17. Sonntag nach Trinitatis (22. September 2024)
Galater 3,26-29
IntentionDie Predigt soll die paulinische Magna Charta des christlichen Glaubens in ihren Konsequenzen deutlich machen: Unter Christen gibt es keine Unterschiede zwischen den Menschen.
PredigttextDenn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Nachkommen und nach der Verheißung Erben.
Liebe Gemeinde,
wie kommt es, dass manche Menschen an Gott glauben können und andere nicht? Und das ist ja nicht nur mit dem christlichen Glauben so. Es gibt säkulare Jüdinnen und Juden, säkulare Muslimas und Muslime, und ich vermute das ist bei allen anderen Religionen ganz ähnlich. Das sind viele ungelöste Fragen. Aber in unserem Predigttext geht es heute ganz zentral um den Glauben und was der Glaube mit Menschen macht. Paulus hat in seinen Briefen unendlich viel über den Glauben geschrieben, denn das war für ihn das zentrale Thema. Der Glaube an Jesus Christus. Dieser Glaube hat seine Sicht auf sich, auf sein Leben, auf die Menschen auf die Welt überhaupt grundlegend verändert. Als frommer Jude war Paulus gewohnt, vom Glauben zu reden und über den Glauben zu reden, waren doch alle Jüdinnen und Juden Nachfahren von Abraham, den sie Vater des Glaubens nannten und bis heute nennen.
Glaube und MultikultiAber Paulus wagte den Schritt weit hinaus aus der jüdischen Community hinein in die multi-ethnische und multi-religiöse Welt nach Europa. Ganz bewusst geht er dahin, wo es Multikulti ist. Es zieht ihn in die Großstädte der Antike. Absichtlich geht er dahin, wo Menschen leben, die noch nichts vom Glauben an den einen Gott wissen. Geht zu denen, deren Himmel voller Götter ist oder erstaunlich leer. Paulus predigt den jüdischen Kern dessen, was Glauben ist, nämlich Vertrauen auf Gott und er erweitert diesen Glauben an Gott und fügt den Glauben an den gekreuzigten und auferstanden Christus hinzu. Damit eröffnet er allen den Glauben an ein Leben nach dem Tod und ein Leben heraus aus den Bindungen und der Enge des antiken Regelwerks. Paulus predigt nicht nur Griechen und Römern und allen möglichen kulturellen und religiösen und ethnischen Gruppen in den Metropolen der Antike. Er predigt auch Menschen aus allen Schichten. Da tummelten sich gebildete Griechen und reiche Römer, aber auch einfache Händler aus aller Herren Länder, reisende Handwerker und Handwerkerinnen, Sinnsucher und gelehrte Philosophen, Geheimkultanhängerinnen und vor allem ein Heer von rechtlosen Sklavinnen und Sklaven. Und da geht Paulus hin und erzählt vom Vertrauen in Gott und in Jesus Christus. Erzählt von dem, der sein Leben am Kreuz verlor, um es an Ostern wieder zu finden. Erzählt davon, dass dieser Glaube frei macht und alle dazu gehören können. Erzählt davon, dass es bei Gott keine Unterschiede gibt und das Ostern für alle Menschen gilt. Alle sollen am Leben Teil haben.
Das „Apostelkonzil“ und die ersten christlichen GemeindenPaulus hatte den Beschluss des Apostelkonzils im Gepäck. Lange war es strittig, ob die, die an Jesus glauben wollten, zuerst Juden werden müssten und sich an die jüdischen Gebote halten müssten. Aber im sogenannten Apostelkonzil, einer Zusammenkunft der ersten Christen hatte Paulus nach erbittertem Streit gewonnen. Alle konnten bindungslos Christen werden. Wichtig war nur der Glaube an den auferstandenen Christus. Und so zieht er los. Er predigt und gründet erste kleine Gemeinden. Zehn oder zwanzig Leute, manchmal vielleicht auch fünfzig. Aber sehr überschaubar. In Korinth, in Philippi, später aber auch in anderen Gegenden des antiken Weltreiches. Er hält Kontakt mit Briefen, und aus diesen Briefen erfahren wir erstaunlich viel auch noch bald 2000 Jahre später. Mit einigen seiner Gemeinden hat er so seine liebe Not. Zum Beispiel mit den Menschen in der Region Galatien. Das liegt in der heutigen Türkei in der Gegend um Ankara. Da, in diesen kleinen Gemeinden entbrennt nämlich ein heftiger Streit. Es ist die alte Frage: Muss man als Christin, als Christ die jüdischen Gebote einhalten oder ist man frei davon? Paulus ist hier unerbittlich. Nur der Glaube an Christus zählt. Alles andere ist nicht nötig. Der Glaube, der seinen Ausdruck in der Taufe und in einem neuen Lebensstil findet, dieser Glaube ist genug. Denn er verändert alles. Der Glaube an den Auferstanden macht aus Alt Neu. Alle verwandeln sich im Glauben. Paulus wird in diesem Brief richtig emotional. Er wagt sogar die These, dass Christus umsonst gestorben wäre, wenn die Menschen weiter am Gesetz des Alten Bundes festhalten würden.
Christen gehören zum Jesus-TeamDas Alte ist vergangen, und die einzelnen Christinnen und Christen verwandeln sich in ein neues Team. In das Jesus-Team. Das sage ich mal angesichts der Olympischen Spiele. Vielleicht können wir auf diesen Vergleich in diesem Olympia-Jahr zurückgreifen. Es ist alles egal, was sie vorher gemacht haben, gedacht haben, geglaubt haben oder wie sie gelebt haben. Im Glauben und in der Taufe als Bekenntnis des Glaubens haben alle ein neues Trikot übergezogen bekommen. Auf dem steht Jesus-Team. Alle seid ihr, sagt Paulus, die ihr an Christus glaubt, miteinander verbunden, wie ein Team. Der Glaube schweißt euch zusammen. Paulus kämpft mit diesem Bild gegen die Spaltungen in den jungen Gemeinden. Ihr seid ein Team! Ihr seid sogar noch mehr als ein Team. Alle die auf Christus getauft sind, also alle die an ihn glauben, haben Christus angezogen. Wir haben nicht nur ein Trikot, sondern wir sind praktisch ganz und gar in Christus eingehüllt. Wie in einen warmen Mantel oder ein leichtes Tuch oder ein Hemd aus Gold und Glanz. Wir haben Christus angezogen. Ich stelle mir vor, dass es so ist, als hätte ich einen Schutzmantel, der mich umgibt. Und selbst wenn ich manchmal das Gefühl habe, der Mantel ist löchrig oder zu groß oder zu klein, wenn ich mir nicht ganz so sicher mit dem Glauben bin, kann ich mich darauf verlassen, dass Christus wirklich da ist. Der Mantel ist da, ist fast wie eine zweite Haut. Der Glaube an Christus, daran, dass er gekommen ist und mich trägt und tröstet und sein Leben mich aus dem Tod reißen wird, das ist wie eine zweite Haut. Ja, eigentlich ist es wie meine Haut und alle, die an Christus glauben, sind miteinander verbunden, haben dieses neue unsichtbare Kleid an. Bei manchen ist das Team Christus deutlich sichtbar auf dem Trikot.
Wie Christen leben – damals und heuteEs gibt Menschen, die ihren Glauben sehr bewusst mit Worten bezeugen. Es gibt auch Menschen, die in der Kirche arbeiten und damit sagen, ja einen Teil meines Lebens will ich diesem Unternehmen zur Verfügung stellen, das den Glauben weiterträgt. Aber manche Menschen machen davon nicht viel Aufhebens und wir sehen nicht sofort, ob sie zum Team Jesus dazugehören.
Wer zu diesem Team gehört, hat Christus angezogen. Und mit dem, mit der passiert etwas fundamental Neues. Etwas, das wirklich lebensverändernd ist. Paulus schreibt, wenn wir auf Christus getauft sind, wenn wir ihn angezogen haben, dann fallen alle, auch wirklich alle fundamentalen Unterschiede zwischen uns weg. Die Radikalität des Satzes, dass da weder Jude noch Grieche, weder Freier noch Sklave, weder Mann noch Frau ist können wir heute wahrscheinlich nicht einmal mehr erahnen. In der Antike, zur Zeit von Paulus, war das kaum vergleichbar. Männer und Frauen waren nicht gleichermaßen Mensch, Männer und Frauen waren nicht gleich, im Gegenteil die Männer waren die Vorsteher des Hauses, die Frauen waren ihnen untergeben, denn nur die Männer waren Menschen im Vollsinn, die Frauen doch nur in sehr abgeleiteter Weise. Es war ein grundlegender Unterschied, ob jemand frei geboren war, über eigenes Geld verfügen und über sein Leben bestimmen konnte oder ob jemand ein Sklave oder eine Sklavin war, die nicht einmal über ihren Körper bestimmen konnte, keine Familie gründen, keinen Besitz haben durfte und natürlich niemals an politischen Entscheidungen mitwirken konnte. Sklaven gehörten wirklich jemand anderem, so wie vielleicht ein Staubsaugerroboter uns heute gehört. Und aus jüdischer Sicht war es ein fundamentaler Unterschied, ob man Jude war oder Nicht-Jude war, denn aus jüdischer Sicht hatten nur die Juden Anteil an Gott, an der Verheißung, dass Gott bei uns ist alle Tage. Deshalb mussten sich die Juden ja auch so fernhalten von den nichtjüdischen Menschen oder jedenfalls einige unter ihnen. Immer gab es natürlich auch damals schon Freigeister und Grenzüberschreiterinnen. Aber das waren wenige Ausnahmen. Aber Paulus schrieb: Es zählt alles nicht mehr! Ihr seid gleich! Ihr gehört dazu und zusammen!
Christenleben heuteDieser kleine Abschnitt im Galaterbrief, der heute unser Predigttext ist, gehört zu den ganz zentralen Texten unserer christlichen Überlieferung. Er ist so etwas wie die Magna Charta des Christentums. Zum einen betont er die Bedeutung des Glaubens und damit sind wir im Kern der Rechtfertigungslehre des Paulus. Nur der Glaube bringt uns zu Gott.
Zum andern spricht unser Text von dieser radikalen Konsequenz im Christ- und Christin-Sein. Als Kirche sind wir diesem Anspruch jahrhundertelang hinterhergehinkt und noch immer hinken wir ihm hinterher. Denn noch immer gibt es bei uns Diskriminierung und Ungleichheiten. Das macht mich oft ärgerlich. Zugleich bleibt es eine Herausforderung, diesen Satz ernst zu nehmen und zu leben, immer wieder in unserem Miteinander. Und ich finde zumindest als protestantische Kirche in Europa und Nordamerika sind wir, was die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Kirche betrifft, in den letzten 50 Jahren ganz schön weitergekommen. Das ist doch mal ein Lichtblick. Also weiter so! Amen.
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