11. Sonntag nach Trinitatis (15. August 2021)
Epheser 2, 4-10
IntentionEpheser 2,4ff stärkt und ermutigt Christen in ihrem Leben aus der Gnade Gottes. Er spiegelt die in der Taufe geschehene Lebensveränderung wider (Anklänge an Kolosser 2,12-14 und Röm 6).
Die Gliederung mit 3 Gs: Gerettet aus Gnade, Gemeinsam mit Christus, Geschaffen zu guten Werken.
Liebe Gemeinde,
drei Gs sind seit einigen Monaten wichtig geworden für uns. Wir haben sie verinnerlicht. Wir brauchen sie in Pandemiezeiten, um Zugang zu gewinnen an Orte, die uns ohne diese Gs verschlossen blieben. Genesen-getestet-Geimpft. So sind wir geschützt. So können wir uns wieder neu auf entspanntes Leben einstellen.
Drei andere Gs finden wir auch im Predigttext für heute. Sie zu verinnerlichen, lohnt sich auch. Sie führen heraus aus dem Lockdown eines eingeschränkten und bedrohten Lebens.
Ich lese Epheser 2, 4-10:
„Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr gerettet –; und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus, damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus. Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.“
Sie haben es gehört: Es sind die Gs der wunderbaren Liebe Gottes, sein Geschenk an uns, seine großen Gaben, die unser Leben reich machen und uns gewissermaßen nach oben ziehen. Ein alter Chorus singt davon:
Gott, weil er groß ist, gibt am liebsten große Gaben, ach, dass wir Armen nur so kleine Herzen haben. Gottes große Gaben erschließen die drei Gs: Gerettet aus Gnade, Gemeinsam mit Christus, Geschaffen zu guten Werken.
Gerettet aus GnadeIn einer Kleinstadt wurde unter Jugendlichen auf der Straße eine Umfrage gemacht: Was ist der Sinn deines Lebens?
Ein Mädchen sagte: „Der Sinn meines Lebens ist Lieben, Arbeiten, Sterben.“
In der Antwort des Mädchens spüren wir die Sehnsucht nach gelingendem Leben, nach Akzeptanz und Bejahung.
Da ist das Interesse, sich einzubringen und etwas zu bewirken im Leben, Geld zu verdienen und umzusetzen.
Vielleicht klingt ja indirekt auch die Sehnsucht auf, dass alles, was so schön und verheißungsvoll beginnt in der jungen Liebe und Freundschaft, im Aufbau des Lebens und im Wirken in der Welt, nicht nur dem Tod anheimfällt.
Es darf doch nicht alle Liebe, alles Schöne, alles, was wir schaffen und arbeiten am Ende fortgerissen werden in den Todesfluten wie die Häuser eines Dorfes in den Wassermassen eines Unwetters.
„Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade.“
„Das ist ja die zentrale Botschaft“, hat mir ein Mann erzählt, als wir über dieses Predigtwort gesprochen haben. Und dann erzählte er aus seiner Lebenswelt: „Bisher hieß es bei allem: was bringt’s. Was habe ich davon, wenn ich jemandem einen Gefallen tue, eine Aufgabe übernehme, mitmache, mich einbringe.
Die Frage hat sich aber inzwischen gewandelt. Sie lautet längst: Bring ich’s denn noch? Wir arbeiten in Teams. Im Zuge der finanziellen Einsparungen werden sie immer noch mehr verkleinert. Jedem Mitarbeiter wird noch mehr abverlangt, der Leistungsdruck ist immens.
Bei jeder neuen Kürzungsrunde stellt sich die Frage: Bringe ich noch genug, kann ich noch mithalten, oder werde ich ausgemustert – du genügst unsern Erwartungen nicht.“
Bringe ich’s noch? Viele werden die Frage kennen. Bringe ich’s noch im Kampf mit denen, die uns ständig unterbieten, fragen Geschäftsleute.
Wie lange kann ich noch mithalten – mit der Geschwindigkeit der jungen Mitarbeiter, wie lange habe ich eine Chance akzeptiert zu werden.
Bringe ich’s – dieser innere und oft äußere Druck zieht sich wahrscheinlich durch alle Lebenskreise. Genüge ich noch? und was ist – wenn ich’s nicht mehr bringe? Alt bin, pflegebedürftig, andern nur noch zur Last falle?
Ihr seid aus Gnade gerettet! Nicht die Leistung zählt, nicht wie lange wir mithalten können, nicht ob wir den Menschen genügen – ja auch nicht, ob wir uns selbst genügen! Jeder Tag ist Gottes Geschenk, jeder Atemzug seine Gabe. Ihm sind wir kostbar, wertvoll – bedingungslos.
Öffnen wir unser kleines Herz für seine großen Gaben. Lassen wir seine Liebe, sein Ja zu uns hereinströmen im Singen, Summen, Zusprechen an unsere Mitmenschen und für uns selbst: Geh unter der Gnade, geh mit Gottes Segen! Geh:
Gemeinsam mit ChristusLebendig, auferweckt, im Himmel! Klingt das nicht zu vollmundig?
Manchmal wünschen wir uns den Himmel auf Erden, aber dann kommt doch meist sehr schnell die Ernüchterung. Das erleben wir oft selber und andere spiegeln es uns zurück.
Vieles ist noch sehr irdisch und doch: Wir sind heute schon, seit unserer Taufe, „neue Kreatur“, Jesus hat uns den Himmel erschlossen.
Ja, Gott hat uns so sehr geliebt, dass wir ihm den Himmel wert sind. „Ich hang und bleib auch hangen, an Christus als ein Glied. Wo mein Haupt durch ist gangen, da nimmt er mich auch mit" (EG 112,6).
Wir sind nicht nur in der Gemeinschaft mit Jesus Christus, sondern wir sind in ihm, er in uns, mit uns. Als Christen haben wir unsere Identität von Jesus Christus. Er ist auferstanden, er lebt. Er ist bei uns alle Tage und bleibt es auch jenseits der Todesgrenze.
Gewiss, wir haben auch noch unsere Prägungen aus der Familie, unsere Biografie, wir sind eingebunden in unsere Arbeit und Aufgaben und all die verschiedenen Beziehungen und Ängste.
Doch mit Christus haben wir unsern Platz heute schon im Himmel. Das prägt unser Leben auf der Erde.
„Wer sich im Himmel auskennt, der kommt auch auf der Erde zurecht“, meint der Theologe Hans-Joachim Eckstein. (1)
Das löst, befreit, schenkt Freude, Glaubenshoffnung, Lebensmut und Glück.
„Die ewige Heimat ragt jetzt schon hinein in mein Herz. Wenn ich das ‚koste und schmecke‘, dann relativiert sich vieles. Dann fällt die Sorge um mich und meine Gesundheit, die Sorge um Erfolg und Bestehenkönnen weg. Dann ist nicht mehr wichtig, was die andern von mir denken. Dann erfahre ich mitten im Trubel meines Lebens eine tiefe innere Ruhe, dann ist mein Herz angekommen bei Gott und in Gott kommt es wirklich zur Ruhe.“ (2)
Gemeinsam mit Christus! Er ist dabei. Er stärkt uns den Rücken. Aus himmlischer Warte gewinnen wir Perspektive für unsere irdischen Aufgaben.
Was Gott an uns in der Taufe getan hat, geschieht jedoch nicht allein um unseres Heiles willen, sondern für die ganze Welt.
Gott will den Reichtum seiner Gnade den kommenden Zeiten zeigen, er will in der Öffentlichkeit der Weltgeschichte offenbaren, was er an den Menschen tut, die das Angebot seiner Liebe annehmen.
Geschaffen in Christus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollenEin Beispiel für solch ein gutes Werk, von Gott bereitet, fand ich bei einem Radioreporter in Wien. In der Zeitung habe ich von ihm gelesen. Er sollte auf dem Fußballplatz vom Meisterschaftsspiel eines Zweitligisten am Rande der Stadt eine 5-Minuten-Reportage erstellen. Da sprach ihn ein Fußballfan an, mit einer ganz dunklen Brille vor den Augen, sehbehindert anscheinend, vielleicht sogar blind: „Geh’n S‘, bitte, können S‘ nicht ‚s ganze Match übertragen….“ Sonst sagte er nichts, der Fußballfan. – Und der Radioreporter kommentierte 90 Minuten das Spiel, von dem er nur fünf Minuten für die Sendung gebraucht hat. Er bekam keine Belobung, keine dankbaren Hörerbriefe. Nur ein Fußballfan mit dunkler Brille vor den Augen, der sagte: „Ich danke Ihnen….!“(3)
„Die guten Werke sind nicht das Zeichen für ein moralisches Bewusstsein, sondern für die Befreiung, die wir in Jesus Christus erfahren haben.
Mit unserem Interesse und Engagement geben wir zu erkennen, dass wir absehen können von uns selber. Wir müssen nicht alles für uns tun, denn Gott hat ja alles getan.
Die Öffentlichkeit kann sehen, dass wir es nicht mehr nötig haben uns und unser Glück zu finden. Denn Gott hat uns in Christus schon gefunden, er hat uns in den Himmel versetzt, in das Paradies, das alle unsere Sehnsucht nach Glück erfüllt.“ (4)
Gerettet aus Gnade, geschaffen zu guten Werken, so können wir als erlöste, als gelöste Menschen in die neue Woche gehen, zuversichtlich und gelassen. Weil wir heute schon mit Christus lebendig sind und teilhaben am Himmel – darum können wir mit beiden Füßen auf der Erde in seinem Sinn und aus seiner Kraft leben und handeln. Amen.
Anmerkungen
1 Zit. nach Claudia Filker: Mein Vater – Töchter erzählen, S.53.
2 Vgl. Meditative Zugänge zu Gottesdienst und Predigt II,2,S. 251ff.
3 H. Meisel, Tor! Too! Tooor! Erlebnisse eines Sportreporters, Wien 1954.
4 Siehe Anmerkung 2.
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