18. Sonntag nach Trinitatis (20. Oktober 2019)
Jakobus 2, 14-26
IntentionDer Predigttext mahnt Taten an. In der Diskussion um den Klimaschutz ist das eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Das soll die Predigt an aktuellen Beispielen klar machen.
Tatenlos in den AbgrundEs muss etwas passieren. Jetzt. Schnell. Grundlegend. Nach Jahrzehnten des Zuschauens und Wegschauens, nach Studien und Forschungsprojekten, nach mühsamem Ver- und Aushandeln und nach vielen wohlfeilen Worten und Verlautbarungen und gepflegtem Nichtstun muss etwas passieren. Dinglich werden. Tun ist angesagt. Nach den Sonntagsreden und den Ausreden und dem Schönreden ist es Zeit zu handeln. Aus dem einsamen Plakat „Skolsrtrejk för Klimatet“ vor dem schwedischen Parlament ist ein Meer von Bannern geworden: „Das ist unsere Zukunft, die ihr verbrennt!“ „Freie Fahrt für freie Bürger.“ „Freier Konsumrausch für freie Bürger – Wer zahlt den Preis?“ „Ihr sägt den Ast ab, auf dem wir sitzen.“ „March now or swim later.“ „There is no PLANet B.“ Und nicht zuletzt: „Eure Klimapolitik tötet.“
Viele sagen: Ja ich bin dafür. Bloß: Kosten darf es nichts. Verzichten ist nicht gefragt. Wirklich was tun – echt jetzt – ist nicht angesagt. Weder politisch noch persönlich. Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass. Ein bisschen Anstrich in Grün muss genügen. Die wirklich schweren Brocken bleiben liegen.
Nichtstun lässt Arme im Regen stehen
„Wir wissen die Welle des Mitgefühls zu schätzen, wenn die Philippinen von Taifunen o.ä. getroffen werden“, sagt Theresa Nera-Lauron eine philippinische Klimaexpertin. „Aber Anteilnahme allein reicht nicht mehr aus. Wir brauchen echte internationale Solidarität, die Anerkennung der Verantwortung des Nordens für den Klimawandel und die Unterstützung der Ärmsten und Verletzlichsten bei der Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verlusten. Wir erleben fast jährlich extreme Wetterereignisse. Millionen Menschen, gerade die besonders verwundbaren, verlieren ihr Zuhause, ihre Lebensgrundlage und Infrastruktur, sind von Armut bedroht.“ Aufgrund von Wetterextremen verloren zwischen 1992 und 2012 fast 600.000 Menschen ihr Leben.
Jakobus 2,14-26 (Luther 2017)
14 Was hilft's, Brüder und Schwestern, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen?
15 Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und Mangel hat an täglicher Nahrung
16 und jemand unter euch spricht zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch! ihr gebt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was hilft ihnen das?
17 So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.
18 Aber es könnte jemand sagen: Du hast Glauben, und ich habe Werke. Zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, so will ich dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken.
19 Du glaubst, dass nur einer Gott ist? Du tust recht daran; die Teufel glauben's auch und zittern.
20 Willst du nun einsehen, du törichter Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist?
21 Ist nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerecht geworden, als er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte?
22 Da siehst du, dass der Glaube zusammengewirkt hat mit seinen Werken, und durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden.
23 So ist die Schrift erfüllt, die da spricht (1. Mose 15,6): »Abraham hat Gott geglaubt und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden«, und er wurde »ein Freund Gottes« genannt (Jesaja 41,8).
24 So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein.
25 Desgleichen die Hure Rahab: Ist sie nicht durch Werke gerecht geworden, als sie die Boten aufnahm und sie auf einem andern Weg hinausließ?
26 Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.
Raus aus der Komfortzone IAbraham hat sich in Bewegung gesetzt. Hat sich bewegt bei dieser äußersten Erprobung seines Lebens heraus aus der Komfortzone des auf ewig Gesegneten – und ist gewachsen. Rahab war nicht länger eine Hure und weiter nichts. Jetzt war sie die Retterin von Menschen. Handelnd erwächst aus dem Vertrauen im Vertrauen neues Vertrauen. So wächst der Glaube statt nachlässig und selbstgenügsam immer kleiner zu werden und schließlich ganz zu verkümmern. Glauben und Tun gehören zusammen. Glaube, der sich als selbstverständliche Eintrittskarte ins Reich Gottes versteht, kann sterben an mangelnder Umsetzung, an Überheblichkeit, an Bequemlichkeit, an der Gleichgültigkeit gegenüber den Brüdern und Schwestern.
TomorrowMalik Yakini, ein ehemaliger Schulleiter, hat nicht zugesehen, sondern Hand angelegt. In der heruntergekommenen Autostadt Detroit hat er ein Landwirtschaftsprojekt ins Leben gerufen. Auf den „D-Town Farms“ arbeiten junge Schwarze, die vorher arbeitslos auf der Straße herumhingen. „Es klingt romantisch, sein Essen selbst anzubauen“, sagt Malik Yakini, „aber es ist harte Arbeit.“
Mary Clear und Pam Warhurst haben in Todmorden in England „Incredible Edible“ (unglaublich essbar) ins Leben gerufen. Die beiden hatten das gemeinsame Ziel, Todmorden zur ersten Stadt im Vereinigten Königreich zu machen, die vollständig unabhängig in der Lebensmittelversorgung ist. Inzwischen wachsen frische Kräuter, saftiges grünes Gemüse und leckeres Obst in der Stadt neben städtischen Gebäuden, Schulhöfen, Supermarkt-Parkplätzen und verschiedenen anderen Plätzen. Kleingärten, Blumenbeete und sogar kleine Streifen mit Erde in diesen Gegenden sind üppig gefüllt mit frischem Obst und Gemüse, das zu jeder Zeit für jeden frei erhältlich ist, der sie möchte.
Als „Nebeneffekt“ ist das soziale Miteinander in der Stadt besser geworden, und es gibt weniger Kriminalität.
Der Stadtplaner Jan Gehl gibt Städte zurück an die Fußgänger und Fahrradfahrer. Die Recology Genossenschaft sorgt in San Francisco dafür, dass 80 Prozent der Abfälle wiederverwendet, kompostiert und recycelt werden. Vandana Shiva sammelt und sichert seit 30 Jahren regionale traditionelle Sorten, um sie vor dem Aussterben zu bewahren, biologische Anbaumethoden zu fördern, die Bauern vor Abhängigkeit von patentiertem Saatgut oder Hybridsamen zu schützen, die Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen und lokale Märkte zu stärken.
In ihrem Dokumentarfilm „Tomorrow. Die Welt ist voller Lösungen“ haben sich Mélanie Laurent und der französische Aktivist Cyril Dion aufgemacht zu Initiativen weltweit, zu Menschen, die sich zum Handeln entschließen, Menschen die anders handeln. Was sie auf ihrer Reise um die Welt gefunden haben, sind Antworten auf die dringendsten Fragen unserer Zeit. Und die Gewissheit, dass es eine andere Geschichte für unsere Zukunft geben kann. Und sie sind überzeugt: Jede und jeder kann an seinem Ort, in der Gemeinschaft mit anderen zu einem weltweit nachhaltigen Lebensstil beitragen.
Lebendiger tätiger GlaubeMich auf die Welt einlassen, aktiv werden, etwas tun. Selbstwirksamkeit ist lebenswichtig für einen jeden Menschen. Beherztes Tun birgt das Moment der Freude im Einswerden mit dem, was ich tue, im Einswerden von glauben und tun.
Glaube nimmt leibhaftig Gestalt an, zeigt sich, dringt nach außen – es gehört zu seinem Wesen, dass er sich ver-äußert. In der leibhaftigen Gestaltung atmet sich mein Glaube in mein Leben hinein. Leibhaftigkeit, Verwirklichung in Geschichte, in Raum und Zeit sind der lebendige Atem des Glaubens. Wenn der Glaube sich äußert, ist das nicht nur Folge, sondern auch Entfaltung. Im Tun ent-decke ich die Kraft des Glaubens. Im Tun entfalten sich neue Hoffnungsräume auf das Reich Gottes hin, das schon jetzt Wirklichkeit werden will. Jedes aus Glauben erwachsene Tun verändert mich und auch meinen Glauben selbst, lässt mich wachsen, lässt mich neu hoffen.
Es ist nicht das Mädchen aus Schweden, das vor der Weltöffentlichkeit in New York spricht. Aus dem Jakobusbrief spricht das christliche Wissen um Barmherzigkeit und Gerechtigkeit den nahen und fernen Schwestern und Brüder gegenüber. Das Wissen um Gottes Liebe, findet sich nicht ab mit der Spaltung in Glauben und Unterlassen des Not-wendigen.
Raus aus der Komfortzone IIEin umweltverträglicher Lebensstil in den Grenzen unseres Planeten fordert von uns den Streik gegen uns selber. Fordert unser Einverständnis in einschneidende politische und persönliche Veränderungen, das Verlassen der Komfortzone. Machen wir uns nichts vor: ohne Verzicht wird es nicht funktionieren. Das wird unbequem. Und das ist eine Zumutung. Ja, Mut braucht es zu entschlossenen Schritten.
Drum lasst uns als Christinnen und Christen aufbrechen mit der Freude gelebten Glaubens in Herz und Händen, mit Gottes lebendigem Wort von Liebe, Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit für die Armen im Ohr, mit dem Beispiel von Glaubensvätern und Glaubensmüttern vor Augen und mit der mutmachenden, lebendigen Kraft der christlichen Auferstehungshoffnung im Rücken. Und im Vertrauen, Gott geht mit.
Amen.
Wichtige Anregungen für diese Predigt sind entnommen aus:
Krüger, René: Der Jakobusbrief als prophetische Kritik der Reichen, LIT Verlag Münster, 2005;
Puttkammer, Detlef: Glaube hat Früchte (Texte zur Bibel 6) Neukirchen-Vluyn, Aussaat-und Schriftenmissionsverlag, 1990.
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