Epiphanias (06. Januar 2023)
2. Korinther 4,3-6
IntentionDie Botschaft vom Kommen Jesu und vom Anfang einer neuen Schöpfung wird heute oft als Hindernis betrachtet auf dem Weg zu einer friedvollen Welt. Doch das „helle Licht des Evangeliums" entzieht sich politischen Erziehungsmaßnahmen zu mehr „Toleranz“. Die Wahrheit des Gekreuzigten lässt sich nicht relativieren, sie ist existenziell: Gott ist verletzlich. Der Friede von Bethlehem ist ohne das Erschrecken darüber nicht zu haben.
4,3 Ist aber unser Evangelium verdeckt, so ist’s denen verdeckt, die verloren werden, 4 den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes. 5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen. 6 Denn Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
Der Anfang einer neuen SchöpfungIn den Kirchen des Ostens ist heute Weihnachten. Wir – am Erscheinungsfest – feiern mit! Wir singen vom Stern über Bethlehem, vom Leuchten des Morgensterns hinein ins Dunkel des Weltgetriebes, vom Kind in der Krippe, das diese Welt trägt und erhält. Dazu hören wir die geheimnisvoll schöne Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland. Der Lauf der Sterne und die Wege der Menschen finden zueinander. Gottes Wille geschieht: wie im Himmel, so auf Erden.
Mit dem Erscheinungsfest hat sich die Geburt Jesu Christi zu einem universalen, ja kosmischen Ereignis ausgeweitet. Seine Strahlen gehen hinaus in alle Himmelsrichtungen gehen und verkünden den Beginn einer neuen Schöpfung. „Es werde Licht!“ – das allererste Gotteswort vom Anfang der Welt findet seinen Widerhall in den Herzen der ersten Christen, und auf dem Gesicht des neugeborenen Jesuskindes leuchtet der erste Tag der neuen Schöpfung auf. Hier spricht derselbe Gott, der vom Anfang her einlädt: Schau hin! – „Siehe! Es war sehr gut.“
Glaubensgewissheit und ihre GefährdungDoch wo viel Licht ist, da ist auch Schatten. Mitten im Glanz des Sterns über Bethlehem geschieht es, dass die Gäste aus dem Morgenland, kaum angekommen im Land des Erlösers, sogleich hineingezogen werden in einen höllischen Abgrund aus Machtgier und Mord an unschuldigen Kindern. Das Bethlehem des Jesuskindes liegt nicht weit vom Jerusalem des Königs Herodes.
Und so sehr ein „heller Schein“ die Herzen der ersten Christenmenschen erleuchtet, so heftig tun sich zugleich Abgründe auf. Das Herz, dieser rätselhafte Ort menschlicher Gewissheiten, vermag auch zu einem Loch rabenschwarzer Verschlossenheit zu werden.
Von den „Ungläubigen“ und „Verblendeten“ hören wir den Apostel reden, von denen, die verloren gehen. Vernebelt ihre Sinne, können sie das Licht nicht sehen, sind sie blind für die Wahrheit, bleibt es dunkel in ihren Herzen.
Toleranz und WahrheitDarf Paulus so reden? Wie kann er mit dem „hellen Schein“ weihnachtlicher Christuserkenntnis im Herzen ein solches Urteil über seine Gegner fällen? Tobt sich hier ein Fanatiker aus, ein Hassprediger, den man besser canceln, zum Schweigen bringen sollte?
Längst neigen viele Zeitgenossen dazu, es in Glaubensfragen „nicht mehr so ernst“ zu nehmen wie der Apostel. Ernst ist es ihnen im Gegenteil damit, dass es auf keinen Fall ernst werden darf. Dann werden Gespräche über Gott und die Welt ungemütlich. Oder sie brechen völlig ab. Glaube oder Unglaube? Lassen wir das, ist doch egal! Hauptsache, wir akzeptieren unterschiedslos, was unseren „Respekt“ erfordert. Richtig oder falsch? Die Standardantwort in einer Schulklasse lautet: Das muss jeder für sich entscheiden. Wenn der christliche Glaube der erhofften Harmonie im Weg steht, dann hat er die zweite Geige zu spielen. Gerade Paulus ist so zur Zielscheibe moderner Kritik geworden. Auf allen Kanälen brechen Mahnungen über uns herein, die uns zu „Respekt“ und „Toleranz“ erziehen wollen. Mit seinem Reden über die „Ungläubigen“ scheint der Apostel aus der Zeit gefallen zu sein. Nur ja kein falsches Wort, nur ja keine zu große Gewissheit des eigenen Glaubens nach außen kehren! Das riecht nach Hochmut, nach Diskriminierung Andersgläubiger. „Die Wahrheit gibt es nicht!“ Messerscharf ist mir dieser Satz ins Ohr gedrungen – aus Theologenmund – bei der Frage, ob Christen die Botschaft von Jesus Christus als ein Wort weitersagen dürften, das wahr zu sein beansprucht. Widerspruch war nicht geduldet.
Aber dass es die Wahrheit nicht gäbe, dass alles egal sei, kann man nur so lange behaupten, solange im Winter die Heizung noch funktioniert und wir genug zu essen auf dem Tisch finden. Dass es die Wahrheit nicht gäbe, damit kann sich nur selbst beruhigen, wer nicht mit Gegenwind rechnen muss.
Gerade dort, wo jemand behauptet, es gäbe keine Wahrheit, ist Misstrauen angesagt. Umso mehr werden nämlich andere „Wahrheiten“ ins Zentrum gerückt. Immer wieder passiert es, dass im politischen Leben das Kreuz Jesu als ein Störfaktor bekämpft wird. In einer Atmosphäre von „Toleranz und Vielfalt“ hat es vermeintlich keinen Platz. Dann wird es eben abgenommen. Oder der Konferenzraum wird umdekoriert extra für Gäste, die daran Anstoß nehmen könnten. Das alte Bibelwort an der Kuppel des neu errichteten Berliner Schlosses ist zum Zankapfel geworden. Ihn gilt es zu beseitigen: „In keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“ Nämlich: Jesus Christus. Weit entfernt von festlicher Glaubensgewissheit, von der Schönheit christlichen Feierns, hat sich unter dem Deckmantel von Toleranz und Vielfalt Feindseligkeit breitgemacht. Sie möchte den Glanz des Sternes von Bethlehem zurückdimmen auf das Funkeln harmloser Festtagsdekoration. Die Weihnachtsbotschaft soll durch einen leichter verdaulichen Inhalt ersetzt werden. Solche gut gemeinte Feindseligkeit erzieht ihre Mitmenschen zu inhaltsleerer Gleichgültigkeit und möchte selbst eine tolerante und bessere Welt schaffen. Aber wer die Lichter der Erinnerung an ihrem Ursprung beraubt, lässt die Hoffnung auf eine neue Welt verblassen. Diese Hoffnung hat ihr Licht von eben jenem Jesus-Namen, „durch den wir sollen selig werden.“
Welches Versprechen gilt?Ja, Paulus darf so reden: „Der Gott dieser Welt hat ihnen den Sinn verblendet.“ Im Kern geht es immer um die Frage: Welche Atmosphäre, welcher Geist, welche Namen bestimmen über die „Herzen“ der Menschen? Paulus spricht vom „Gott dieser Welt“. Ich verwende dafür den Ausdruck „Zeitgeist“: die geistige Atmosphäre, die in einer Gesellschaft die Vorherrschaft behauptet. Der Zeitgeist verspricht „Rettung“, er kommt im Namen des Guten daher – wer wollte schon etwas Böses anstellen mit den Menschen, mit der Welt? Der Zeitgeist fordert auch etwas, nämlich einen Glauben. Und er verlangt Gefolgschaft. Er ist auch nur so lange tolerant, wie wir bereit sind, ihm zu folgen. Dass Menschen in den vergangenen Jahren ausgeschlossen wurden aus dem gesellschaftlichen (wie auch aus dem kirchlichen) Leben, gehört zu den Früchten dieses Geistes.
Aber es gibt einen Weg, das Reich Gottes von der Herrschaft des Zeitgeistes zu unterscheiden, die Botschaft der Liebe Gottes von gut gemeinten Absichten, den Stern über Bethlehem von den Versprechungen derer, die ganz genau wissen wollen, wohin die Reise im neuen Jahr 2023 gehen soll.
Die Geschichte von der Erscheinung Jesu Christi ist einfach zu schön, als dass sie sich zum Instrument leerer Versprechungen machen ließe. Der Stern über der Krippe von Bethlehem leuchtet zu klar, als dass er sich vernebeln ließe in Parteiengezänk und Krisengeschrei. Er bleibt stehen, wo Gotteswille und Menschenwege einander nahekommen: über dem Stall von Bethlehem.
Wohin also sollen wir gehen im neuen Jahr? Genau dorthin!
Paulus hat das Jesuskind nicht gekannt. Aber er war ihm auf der Spur. Die göttliche Klarheit in der Nacht von Bethlehem leuchtet für Paulus erst recht auf im Gesicht des gekreuzigten Jesus: Hier ist „das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi. Er ist das Ebenbild Gottes“. Und war bereits das Kind Jesus nicht willkommen in dieser Welt, so schreibt Paulus nach Korinth diese Worte: „Denn ich hatte mir vorgenommen, unter euch nichts anderes zu wissen als nur Jesus Christus, und zwar als Gekreuzigten.“
Das „helle Licht des Evangeliums“, das Ebenbild Gottes auf dem Gesicht des gekreuzigten Jesus! Wer mag diesen Anblick auf sich wirken lassen?
Die Furcht vertreibenWer es tut, wird wohl erschrecken. Erschreckend ist das – was sonst!, wenn all die geschundenen Menschengesichter dieser Welt sich wie in einem Brennglas vereinen im Angesicht Jesu. Erschreckend ist es, wenn Gott selbst mit diesen Gesichtern in Verbindung gebracht wird: ein verletzlicher Gott, der wie alle Menschenkinder verletzlich ist. Bevor sie das fassen können, muss auch den Hirten von Bethlehem zugerufen werden: Fürchtet euch nicht!
Am Anfang aller christlicher Hoffnung steht eine Freudenbotschaft, für die der „Gott dieser Welt“ keinen Sinn hat und der deshalb auch den Sinn der Menschen zu verblenden sucht. Der Zeitgeist macht Versprechungen – die Botschaft von der Erscheinung Christi spricht den Menschen den Frieden zu, den sie sich selbst nicht geben können. Dieser Frieden ist ohne den Schrecken nicht zu haben, die Freudenbotschaft nicht ohne den Ruf: „Fürchte dich nicht“. Vertrauen in die Zukunft der Welt ist nicht zu haben ohne den Blick auf das Kind in der Krippe. Seine Windeln erzählen von Gottes Barmherzigkeit, der Weg dieses Kindes ist der Weg Gottes mit allen Menschenkindern. Das Licht des ersten Tages der Schöpfung hat sich auf den Weg gemacht:
"… mit seinem hellen Scheine
vertreibt’s die Finsternis.
Wahr‘ Mensch und wahrer Gott,
hilft uns aus allem Leide,
rettet von Sünd und Tod."
(EG 30, 3)
Amen.
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