18. Sonntag nach Trinitatis (29. September 2024)
1. Petrus 4,7-11
IntentionAngesichts der Erfahrung von Endlichkeit und Vergänglichkeit sucht die Predigt nach Ziel und Sinn des Lebens. Sie orientiert sich dabei dicht am Predigttext und versucht erfüllendes Leben mit lebenspraktischen Anregungen zu beantworten.
PredigttextEs ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen habt untereinander beharrliche Liebe; denn »Liebe deckt der Sünden Menge zu«. Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: Wenn jemand redet, rede er’s als Gottes Wort; wenn jemand dient, tue er’s aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Ihm sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Das Ende ist naheDer Apostel warnt seine Gemeinde. Er macht sie aufmerksam: Achtung, das Ende ist nahe! Heute klingt das in unseren Ohren sektiererisch. Wie oft wurde das Weltende schon beschworen, und doch ist es bisher nicht eingetroffen. Immer wieder hat man versucht, das Weltende zu berechnen. Astronomen sagen, dass das Ende der Erde erst in 1 bis 3 Milliarden Jahren sein wird. Insofern kann man beruhigt sein.
Viel früher wirkt eine andere Tatsache: Unser Leben ist endlich. Immer wieder bekommen Menschen Diagnosen wie: „Du hast eine Krankheit, die nicht heilbar ist. Stell dich darauf ein, dass du früher stirbst als erwartet.“ Und manchmal gibt es Unglücke und Katastrophen, die aus heiterem Himmel hereinbrechen und einfach so ein Ende setzen.
„Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens“ – heißt es in einem Spruch. Und ich merke, wie ich das selbst verdränge und von mir wegschieben will. Manchmal wird es mir aber auch bewusst. Und es gilt sogar für unsere beiden Täuflinge heute. Wir freuen uns mit ihnen am Leben und begleiten sie. Aber sie und wir alle sind sterbliche Menschen.
Raum für große FragenDamit gut umzugehen, sind wir ja heute auch in der Kirche. Hier ist der Raum, um große Fragen zu bedenken. In Gottes Ewigkeit wissen wir uns mit unserer Endlichkeit geborgen und gehalten. Fragen wie: Wozu lebe ich und was würde ich tun, wenn ich nur noch kurze Zeit zu leben hätte?
Bevor wir auf die Antwort unseres heutigen Predigttextes hören, bitte ich Sie, da mal kurz selbst nachzudenken: Wozu lebe ich? Und was würde ich tun, wenn ich nur noch kurze Zeit zu leben hätte? [Moment der Stille]
Wozu lebe ich?Ganz zum Schluss sagt der Apostel: Lebe so, dass „in allen Dingen Gott gepriesen werde“. Mein Leben soll Gott preisen, soll ihn aufscheinen lassen. Bei unseren Taufkindern geschieht das ja von selbst. Wir sehen sie und freuen uns, dass sie da sind. Wir freuen uns am Leben, und darin preisen wir ganz selbstverständlich Gott, spiegeln seine Herrlichkeit, seine Lebensfreude wider.
Mir gefällt die Formulierung des Familiensegens zur Taufe. Gott segne die Eltern und Paten, gebe ihnen Liebe und Kraft für ihre Kinder „dass sie aufwachsen euch zur Freude, den Menschen zum Segen und Gott zur Ehre“. Letzteres erinnert mich an den Komponisten Johann Sebastian Bach: Er hat unter jedes seiner großartigen Musikstücke geschrieben „Soli Deo Gloria“, allein Gott zur Ehre. Mit seiner Musik macht er bis heute vielen Menschen Freude.
Ich finde das ein sehr gutes Lebensmotto: „den Menschen zum Segen und Gott zur Ehre“. Möge mein Leben so sein, dass dies irgendwie gelingt. Dann könnte es ein erfülltes Leben sein. Auch wenn es – wer weiß – früher oder später einmal zu Ende geht.
Wenn ich nur noch wenig Zeit hätteUnd jetzt zur Frage: Was würde ich tun, wenn ich nur noch kurze Zeit zu leben hätte?
Erinnern Sie sich noch an Ihre Gedanken dazu? Da wäre ein Austausch sicherlich sehr anregend. Er muss nicht hier und jetzt im Gottesdienst vor vielen Menschen stattfinden.
Der Apostel antwortet mit vier ganz konkreten Vorschlägen.
Besonnen und nüchtern zum GebetDer erste lautet: Das Ende ist nahe. „Seid besonnen und nüchtern zum Gebet.“
Ich höre daraus: Bleib besonnen. Verfall nicht in hektische Geschäftigkeit. Schalte deinen Kopf ein. Frag dich zwischendurch: Was ist jetzt dran? Tu das, was dir hilft, ausgewogen zu sein. Tu es im Gebet. Beten hilft, Abstand zu gewinnen von sich selbst. Beten hilft, sich zurückzuziehen von den Umtrieben und Anforderungen um dich herum. Die Beziehung zu Gott im Gebet hilft nüchtern zu blieben und schützt vor Sucht und Drogen. Beten schließt dich an die Kraftquelle schlechthin an: an Gott, Ursprung und Quelle, Ziel unseres Lebens. „Seid besonnen und nüchtern zum Gebet.“
Beharrliche Liebe untereinanderDer zweite Vorschlag: Das Ende ist nahe. „Habt beharrliche Liebe untereinander, denn ‚Liebe deckt der Sünden Menge zu‘.“
Bei „beharrlicher Liebe“ denke ich an eine Frau, die ihren Mann in Krankheit und Sterben begleitet hat. Ihr Mann hatte die Krebsdiagnose bekommen. ‚In guten wie in schweren Zeiten‘ – hatten sie einander versprochen. Viele schöne Zeiten hatten sie gehabt. Jetzt waren die schweren Zeiten dran. Sie haben Kraft gekostet. Aber das Schwere jetzt zu teilen hat auch auf ganz andere Weise Nähe ermöglicht und erfüllt.
„Liebe deckt die Menge der Sünden zu.“ Das meint nicht, Liebe kehrt alles unter den Teppich. Aber sie überwindet Gräben und Trennungen. Liebe hält aus und sucht.
Vor einiger Zeit habe ich gehört: »Liebe ist ein Tun-Wort“ (Lucie Panzer Neujahrspredigt 2024), Liebe ist nicht nur Gefühl; sie verwirklicht sich im Handeln. Und Liebe ist das Wesen Gottes, ist Gott selbst. Wenn wir lieben, dann stimmt es, dann sind wir erfüllt. Dann leuchten wir Gott zur Ehre, den Menschen zum Segen.
Gastfreundschaft pflegenDritter Vorschlag: „Seid gastfrei untereinander ohne Murren.“ Gastfreundschaft geben und genießen erfüllt. Wie gerne erinnere ich mich an die Einladung einer Mitarbeiterin in ihren Garten. Wir wollten etwas besprechen, aber sie hatte Freude daran, uns Gutes zu tun. Der Tisch war gedeckt. Getränke standen bereit, Essen war vorbereitet. Der Grill wurde angefeuert. Andere haben auch etwas mitgebracht. Wir haben es genossen. Und die Planungen liefen wie von selbst.
Immer wieder erlebe ich solche Gastfreundschaft. Im Hebräerbrief heißt es dazu (13,2): „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“
Heute am Gedenktag des Erzengels Michael und aller Engel will ich doch daran erinnern, dass Engel sichtbar und unsichtbar unterwegs sind. Unterwegssein gehört zum Leben dazu – und wir wissen nie, ob jemand, der uns gerade begegnet, vielleicht einen Platz bei uns sucht, ein Engel sein könnte.
„In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen“, „Du bereitest vor mir einen Tisch“, „kommt her, denn es ist alles bereit“: Zahllos sind die Bibelstellen, die darauf hinweisen, dass Gott selbst gerne gastfrei ist. „Seid gastfrei untereinander ohne Murren.“
Dient einanderVierter Vorschlag des Apostels: „Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.“ Wir alle haben etwas einzubringen in unser Miteinander. Denn jeder und jede ist begabt. Gott sei Dank ganz unterschiedlich. Welche gute Gabe hat Gott in Sie hineingelegt? Oft sind es auch mehrere. Kommen Ihre Gaben genug zur Entfaltung? Jede und jeder kann etwas einbringen. Das macht Gemeinde, Kirche Jesu aus.
Heute verabschieden wir eine Mitarbeiterin unserer Diakoniestation nach über 40 Jahren Dienst in den Ruhestand. Wie vielen Menschen ist sie zum Segen geworden! Sie hat sich ihnen zugewandt. Hat sie gepflegt, gewickelt, gesäubert. Sie hat mit anderen überlegt, wie die Situation gebessert werden kann. Sie hat ihre Gabe eingebracht – ihre Gabe der Wahrnehmung und Hinwendung und auch ihre Gabe der Beharrlichkeit gegenüber Kassen und Ärzten. Ich kann nur danken für die über so lange Zeit eingebrachte Gabe der Hilfsbereitschaft. „Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.“
Kurz und knappLiebe Gemeinde, ich fasse nochmals zusammen:
Das Ende ist nahe. Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens und morgen auch wieder.
Erfüllendes Leben sammelt Kraft und Orientierung im Gebet.
Erfüllendes Leben verwirklicht sich in der Liebe.
Erfüllendes Leben freut sich an der Gastfreundschaft.
Erfüllendes Leben lebt davon, dass ein jeder seine Gabe in die Gemeinschaft einbringt.
Dies führt dazu, sinnvoll und erfüllt zu leben, den Menschen zum Segen und Gott zur Ehre.
Amen.
Predigt zum Herunterladen: Download starten (PDF-Format)