neugier bliebt, wo komme ich her, so ist doch klar: Vatersein hat doch vor allem mit Beziehung zu tun, - mit Verantwortung und Vorbildsein, mit Treue und Liebe.
Das ist doch die eigentliche Aufgabe eines Vaters: da sein, ein verlässlicher Begleiter und hilfreicher Wegbereiter werden für das Kind. Es lieben, bejahen und in allem unterstützen.
„Vater unser…“An dieser Stelle wird die Diskussion, ob jetzt Gott selbst oder Joseph der biologische Vater Jesu ist, unwichtig. Jesus wird zu Gott sagen: „Abba, lieber Vater.“ Er tut es nicht, weil er Gott als biologischen Vater meint, sondern weil er eine so enge Beziehung zu ihm hat, weil er so eng verbunden ist mit ihm, wie Vater und Sohn es sind. Und woher weiß Jesus, was ein liebender und gütiger Vater ist? Doch wohl von niemand anderem als von Joseph. Joseph hat Jesus hineingenommen in seine jüdische Religion, die vom unbedingten Vertrauen in Gott lebt. Joseph muss Jesus ein positives Vaterbild vermittelt haben. So ein guter Vater muss der Joseph dem Jesus geworden sein, dass er später voll Vertrauen beten konnte „Vater unser im Himmel“.
Kinder gehen eigene Wege – Jesu BestimmungDass Kinder nur für kurze Zeit Eltern anvertraut sind, das wird dem Joseph schon vor der Geburt klar gemacht. Jesus wird nicht auf Dauer in die Zimmermannsfußtapfen seines irdischen Vaters steigen. Er wird eigene Wege gehen. Seine himmlische, göttliche Herkunft und Veranlagung weisen ihn in eine größere Familie, senden ihn zu allen Menschenkindern.
Joseph soll ihn Jesus nennen. Alle Welt soll wissen, wer in diesem Kind und später in diesem Rabbi Jesus zu sehen ist: „Gott hilft, Gott rettet!“, heißt das übersetzt. Oder anders ausgedrückt Immanuel. „Gott ist mit uns.“
Liebe Gemeinde,
das soll uns in alldem klar sein. In Jesus kommt Gott selbst zur Welt, zu uns zu ihrer Rettung. Die Josephserzählung will genau dies ausführen, das Wunder, dass Gottes Liebe uns Menschen annimmt. Gott wird Mensch, er rettet, er ist da für uns. Alle Menschen sollen es begreifen auch wir.
„Er wird sein Volk retten von ihren Sünden“, das heißt, Gott nimmt uns an, kommt uns entgegen, wo wir uns weg bewegt haben. Wo wir auf falschen oder verschlungenen Wegen gehen, kommt Gott uns nahe, in einem kleinen Kind. Das ist das eigentliche Wunder. Gott rettet, Gott ist mit uns.
Und Joseph? “Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.“
Er vertraut, er lässt sich ein auf diese besondere Frau, auf diesen eigenartigen Gott, auf dieses spezielle Kind, auf diese herausfordernde Partner- und Vaterschaft. Leben in Familienbeziehungen ist speziell, Leben in Verantwortung ist herausfordernd, Leben ist Wagnis. Aber Gott sagt es uns zu mit dieser Traumgeschichte, mit diesem Kind: Ich bin mit dir. Amen.
Predigt zum Herunterladen: Download starten (PDF-Format)