1. Sonntag nach Epiphanias (08. Januar 2017)
Prälatin Dagmar Zobel, Freiburg [dagmar.zobel@gmx.de ]
Matthäus 4, 12-17
Übergänge – vom Festtag zum Alltag, vom Ausnahmezustand zur NormalitätGerade mal acht Tage jung ist das neue Jahr. Weihnachten ist vorbei, aber es hängt noch in den Häusern und ein bisschen auch noch in den Herzen. In den Vorgärten stehen die Christbäume und warten darauf, von der Gemeindejugend oder der Freiwilligen Feuerwehr oder der Stadtverwaltung abgeholt zu werden. An den Fenstern kleben noch die Sterne, der Karton steht bereit, in den die Weihnachtskrippe wieder eingepackt wird bis zum nächsten Jahr. Maria, Josef, die Hirten, ein paar Schafe und Engel, Ochs und Esel, ein Kamel, die drei Könige und natürlich das Jesuskind.
Dieser erste Sonntag nach dem Erscheinungsfest markiert einen Übergang, von den Festtagen zum Alltag, vom Ausnahmezustand zur Normalität, und auch im Kirchenjahr bewegen wir uns vom Weihnachtsfestkreis zur Epiphaniaszeit.
Auch der Predigttext für den heutigen Sonntag zeigt einen solchen Übergang an.
In den letzten zwei Wochen standen die Geschichten im Vordergrund, die in unterschiedlicher Weise das Evangelium von der Geburt des Christuskindes erzählen, die Verkündigung an die Hirten, der Stall von Bethlehem, die Anbetung der Könige. Wie gefährdet dieses Neugeborene von Anfang an war, berichtet der Evangelist Matthäus aber auch. Von der grausamen Ermordung unschuldiger Kinder und einer überstürzten Flucht der Heiligen Familie ins benachbarte Ägypten, um dem sicheren Tod zu entkommen. Unwillkürlich geraten einem die Bilder von Aleppo und das sinnlose Sterben der Kinder in den Sinn und die Menschen, die irgendwo auf dieser Welt Schutz suchen.
Auch dieses Schicksal teilt der Gottessohn von Anfang an.
Und dann? Was ist aus dem Flüchtlingskind geworden? Die Bibel erzählt nur, dass die Familie irgendwann in ein Dorf namens Nazareth gezogen ist. Über die nächsten 20, 25 Jahre erfahren wir nichts. Das scheint nicht so wichtig zu sein.
Erst als Erwachsener tritt Jesus wieder in Erscheinung. Er lässt sich von Johannes taufen, der als Bußprediger am Jordan viel Zulauf hatte, er muss in der Wüste manchen teuflischen Einflüsterungen und Versuchungen widerstehen und dann wird es schon wieder gefährlich für ihn.
Ortswechsel: Jesus bei denen im Alltag, in Galiläa„Der Beginn des Wirkens Jesu in Galiläa“ ist in der neuen Lutherbibel dieser Abschnitt überschrieben, der den Übergang markiert: Matthäus 4, 12-17
„Da nun Jesus hörte, dass Johannes gefangen gesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am Galiläischen Meer liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 8,23; 9,1): »Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das Galiläa der Heiden, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen im Land und Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.«
Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen und zu sagen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“
Johannes ist ins Fadenkreuz der Herrschenden geraten. Seine radikale Ansage neuer, nämlich göttlicher Verhältnisse – „ Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“ – fand viele Anhänger. Wer die herrschenden Verhältnisse infrage stellt, lebt gefährlich. Das wird ihm schließlich den Kopf kosten und auch die, die mit ihm unterwegs sind, unter Verdacht stellen.
Nachdem Johannes in Gefangenschaft geriet, zieht sich Jesus nach Galiläa zurück, das meint eher, er entweicht nach Galiläa, in eine ganz andere Gegend, weit weg von der Machtzentrale in Jerusalem. Wieder flüchtet er, so wie er als Säugling nach Ägypten flüchten musste.
Rankten sich um das Christuskind manche Legenden und Geschichten, so legt Matthäus beim erwachsenen Jesus großen Wert auf genaue biographische, zeitliche und räumliche Angaben zur Person. Auf einer Landkarte des Heiligen Landes kann man genau verorten, wo er sich aufgehalten hat. Den ersten Lesern des Matthäusevangeliums war sofort klar, dass mit Sebulon und Naftali die geographisch enge Nachbarschaft des Volkes Israel mit heidnischen Völkern angesprochen war.
Jesu erster öffentlicher Auftritt findet also im Hinterland statt, in der tiefsten Provinz, wo ganz normale Leute ein ganz normales Leben führen. Es sind zunächst keine politischen Auseinandersetzungen mit religiösen Führern – die werden schon auch noch kommen -, und schon gar keine glanzvollen Auftritte als messianische Führergestalt.
Jesu Übergang zum Volk, das im Finstern saßDem Matthäus liegt daran zu zeigen, dass mit diesem Ortswechsel und in der Person Jesu sich das eingestellt hat, was der Prophet Jesaja mehr als 700 Jahre zuvor prophezeit hat: „das Volk, das im Finstern saß, hat ein großes Licht gesehen, und denen, die saßen im Land und Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen“.
Gott hat sein Versprechen eingelöst und viele, die in so einer Todesschattenwelt und Finsternis leben, erfahren das in der Begegnung mit Jesus am eigenen Leib.
Bis auf den heutigen Tag. Auch wenn die Todesschatten in diesen vergangenen Weihnachtstagen das Leben für so viele Menschen verdunkelten, in den Kriegsgebieten, in den Slums und Elendsvierteln, auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin, überall wo Terror und Gewalt den Ton angeben, wird dieses Licht dennoch nicht verlöschen. Auch in den Krankenhäusern und Hospizen, in denen gestorben wird, in den dunklen Zimmern, in denen die Verzweiflung über eine verlorene Zukunft den Raum erfüllen, ist dieses Licht und der, der von sich sagt „Ich bin das Licht der Welt“ tröstend gegenwärtig.
Mit Jesus ist ein Licht in die Welt gekommenDenn mit der Person Jesus war und ist ein Licht in die Welt gekommen, das den Verhältnissen, wie sie sind, wie wir sie gestalten und wie wir sie erleiden, eine letzte Gültigkeit bestreitet und den Übergang des göttlichen Wunders in unser alltägliches Leben markiert.
Die alte tröstliche Verheißung des Propheten Jesaja an das Volk Israel in schlimmen Zeiten, die will Matthäus mit Jesus und seinem Wirken in Galiläa verbinden und damit bedeuten, dass eine neue Zeit angebrochen ist, die bis heute wirksam ist. Die Verheißung der Schrift hat sich nicht erledigt, aber die Verheißung hat eine konkrete Gestalt bekommen.
Umkehr – zum Licht und zur ZukunftDer Beginn von Jesu Wirken in Galiläa markiert diesen Zeitenwechsel. Dabei übernimmt Jesus quasi den Staffelstab von Johannes und sagt exakt das Gleiche wie der.
„Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“
Das sind die ersten Worte, die wir von Jesus im Matthäusevangelium hören. Seine Antrittsrede. Kurz und herausfordernd klar. Nicht länger als eine Twitterbotschaft. Nur 53 Zeichen!
Wie viele Wahlkampfreden und Twitters haben wir im vergangenen Jahr gehört, wo alles Mögliche versprochen oder angedroht wurde, um Stimmen zu fangen für die eigenen Interessen, und 2017 werden wir wieder so ein Wahljahr vor uns haben. Welchen Botschaften und Appellen werden wir folgen?
Jesus sagt: „Tut Buße, kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ Johannes kündigte mit dieser Kurzbotschaft das Nahen Jesu an. Jesus selbst sagt mit den gleichen Worten, dass dieses Himmelreich nun anfängt, unter den Menschen zu wirken. „Blinde sehen, Lahme gehen und Armen wird das Evangelium verkündet.“
Das Himmelreich ist überall da, wo Gottes Wille für eine versöhnte, für eine gerechte Welt des Friedens seine sichtbaren Spuren hinterlässt, wo Freundlichkeit und Solidarität den Umgang miteinander bestimmen, wo Grenzen überwunden und nicht aufgerichtet werden, wo Versöhnung gelingt.
In diese Richtung umzukehren, sich an dieser Zukunft auszurichten, das ist der Ruf zur Buße auch an uns zu Beginn des neuen Jahres, damit wir uns nach dem Licht strecken, das uns aufklärt über uns und unsere Zukunft, uns die Aufgaben vor Augen stellt, die uns aufgetragen sind und uns zuversichtlich mitwirken lässt an Gottes Himmelreich. Amen.
Predigt zum Herunterladen: Download starten (PDF-Format)