20. Sonntag nach Trinitatis (13. Oktober 2024)
2. Korinther 3,3-6
IntentionDie Predigt soll ermutigen, auch in schwierigen Situationen die richtigen Worte zu finden. Das Vertrauen auf Gottes Geist hilft dabei.
Liebe Gemeinde,
Worte zu finden, ist immer ein Wagnis, besonders in schwierigen Situationen. Ich will Ihnen von Paul erzählen. Eine Geschichte, die genau so passiert sein könnte. Vielleicht ist Ihnen so etwas auch schon passiert.
„Liebe Marie“, tippt Paul in sein Handy. Er stockt und stöhnt: „‘Liebe Marie‘ das hört sich an, wie wenn mir meine Oma eine WhatsApp schreibt. Das klingt ziemlich cringe!“ Schon zwei Tage sucht er nach Worten. Frustriert scrollt Paul im Nachrichtenverlauf mit Marie in die Vergangenheit. Tatsächlich hat er noch nie ‚Liebe Marie‘ geschrieben. So altmodisch und peinlich, cringe eben, schreibt er nicht. Manchmal schrieb er ‚Hallo Marie‘ oder nur ‚Hallo‘ oder eben ‚Hi‘. Und ganz oft gar keine Anrede. Im Scrollen sieht Paul, dass sie sich oft viele Nachrichten direkt hintereinander geschickt haben. Nur selten mal zwei oder drei Tage gar nichts. Seit drei Tagen keine Nachricht mehr. Da ging es noch um die Pläne fürs Wochenende. Paul gibt es sofort einen Stich ins Herz. Vorgestern ist Maries Großmutter gestorben. Paul wusste gar nicht, ob sie krank gewesen war, alt war sie schon. Aber Paul weiß: Marie hat ihre Oma geliebt.
Paul hat es von einer gemeinsamen Freundin erfahren. Marie hat sich noch nicht gemeldet. „Das verstehe ich voll“, denkt Paul. „Aber ich muss mich doch endlich melden. Aber wie soll ich die richtigen Worte finden?“ Er öffnet den Browser auf seinem Handy und lässt die KI eine kurze Nachricht für diesen Anlass formulieren. Da sie beiden sich in der Kirchengemeinde kennengelernt haben und sich viel über Gott und Welt ausgetauscht haben, soll ein Bibelwort in der Nachricht sein. Die KI schlägt Paul mit diesen Angaben vor: „Liebe [Name einsetzen], es tut mir unendlich leid, von dem Verlust Deiner Großmutter zu hören. Ich hoffe, Du findest Trost in den gemeinsamen Erinnerungen und der Liebe, die sie hinterlässt. ‚Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die zerschlagenen Geistes sind.‘ (Psalm 34,19) In Gedanken bin ich bei Dir und Deiner Familie. Herzliches Beileid, [Dein Name einsetzen]“
Paul muss fast vor Verzweiflung lachen und sagt vor sich hin: „‘Liebe Marie‘ geht doch gar nicht!“ Und auch sonst klingen diese Worte herzlos und leblos. Paul legt sein Handy weg. Nach Bibelworten für Trauernde hatte er auch schon gesucht. Aber welches könnte passen? Wobei, das mit dem Herzen, dem zerbrochenen, das gefällt ihm.
Worte zu finden, ist immer ein Wagnis. Das erleben wir in Beziehungen. Wir streiten und finden nur Worte, die es schlimmer machen. Oder Sie wollen Ihrer Arbeitskollegin mit besten Absichten etwas Kritisches sagen und diese fühlt sich verletzt. Absolut richtige Worte finden vielleicht nur Rechts- und Verwaltungsexpert:innen. Dann entstehen Gesetzestexte und Verwaltungsvorschriften. Das richtige Wort zu finden, das tröstet und Hoffnung macht, das bleibt daher ein Wagnis. Aber in den meisten Situationen unseres Lebens kommt es nicht auf das exakt passgenaue Wort an. Entscheidend ist, dass Worte Gottes Geist versprühen, aus dem Herzen kommen und Sie mit Lebendigkeit anstecken. Paulus will im heutigen Predigttext aus dem 2. Korintherbrief (3,3-6) uns zu Worten mit Geist und Herz und Leben motivieren:
„Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid durch unsern Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln der Herzen. Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“
Mich ermutigt Paulus mit diesem Abschnitt, mit Menschen aus meinem Herzen zu sprechen und sie mit Lebendigkeit anzustecken. Denn mein Glaube hängt sich auch nicht an die richtigen Worte. Mein Glaube lebt daraus, dass Gott mich im Mutterleib aus Liebe, aus seinem Herzen heraus geschaffen und in Jesus mich mit Lebendigkeit auch über den Tod hinaus beschenkt hat. Diesen Geist will ich mutig, gewagt weitergeben. Ich will in Gottes Geist Worte sagen, die aus dem Herzen kommen und mit Lebendigkeit anstecken.
Paul fast sich ein Herz, greift zu seinem Handy und drückt im Messenger auf die Taste für eine Sprachnachricht: „Hi Marie! Also von Greta habe ich erfahren, dass deine Oma gestorben ist. Es ist voll in Ordnung, dass Du Dich nicht meldest. Das will ich auch mit meiner Nachricht gar nicht sagen. Ich will Dir halt diese Nachricht schicken. Und ich will vor allem nichts Blödes sagen. Alles klingt so nach meiner Oma, du weißt schon. Ziemlich cringe eben. Melde Dich, wenn Du Zeit hast. Wir treffen uns dann im ‚Bittersüß‘ und reden über alles.“
Paul stoppt die Aufnahme. „Das ist es!“, denkt er. Das sind doch irgendwie Worte mit Leben und Herz drin – so wie in den Erinnerungen an die Gespräche im Café. Im ‚Bittersüß‘, dem Café in der Stadt haben sie beiden oft stundenlang über Gott und die Welt gesprochen. Schnell drückt er auf ‚Senden‘. Paul schickt noch das Emoji hinterher, das wie mit einem Kuss ein Herz zuwirft. Das Handy steckt er in die Hosentasche und geht in die Küche, um nach dieser Anstrengung etwas zu trinken. Nach den ersten Schlucken vibriert es. Marie schreibt: „Ich muss mir auch echt viel Blabla anhören.“ Danach ein Emoji, das die Augen nach oben verdreht. „Du bist super. Ich melde mich!“ Und wieder das Emoji, das ein Herz zuwirft, und eines mit einer Träne im Auge…. Soweit Pauls Geschichte.
Ich habe auch schon so wie Paul nach den richtigen Worten gesucht. Die Zeilen, die Paulus in seinem Brief in seiner doch sehr alten Sprache schreibt, sind mir deshalb heute wertvoll: „Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid durch unsern Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln der Herzen. Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“
Ich wage es, diese Worte in unsere Zeit umzuschreiben. Vielleicht so: ‚Ihr seid alle Nachrichten Christi – nicht nur von Euch selbst getippte Nachrichten, sondern auch Nachrichten, mit denen Gott seine Liebe und die Lebendigkeit des Glaubens anderen Menschen mitteilen will. Es kommt nicht auf die richtigen Worte an, die ihr tippt oder aufsprecht. Es kommt auf das an, was ihr im Herzen tragt. Vertraut darauf. Die absolut richtigen Worte haben oft kein Leben in sich, aber Gottes Geistkraft in Eurem Herzen kann andere Menschen mit der Lebendigkeit des Glaubens anstecken. Darauf kommt es an.‘
Vielleicht kann ich es sogar wagen, die Worte des Paulus ganz kurz zusammenzufassen: ‚Verschickt in Gottes Namen mehr Emojis, die Herzen zuwerfen.‘ AMEN
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