17. Sonntag nach Trinitatis (18. September 2016)
Römer 10, 9-18
Die Worte des Apostels Paulus, liebe Gemeinde, stellen uns heute vor Gewissensfragen. Ist unser Glaube an den dreieinigen Gott echt, oder sind wir bloß aus religiöser Gewohnheit in die Kirche gekommen? Und: Sprechen wir das Glaubensbekenntnis nur im Gottesdienst, oder bekennen wir uns auch außerhalb der Kirche zu Gott? Möglicherweise sind wir im Glauben müde geworden. Und wahrscheinlich fällt es uns schwer, über Gott zu reden. Das soll aber nicht so bleiben. Das heutige Predigtwort will uns zu Glauben und Bekennen motivieren.
Das mündliche BekenntnisÜberlegen wir zunächst, was es mit dem Bekennen auf sich hat. Paulus schreibt: "wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet" (V. 10b). Das klingt sehr einfach. Kann es wirklich sein, dass sich mir nach dem Aufsagen des Glaubensbekenntnisses das Tor zum Himmel öffnet? Reicht das Sprechen vorgegebener Worte aus, um die ewige Seligkeit zu erlangen? – So simpel ist das nicht. Denn Paulus lobt nicht einen rein äußerlichen Sprechakt. Es geht um mehr.
Zur Zeit der Alten Kirche gelangte in der Stadt Antiochia ein Papagei zu besonderer Berühmtheit. Der wundersame Vogel saß auf dem Marktplatz und trug mit krächzender Stimme das Bekenntnis zum dreimal heiligen Gott vor. War der antiochenische Papagei damit ein Bekenner des Glaubens? Eberhard Jüngel, der von dieser Geschichte berichtet, bezweifelt dies: "Denn was der Bekenntnispapagei aufzusagen hat, ist eben ein Papageienbekenntnis, mehr nicht. Der Papagei hat etwas aufzusagen; aber er hat nichts zu sagen."
Dass der Papagei öffentlich spricht, ist seinen Bekenntnisworten zwar angemessen. Aber was er da vor sich hinplappert, sind Worte aus der Vergangenheit ohne einen erkennbaren Gegenwartsbezug. Denn das Bekenntnis des Papageis macht weder ihn selbst zum rechten Bekenner noch seine Hörer zu rechten Christen. Das Bekenntnis kann er zwar überliefern, aber bekennen kann er nicht. Denn er kann, wenn er eine Entscheidung zu treffen hätte, kein Bekenntnis bilden. Es ist nichts als eine Worthülse.
Ganz anders steht es mit uns. Wir im Mutterland der Reformation sind des Bekennens müde geworden. Unser Glaube richtet sich oft nur noch auf das aus, was wir persönlich als richtig ansehen. Vielen reicht der Satz aus: "Ich glaub‘ schon." Und dabei bleibt im Trüben, was christlich ist. Wir verstummen nach und nach, nicht allein aus Absicht, sondern mehr noch aus Verlegenheit. Und wir delegieren das Reden über den Glauben an Spezialisten. Das ist keine gute Entwicklung. Denn es erhält doch gerade der Mensch, dem das Bekenntnis über die Lippen kommt, die Zusage des Heils.
Der herzliche GlaubeNeben den Satz über das mündliche Bekenntnis hat der Apostel Paulus ein Wort über den herzlichen Glauben gestellt: "Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht" (V. 10a). Ist schon das biologische Herz ein Organ, von dem ganz entscheidend das Leben des Menschen abhängt, so gilt dies auch für das glaubende Herz. Die Vitalität des Christenmenschen ist wesentlich dadurch bestimmt, dass das Herz des Glaubens regelmäßig schlägt.
Es gab in Württemberg früher Kirchengemeinden, die bekannt dafür waren, dass der von Herzen kommende Glaube besonders geschätzt wurde. Genannt wurden immer wieder Hülben und Korntal, Gomaringen und Laichingen. Der Pulsschlag des Glaubensherzens hat heute leider auch bei diesen Gemeinden nachgelassen. Die persönliche Andacht am Morgen, das regelmäßige Gebet in den Häusern und das gemeinsame Singen zum Lobe Gottes sind im Schwinden begriffen. Die Vermittlung des Glaubens an die nachfolgende Generation stockt.
Umgekehrt hämmern uns die Angebote dieser Welt durch steten Medienkonsum ein, was wir angeblich dringend zum Leben benötigen. Wir lassen uns von der Werbung vorgaukeln, dass in der Gesellschaft nur junge und schöne Menschen zählen. Und die Worte von Obama, Putin und Merkel erscheinen uns gewichtiger als das, was Gott uns durch sein Wort sagt. Darüber vergessen wir, wie reich Gott uns beschenkt hat. Dabei erhält doch gerade der Mensch, bei dem der Glaube im Zentrum des Lebens steht, die Zusage des Heils.
Der Weg zum GlaubenWie aber kommt man zu diesem Glauben? Die Frage nach der erfolgreichsten Methode, einen Menschen zum Glauben zu führen, ist immer wieder bedacht worden. Und dazu gibt es viele gute Ratschläge. Leider konzentrieren sich diese Ratschläge nur zu oft auf das, was wir Menschen zu tun hätten.
Paulus hingegen setzt beim "Wort Christi" an. Zum echten Glauben kommt es durch das Evangelium von Jesus Christus. Das ist der Urgrund des Glaubens und Inhalt der apostolischen Predigt. Die dem Evangelium verpflichteten Boten werden ausgesandt zu predigen. Wo diese Predigt gehört wird, entsteht der Glaube. Und er äußert sich in der Anrufung des lebendigen Gottes. Wer also mit diesem Gott und Herrn in Verbindung tritt, wird mit dem Heil beschenkt.
Auch wenn Menschen an diesem Weg zum Glauben beteiligt sind, denkt Paulus doch keineswegs an eine vom Menschen zu erfüllende Bedingung. Wenn denn das stimmt, dass wir Menschen in Sünde und Schuld verstrickt sind, dann können wir gar nicht glauben. Dann muss sich die Kraft des Evangeliums an uns erweisen. Das Evangelium befreit uns und stellt uns in die Verbindung zu Gott. So geht es zu, wenn der Glaube im Herzen verankert wird.
Der Inhalt des GlaubensWir sollten dabei freilich nicht übersehen, dass der christliche Glaube einen konkreten Inhalt hat. Wir tun oft so, als seien die Programme und Projekte das Entscheidende in unserer Kirche. Und unsere Gemeinden messen wir nicht selten daran, ob es in ihnen besonders lebendig oder überzeugend offen zugeht. Im Konfirmandenunterricht ist uns ein Wellness-Programm für die Jugendlichen häufig wichtiger als die Vermittlung konkreter Glaubensinhalte.
Die Frage des Paulus ist dringlich: "Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben?" (V. 14b). In Predigt, Seelsorge und Unterricht haben diejenigen, die dazu berufen sind, Person und Werk des dreieinigen Gottes zu verkündigen. Sie dürfen daran mitwirken, dass der Glaube zu den Menschen kommt. Nicht immer werden Menschen unter der Verkündigung des Evangeliums zum Glauben finden. Es bleibt das Rätsel der Verstockung. Aber immer wieder geschieht das Wunder, dass der Glaube geweckt und gestärkt wird.
Nach Ausweis unseres Predigtwortes hat der Glaube einen konkreten Inhalt. Zum einen ist er darauf gerichtet, dass Gott den gekreuzigten Jesus vom Tod auferweckt hat. Zum anderen stimmt er in das älteste urchristliche Bekenntnis ein: Jesus ist der Herr und gehört als solcher auf die Seite Gottes. Beides ist nach Paulus wesentlicher Inhalt der dem Evangelium verpflichteten Predigt.
Rechtfertigung und RettungDem herzlichen Glauben und dem mündlichen Bekennen wird Gottes Heil zugesagt: Wer mit dem Munde bekennt und von Herzen glaubt, erfährt Rechtfertigung und Rettung (V. 10). Der Glaube ist der Weg, auf dem wir in Sünde und Schuld verstrickten Menschen frei und vor Gott gerecht werden. Und das Bekenntnis ist die Weise, auf die wir in unserer Selbstbezogenheit verlorenen Menschen gerettet und mit Gott verbunden werden. Glauben und Bekennen eröffnen uns grundlegend neue Dimensionen des Lebens und geben uns Anteil an Gottes heilvoller Zuwendung.
Ich komme zum Schluss. In Hinsicht auf den Glauben hat Philipp Melanchthon drei Momente unterschieden: die Erkenntnis (notitia), die Zustimmung (assensus) und das Vertrauen (fiducia). Von allen drei Momenten haben wir heute gehört. Es ist zunächst für uns wichtig zu wissen, woran wir und was wir glauben. Sodann sind wir herausgefordert, dass wir uns zu dem, was wir wissen, bekennen, dass wir dem zustimmen. Und schließlich verdient das, was wir wissen und dem wir zugestimmt haben, das Vertrauen im praktischen Lebensvollzug. Solchen Glauben schenke uns der dreieinige Gott. Denn diesem Glauben ist das ewige Heil zugesagt. Amen.
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