15. Sonntag nach Trinitatis (17. September 2023)
1. Mose 15,1-6
IntentionEnttäuschte Erwartungen machen hoffnungslos. Das Leben erscheint ohne Zukunft und Sinn. Aber Gott ist ein Gott der Hoffnung. Die Predigt zeigt in vier Schritten, wie es Menschen gelingt, an ihrer Hoffnung festzuhalten und mit Gottvertrauen zu leben.
Liebe Gemeinde, „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren“, so lautet ein altes Sprichwort. Das stimmt manchmal. Aber ich halte trotzdem dagegen und sage: „Hoffen und Harren vergessen nur Narren.“
Natürlich gibt es enttäuschte Hoffnungen. Besonders schwierig ist es, wenn Gott uns enttäuscht. „Warum greift Gott in meiner Lage nicht ein? Warum heilt er einen Menschen nicht? Ich habe mich doch so auf ihn verlassen.“
Solche enttäuschten Hoffnungen machen es schwer, das Vertrauen zu Gott zu bewahren.
ABER wie sollen wir ohne Hoffnungen leben? Es ist darum wunderbar, dass die Bibel Gott als Gott der Hoffnung bezeichnet. Ja, Gott ist eine Quelle der Hoffnung! Er ist voller Phantasie und Energie und ruht nicht, uns neue Wege zu eröffnen. Und er tut alles, damit wir enttäuschte Hoffnungen verkraften.
Darum vertrauen wir auf den Gott der Hoffnung. Darum können wir mit enttäuschten Hoffnungen leben, weil Gott uns darin begleitet und weil er uns neue Hoffnung eröffnet. Darum: „Auf Gott hoffen und harren, vergessen nur Narren!“
Der Weg dahin kann allerdings schwierig sein. Das erzählt die Bibel von Abraham und Sara.
Ich lese 1. Mose 15, 1-6:
„Nach diesen Geschichten begab sich’s, dass zu Abram das Wort des HERRN kam in einer Erscheinung: Fürchte dich nicht, Abram!
Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn. Abram sprach aber: Herr HERR, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder und mein Knecht Eliëser von Damaskus wird mein Haus besitzen. Und Abram sprach: Mir hast du keine Nachkommen gegeben; und siehe, einer aus meinem Haus wird mein Erbe sein. Und siehe, der HERR sprach zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein. Und er hieß ihn hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!
Abram glaubte dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.“
Abraham und Sara wünschten sich so sehr ein Kind. Gott hatte ihnen das versprochen. Aber dieses Kind blieb aus. Das Warten hat beide zermürbt: „So haben wir keine Zukunft“, sagten sie immer wieder.
1) Eine von Gott enttäuschte Hoffnung macht das Glauben schwer. Da kommen Fragen auf. Es ist gut, dass Abraham all das nicht einfach geschluckt hat. Er hat es vor Gott ausgesprochen. Er hat Gott gefragt: „Gott, ich werde kinderlos sterben. Was kann ich wirklich von dir erwarten?“
Abraham macht Gott Vorwürfe. Aber er wendet sich nicht von Gott ab. Er sagt ihm, wie sehr ihn das alles schmerzt. So lesen wir es auch in vielen Klagepsalmen, in denen Menschen im Gebet ihre Klagen und Fragen vor Gott tragen.
Damit erhalten sie die Verbindung zu Gott. Sie fordern Gott heraus. Sie drängen auf eine Antwort von ihm. Sie erwarten von Gott gerade da ein neues Zeichen der Hoffnung. Bei manchen mischt sich Trotz in dieses Verhalten: „Dennoch bleibe ich an Gott“, sagt ein Psalmbeter „Gott, ich wende mich nicht ab von dir. So einfache mache ich es dir nicht! Sondern ich erwarte etwas von dir! Trotz allem.“
Das ist ein erster Schritt, eine enttäuschte Hoffnung zu bewältigen: Die Enttäuschung Gott vor die Füße werfen, von Gott gerade da ein Zeichen der Hoffnung zu erwarten. Das ist ein erster Schritt, trotzig ein „Dennoch“ zu sagen.
2) Freilich brauchten Abraham und Sara viel Geduld, bis ihre Hoffnung erfüllt wurde. Dabei mutet Gott beiden Enttäuschungen zu. Enttäuschungen – wörtlich verstanden: Ent-Täuschungen! Abraham und Sara hatten sich getäuscht. Sie hatten Gottes Zusage in ihrem Sinne verstanden, so wie es ihnen lieb war.
„Ihr werdet einen Sohn haben“, hatte Gott versprochen. Abraham und Sara verstanden: „Klar das wird er bald tun. Wir sind schon alt. Wir können nicht mehr warten.“ Aber sie mussten warten. Gott hatte einen anderen Plan. So entstand ihre Enttäuschung. So zerbrach ihre Hoffnung erst einmal daran, dass sie ihre eigenen Vorstellung hatten, wie Gott es machen müsse.
Nicht erfüllte Hoffnungen haben auch bei uns damit zu tun, dass wir einen festen Zeitplan im Kopf haben. „Ich brauche Hilfe, jetzt!“ Aber Gott muss uns manchmal diese Täuschung nehmen. Und der Weg zur Erfüllung der Hoffnung geht über eine Ent-Täuschung, in der uns Gott den Irrtum klarmacht.
Auch andere Selbsttäuschungen begleiten uns. Manchmal tragen wir ein Bild in uns, auf welche Weise Gott helfen müsste. „Es kann nur so oder so sein!“ Aber Gott wählt einen ganz anderen Weg. Oder wir erwarten diese Hilfe von ganz bestimmten Personen. Aber Gottes Phantasie ist groß. Und er weiß viele Wege, seine Zusagen zu erfüllen. Er richtet sich dabei nicht nach den Vorstellungen, die wir in uns tragen.
Manchmal ist auch Demut nötig. Dann müssen wir jenes Gebet Jesu nachbuchstabieren: „Nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.“
All das macht Mühe. Das schmerzt. Gott mutet uns diesen Schmerz und die damit verbundene Ent-Täuschung zu. Damit öffnet er unseren Blick, dass er zu seiner Zeit hilft, anders als wir es erwarteten. Damit weitet er unseren Blick, dass er seine Zusagen auf andere Weise erfüllt, als wir es uns dachten. Machen wir uns das doch klar, wenn Gott nicht, wie erhofft, hilft! Er hat uns nicht vergessen. Er hat uns nicht aus dem Blick verloren. Er arbeitet auf seine Weise an der Erfüllung seiner Zusagen. Vertrauen wir darauf. Das hilft mit, enttäuschte Hoffnungen zu verkraften.
3) Die Erfüllung der Verheißung zog sich bei Abraham und Sara hin. Einmal bot Gott ihnen einen besonderen Weg. Hagar, die Magd von Sara, brachte als Leihmutter ein Kind des Abraham, Ismael, auf die Welt. Aber das war nicht das, was Abraham und Sara wirklich wollten. Und das war auch nicht das, was Gott ihnen versprochen hatte. So dauerte es, bis die Hoffnung von Abraham und Sara erfüllt war.
Freilich ließ Gott die beiden in dieser Zeit nicht allein. Gott half mit, dass sie nicht an der enttäuschten Hoffnung zerbrochen sind. „Gott hieß Abraham hinauszugehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen?“
Abraham erlebt eine Sternstunde. Er schaut auf. Er schaut hinaus über seine enttäuschte Hoffnung. Dabei werden die Sterne zu Zeichen der Verheißung: Wie aus einer anderen Welt strahlen sie über Abraham. Sie sind unbegreiflich fern und doch ganz nah.
Gott gibt auch uns seine Lichtzeichen. Da sind Aussagen der Bibel, von denen ein Psalmbeter sagt: „Dein Wort ist ein Licht auf meinem Wege.“ Da sind Mutmachworte, „Fürchte dich nicht. Ich bin mir dir. Ich stärke dich, ich helfe dir auch.“ Da sind Erfahrungen: „Ich war am Ende, Gott eröffnete mir einen neuen Anfang.“ Da waren die Sorgen in mir übermächtig. Aber Gott ließ mich spüren, dass diese Sorgen begrenzt sind und dass seine Fürsorge für mich keine Grenzen hat. Da sind Gestalten der Bibel, die Stürme des Lebens und Niederlagen bewältigen konnten. Da sind Menschen um uns, die in aller Unvollkommenheit Glauben ermutigen. Und da sind Worte, die Gottes Verlässlichkeit deutlich machen.
Gott schenkt auch uns Lichtzeichen. Gott schenkt auch uns Licht-Worte. Wie die Sterne über Abraham kommen sie aus einer anderen Welt. Aber sie sind uns ganz nah. Wie können zu ihnen aufblicken. Wir sollen wie Abraham aufhorchen. Sie geben uns Lichtblicke über dem, was unsere Zukunft verdüstert.
So können auch wir enttäuschte Hoffnungen bewältigen. So antwortet Gott auf unsere Fragen und Klagen. Dabei verwirklicht Gott auch an uns, was er Abraham versprochen hat: „Ich bin dein Schild.“ „Ich lasse zwar zu, dass zerstörerische Kräfte dir zu schaffen machen. Aber ich, dein Gott, stelle mich vor dich. Ich wehre die schlimmsten Schläge ab. Ich fange die gegnerischen Pfeile auf. Ich bin dein Schild. Mit mir kannst du standhalten.“
Und Gott bekräftigt das. Er sagt zu Abraham sogar: „Ich bin dein Lohn.“ Das heißt: „Dein Glaube lohnt sich. Ich beschenke dich immer wieder. Dein Vertrauen in mich trägt Früchte. Deine Hoffnung ist nicht vergeblich. Ich verschenke mich selbst an dich. Vergiss nicht, du hast doch mich!“
4) Bei alledem ist Gott für Überraschungen gut. Abraham wünschte sich einen oder vielleicht zwei oder drei Nachkommen. Gott hat ihm ein ganzes Volk verheißen. „Schau, so zahlreich wie die Sterne sollen deine Nachkommen sein!“ Gott überbietet, was Abraham sich wünschte. Er gibt ihm mehr, als der sich je erhoffte.
Dabei dürfen wir Christen auch die Brücke zu Jesus Christus schlagen. Abraham wusste nicht, dass die göttliche Zusage weit über seinen erhofften Sohn hinausgehen würde. Aber in Gottes Worten an ihn liegt eine Ahnung. Gott beschenkt Abraham mit dem Sohn Isaak. Und Gott beschenkt uns, indem er uns seinen Sohn Jesus Christus gibt. Gott überbietet die Hoffnungen des Abraham. Die Sterne über Abraham weisen hinaus über seinen Horizont. Gott gibt Abraham nicht nur, was der sich wünscht. Er gibt ihm und uns durch Jesus Christus, was wir brauchen. Darum können wir über unserem Bibeltext an das Buch der Offenbarung denken: Dort sagt Christus von sich: „Ich bin der helle Morgenstern.“ Darum schwingt in der Verheißung unter dem nächtlichen Sternenhimmel schon der Segen mit, den Jesus Christus uns gebracht hat.
Am Ende erfüllt Gott seine Verheißungen an Abraham und Sara. Allerdings brauchen die beiden Geduld auf einem langen Weg. Aber sie halten an Gott fest. Sie tragen ihre Klagen vor Gott. Sie lernen, Enttäuschungen zu akzeptieren. Und sie erfahren: Gott überbietet unsere Wünsche. Er gibt uns mehr, als wir uns vorstellen konnten. Er gibt uns, was wir brauchen. Darum verspricht er: „Ich stehe zu meinen Verheißungen. Ich gebe euch Lichtzeichen. Ich schenke euch Sternstunden. Geht weiterhin euren Weg mit mir. Und habt Vertrauen!“ Darum gilt: Auf Gott zu hoffen, lohnt sich. Oder genauer gesagt: „Auf Gott hoffen und harren vergessen nur Narren.“
Amen.
Autorenfoto: © Patrick Hartmann
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