2. Sonntag nach Epiphanias (19. Januar 2025)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Anna Grapentin, Stuttgart [Anna.Grapentin@elkw.de]

Römer 12,9–16

IntentionDer Apostel Paulus ruft uns auf, als Christinnen und Christen zusammenzustehen. Dafür gibt er ganz praktische Tipps, an denen sich unsere jeweiligen Gaben orientieren können. Gottes Liebe bildet dabei die Quelle für unser Tun.

Care-Arbeit bei den KaiserpinguinenLiebe Gemeinde, wenn es um gleichberechtigte Care-Arbeit geht, sind Kaiserpinguine ganz vorne mit dabei. Sobald die Mutter das Ei gelegt hat, übergibt sie es an den Vater. Dieser rollt es vorsichtig auf seine Füße und stülpt eine Art Hautfalte darüber, damit es genug Wärme bekommt. Hin und wieder wendet er das Ei. Doch während der nächsten zwei Monate, bis das Ei fertig ausgebrütet ist, wird er nichts essen und sich nur wenig bewegen. Die Mutter kehrt währenddessen zurück ins Meer, um sich zu erholen und ausgiebig Fische zu verspeisen.
Damit der Vater in der Eiseskälte der Antarktis nicht erfriert, tut er sich mit den anderen Vätern zusammen. Sie bilden ein sogenanntes Huddle, also eine Art Vater-Kind-Gruppe. Dieses Huddle kann aus vielen hunderten Pinguinen bestehen. Sie stellen sich in einem Pulk ganz eng aneinander. In einem rotierenden System schaffen sie es, dass jeder während der Brutzeit genug Wärme abbekommt.
Der heutige Predigttext (Römer 12,9-16) erinnerte mich an dieses Bild der sich unterstützenden Gemeinschaft:

„Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an.
Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.
Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn.
Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.
Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft.
Segnet, die euch verfolgen; segnet, und verflucht sie nicht.
Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden.
Seid eines Sinnes untereinander. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch zu den niedrigen. Haltet euch nicht selbst für klug.“

Knapp an der Realität vorbei?Beim Hören des Textes stellt sich für mich schnell die Frage, ob Paulus sich mit seinen Forderungen an echte Menschen richtet. Auf den ersten Blick wirken seine Forderungen in unserer Realität, in unserem Alltag, doch wie blanker Hohn!
Der Text konfrontiert uns mit lauter Gegensätzen zu unserem Alltag: Gemeinschaft statt Individuum, Demut statt Hochmut, Bescheidenheit statt Größenwahn, Fürsorge statt Egoismus, Segnen statt Verfluchen. Wenn wir auf unsere Welt blicken mit all ihren Konflikten, Kriegen und auch ihrer Gier nach Macht, könnten wir die Zeilen aus Römer 12 leicht abtun.

Der Gemeinde-HuddleDoch Paulus hat mit seinen Forderungen eine bestimmte Gruppe im Blick. Er richtet sich mit seinen Forderungen ganz gezielt an die Kirchengemeinde in Rom. In Vers 10 schreibt er von der „brüderlichen Liebe“, heute als geschwisterliche Liebe zu verstehen. Es geht Paulus um die Christinnen und Christen, die sich in Rom versammeln und die sich als Gemeinschaft Jesu Christi begreifen. Es geht ihm um Gleichgesinnte. An dieser Stelle möchte ich das Bild des Huddles der Kaiserpinguinväter ins Spiel bringen. Mit seinen Zeilen aus Römer 12 sieht Paulus die Christinnen und Christen in Rom als ein Gemeinde-Huddle, das sich gegenseitig unterstützt und zusammenhält – gerade auch in rauen Zeiten. Unter diesem Gesichtspunkt können wir seine Forderungen auch als 14 Tipps für den Gemeindealltag verstehen. How to Gemeinde-Huddle sozusagen! Die Tipps des Paulus sind auch heute für uns als Kirchengemeinden von großer Bedeutung.

Gottes Liebe als QuelleDie wichtigste Voraussetzung für die Forderungen des Paulus ist die Erkenntnis, dass Gott uns liebt. Wenn wir dies wirklich glauben, auch für uns persönlich, und so annehmen, dann tut sich in uns eine Quelle dieser Liebe auf, aus der wir in unserem Alltag schöpfen können. So sprudelt im besten Fall auch eine „Liebe ohne Falsch“ aus uns heraus, wie es am Beginn des Textes heißt. Damit diese Liebe aber auch in Gottes Sinn sprudelt, hat er uns im Heiligen Geist einen Joker gegeben, der uns in unserem Tun unterstützen und leiten kann. Unser Handeln ist begleitet, ja motiviert von Gottes Liebe.

Gabenorientiertes GemeindelebenUnmittelbar vor dem Predigttext stehen die berühmten Zeilen des Paulus zur Gemeinde als ein Leib mit vielen Gliedern. Ihm geht es darum, dass wir uns unserer Talente und Gaben klar werden, bevor wir sie zu unserer Auf-Gabe machen. Jedes Gemeindeglied hat seine eigenen Stärken, die es im Alltag einbringen kann. So liegt es der einen vielleicht näher, andere mit in ihr Gebet einzuschließen. Der andere liebt es, gastfreundlich zu sein und andere zu bewirten. Noch eine andere vermag es, sich einfühlsam mit Trauernden zu befassen. Wir alle haben Gaben, die wir beherzt und ausgewählt im christlichen Miteinander, im Gemeinde-Huddle einbringen können. Aus Sicht des Paulus ist es wichtig, die eigene Rolle in der Gemeinde daraufhin immer wieder zu prüfen und zu schauen, ob die persönlichen Gaben an der passenden Stelle eingesetzt werden. Klingt alles ziemlich ideal, oder?

Paulus weiß um unsere menschlichen SchwächenFast schon entlastend ist, dass Paulus um die Schwächen von uns Menschen weiß. Das Schneller-höher-Weiter unserer Gesellschaft scheint es auch schon zu damaligen Zeiten gegeben zu haben. Dem setzt Paulus klare Zeilen entgegen, indem er schreibt: „Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch zu den niedrigen. Haltet euch nicht selbst für klug.“ Er ruft uns hier zur Rückbesinnung auf die Liebe Gottes auf. Wenn wir in dieser Liebe auch Gottes Gnade gegenüber uns Menschen erkennen, wird schnell deutlich, dass Gott Gott ist und wir seine Menschen. Aus dieser Erkenntnis heraus sollten wir als Christinnen und Christen handeln. Dabei ist der Heilige Geist stets als Joker Gottes in uns und mit uns.

Gemeinschaftsgefühl wie die KaiserpinguineWenn wir uns als Christinnen und Christen immer wieder neu bemühen, unsere Gaben füreinander einzusetzen, dann kann im besten Fall ein Gefühl entstehen, das vielleicht auch die Kaiserpinguin-Väter in ihrem Huddle in sich tragen: eines der Zusammengehörigkeit und der Geborgenheit.
Die Pinguine schaffen in ihrem Huddle durch ihre Nähe und permanente Bewegung eine Temperatur von bis zu 20 Grad Celsius. Wenn man bedenkt, dass in der Antarktis um diese Zeit mit bis zu -30 Grad Celsius zu rechnen ist, ist das wirklich beachtlich. Die Pinguine erzeugen gemeinsam Wärme.
Was für ein schönes Bild für den Gemeinde-Huddle! Auch als Christinnen und Christen können wir es schaffen, dass bei uns Wärme und Nähe zu spüren sind.
Inspirierend am Pinguin-Huddle ist auch, dass es kein Außen und Innen gibt, weil ohnehin alles in Bewegung bleibt. Es gibt auch keine älteren und neueren Mitglieder. Keine, die schon immer dabei waren.
Auch für eine Gemeinde und ihr Miteinander ist das ein wichtiges Thema. Die geschwisterliche Liebe begegnet sich auf Augenhöhe. Sie zeichnet sich durch Ehrerbietung aus und gibt auch neuen Mitgliedern die Chance, dabei zu sein.

Zu Beginn dieses neuen Jahres können die 14 Tipps des Paulus vielleicht für die eine oder den anderen mit zu den guten Vorsätzen zählen. Sie können Motivation sein für uns als Kirchengemeinde und darüber hinaus. Über all unserem Tun kann dabei der ermutigende Tipp des Paulus stehen: „Seid fröhlich in Hoffnung.“

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


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