3. Advent (15. Dezember 2024)
Römer 15,4–13
IntentionDer rote Faden durch die Adventszeit heißt Hoffnung. Hoffnung trotz und in Krisen- und Kriegszeiten. Inspiriert durch den Titel der politischen Autobiographie von Friedrich Schorlemmer (Klar sehen und doch hoffen), suchte ich in Römer 15,4–13 nach der adventlichen Botschaft. Paulus knüpft den roten Faden der Hoffnung an die Verheißungen des Alten Testamentes. Dieser rote Faden ist für das Zusammenleben der christlichen Gemeinde richtungsweisend. Gelebte Hoffnung zeigt sich in der gegenseitigen Annahme und im gemeinsamen Lob Gottes.
Den roten Faden suchenLiebe Gemeinde, die dritte Kerze am Adventskranz ist entzündet. „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern.“ Wir gehen auf Weihnachten zu. Mit der Geburt Jesu in Bethlehem feiern wir Gottes Gegenwart in der Welt. Das Weihnachtsfest wird niemals aufgrund von aktuellen Kriegen und Krisensituationen ausfallen. Gott ist auch zwischen Trümmern und Gräbern gegenwärtig.
Inmitten von Krisen und Kriegen haben wir allen Grund zu feiern, denn „Gott will im Dunkel wohnen, und hat es doch erhellt.“
Die Frage ist, wovon wir uns in dieser dunklen Zeit leiten lassen.
Seit vielen Wochen häufen sich die Weihnachtsdekorationen in den Häusern und auf den Straßen. Immer mehr Lichterketten funkeln rund um die Uhr. Je nach Geschmack sind sie schön anzusehen. Vor allem Kinderaugen kommen zum Leuchten, wenn sie auf bunte und glitzernde Tannenbäume schauen. Die Nacht wird für die Augen hell gemacht. Die dunklen Seiten des Lebens werden davon nicht berührt. Wir sind gefordert, zwischen all den Advents- und Weihnachtsdekorationen dem leuchtenden roten Faden, der sich von Anfang an durch die Adventszeit zieht, auf die Spur zu kommen. Machen wir uns im Predigttext für den heutigen Sonntag auf die Suche.
PredigttextWas zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid, untereinander, wie es Christus Jesus entspricht, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre. Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; die Heiden aber sollen Gott die Ehre geben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.« Und wiederum heißt es: »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!« Und wiederum: »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preisen sollen ihn alle Völker!« Und wiederum spricht Jesaja: »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen.« Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes. (Röm 15,4–13)
Der rote Faden heißt „Hoffnung“Paulus mutet mit diesen Worten seinen Adressaten viele dichte, theologische Gedanken zu. In welche Situation spricht er?
Der Apostel Paulus hat die konfliktgeladene Wirklichkeit der jungen christlichen Gemeinde im Römischen Reich vor Augen. Spannungen, Konflikte und Spaltungen prägten das Zusammenleben. „Wo soll das noch hinführen?“ Eine sorgenvolle Frage, die ebenso unser Zeitgeschehen prägt. Wenn die dekorativen Weihnachtslichter wieder abgebaut werden, können wir die Dunkelheit der Zeit nicht mehr übersehen. Geduld, Trost und Hoffnung haben wir bitter nötig. Ohne Hoffnung nimmt die Nacht kein Ende, und das Leben ist perspektivlos. Verfolgen wir also mit Paulus den roten Faden der Hoffnung hin zu seinen Wurzeln.
Zurück zu den Wurzeln„Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.“ Mit diesen Worten beginnt der Predigtabschnitt. Durch viele Hinweise aus den Schriften des Alten Testamentes bringt uns Paulus in Verbindung mit unseren Vätern und Müttern im Glauben. Wir bekommen Anteil an den Verheißungen Gottes, aus denen heraus unsere Vorfahren Geduld, Trost und Hoffnung in ihrer jeweiligen Zeit schöpften.
Der rote Faden der Hoffnung führt uns zu Gott, der sich in Jesus Christus mit uns Menschen verbunden hat. Christus ist Geduld, Trost und Hoffnung. In der Verbindung mit ihm erleben wir, dass wir bedingungslos angenommen sind. Gott, der sich mit uns verbunden hat, ist kein fordernder Gott, sondern ein Gott, der uns mit dem beschenkt, was wir so dringend brauchen: Geduld, Trost und Hoffnung. In dieser Welt, in der von allen Seiten Forderungen gestellt werden – ohne Rücksicht auf Überforderung – leben wir als von Gott Beschenkte. Beschenktsein ist die Grundlage eines Lebens mit Perspektive. Wie alle Menschen, ob sie an Gott glauben oder nicht, stehen wir mit unseren Füßen in der Wirklichkeit dieser Welt, so wie sie heute ist. Den dunklen Seiten des Lebens, den Krisen und Konflikten können wir nicht entfliehen. Als Christinnen und Christen sind wir gefordert, mit offenen Augen die Welt mit all ihren Bedrohungen, für die wir zum Teil auch Mitverantwortung tragen, zu sehen – und doch zu hoffen.
„Klar sehen und doch hoffen“Klar sehen und doch hoffen: Unter diesem Motto lade ich Sie ein, dass wir Christinnen und Christen als Hoffnungsträgerinnen und Hoffnungsträger gemeinsam weiter unterwegs sind durch die Nächte und Tage unserer Zeiten. Brüder und Schwestern, Mütter und Väter im Glauben können uns dabei ein Vorbild sein. „Klar sehen und doch hoffen“ lautet der Buchtitel einer Autobiographie von Friedrich Schorlemmer (geb. 16.05.1944 in Wittenberg, +09.09.2024 in Berlin). Der Theologe, Bürgerrechtler und Publizist wuchs als Pfarrersohn in der DDR auf. In seiner Biografie vergewissert er sich seiner vom Glauben geprägten Wurzeln. Er zeigt auf, wie er im Wandel der Zeiten sich und seiner Überzeugung als Christ treu bleiben konnte. Schorlemmer erzählt, wie er ein Leben lang um Freiheit rang inmitten von Enge auf der Suche nach lebensstiftendem Sinn angesichts einer politischen und gesellschaftlichen Sinnkrise.
„Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern“Mit dem Wochenlied „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern“, 1938 von Jochen Klepper gedichtet, haben wir uns auf diesen Gottesdienst eingestimmt. Jochen Klepper kannte das Licht der Hoffnung, das er in seinen Liedern zum Ausdruck bringt. Ebenso kannte er auch die finstere Nacht. Verheiratet mit einer Jüdin, waren er und seine ganze Familie der Verfolgung im Nationalsozialismus ausgesetzt. Dass Jochen Klepper für sich und seine Familie 1942 den Freitod wählte, darf dabei nicht verschwiegen werden. Nach seinem Tod wurden seine Texte vertont und als Lieder zu richtungsweisenden Glaubenszeugnissen in schweren Zeiten.
Tag und Nacht stehen auch für uns Christinnen und Christen in einer spannungsvollen Beziehung, die sich nicht auflösen lässt: „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.“
Der rote Faden der Hoffnung führt uns aus sorgenvoller Enge in einen weiten Horizont. Wir sind eingeladen, im Sinne Jesu als Hoffnungsträgerinnen und Hoffnungsträger in dieser Weite unseren Platz einzunehmen. Menschen aller Völker und aller Religionen haben darin ihren Platz. Paulus spricht von Juden und Heiden, die einmütig Gott loben. Ich stelle mir diesen einmütigen Lobgesang vielstimmig vor. Er kommt dort zustande, wo wir es wagen, uns gegenseitig anzunehmen, wie Christus uns angenommen hat. Wenn wir mit unserem Reden und Handeln dazu beitragen, dass im Lobgesang Gottes jede und jeder mit eigener Stimme mitsingen darf, dann wird daraus eines der schönsten Adventslieder.
Auch uns Heutigen gilt der Schlusssatz des Paulus: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.“ Amen.
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