Jubilate (08. Mai 2022)
Pfarrer i.R. Dr. Gerhard Schäberle-Koenigs, Bad Teinach-Zavelstein [gerhard.schaeberle-koenigs@web.de]
1. Mose 1,1–2,4a
IntentionDie Schöpfungserzählung am Beginn der Bibel ist voller Lob. Das Lob des Schöpfers kommt aus der Tiefe – auch der Osterjubel. Die Predigt lädt dazu ein, dass Menschen auch heute mit ihrer Erfahrung in einer Welt voller Angst, Krieg und Zerstörung Gott loben. Jubilate, lobt Gott!
Liebe Gemeinde,
in unserem Zusammenleben gibt es immer wieder einen Anlass, einen Mitmenschen zu loben. Bei einem Geburtstag, bei einem Jubiläum im Betrieb oder Verein, natürlich bei einem Abschied oder einfach spontan, wenn einer oder eine Aufgabe besonders gut erledigt hat.
Wie machen Sie es, wenn Sie jemanden loben wollen? Mit Worten? Mit einer Geste? Mit einem Geschenk? Ganz spontan oder sorgfältig vorbereitet? Lassen Sie sich etwas Besonderes dafür einfallen?
Manchmal geschieht es, dass ein paar Leute zusammen überlegen, wie ihr Lob am schönsten ausgedrückt wird. So war es zum Beispiel bei einem Malkurs. Einige Frauen waren fünf Tage beieinander voller Begeisterung. Ihre Lehrerin hat ihnen gut geholfen und sie mit ihrem Lob angespornt. Zum Abschluss des Kurses standen sie beieinander, stießen auf die schöne Woche an, und sie überreichten ihrer Lehrerin ein wunderschönes Geschenk. Es war ein Bild, das alle Teilnehmerinnen zusammen gemalt hatten, heimlich, ohne dass sie etwas davon mitbekommen hatte. Eine Teilnehmerin hielt eine kleine Dankesrede. Die Lehrerin war gerührt. So ein schönes Lob und so einen schönen Dank hatte sie bisher noch nie bekommen.
JubilateHeute haben wir auch einen Anlass zum Loben. Wir loben Gott. Der Name des Sonntags gibt dies vor: Jubilate. „Jauchzet Gott alle Lande, rühmet ihn herrlich!“
Die Bibel ist voll des Lobes über Gott. Sie fängt gleich auf der ersten Seite mit Gotteslob an. Hören Sie aus dem Buch 1. Mose, Kapitel1 und 2, den Anfang der Bibel:
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe;
und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.
Und Gott sprach:
Es werde Licht! Und es ward Licht.
Und Gott sah, dass das Licht gut war.
Da schied Gott das Licht von der Finsternis
und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.
Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
Und Gott sprach:
Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern.
Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste.
Und es geschah so.
Und Gott nannte die Feste Himmel.
Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag.
Und Gott sprach:
Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an einem Ort, dass man das Trockene sehe.
Und es geschah so.
Und Gott nannte das Trockene Erde,
und die Sammlung der Wasser nannte er Meer.
Und Gott sah, dass es gut war.
Und Gott sprach:
Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe,
und fruchtbare Bäume, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen,
in denen ihr Same ist auf der Erde.
Und es geschah so.
Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringt, ein jedes nach seiner Art,
und Bäume, die da Früchte tragen, in denen ihr Same ist, ein jeder nach seiner Art.
Und Gott sah, dass es gut war.
Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag.
Und Gott sprach:
Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht.
Sie seien Zeichen für Zeiten, Tage und Jahre
und seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie scheinen auf die Erde.
Und es geschah so.
Und Gott machte zwei große Lichter:
ein großes Licht, das den Tag regiere,
und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne.
Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, dass sie schienen auf die Erde
und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis.
Und Gott sah, dass es gut war.
Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.
Und Gott sprach:
Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier,
und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels.
Und Gott schuf große Seeungeheuer und alles Getier,
das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art,
und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art.
Und Gott sah, dass es gut war.
Und Gott segnete sie und sprach:
Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet das Wasser im Meer,
und die Vögel sollen sich mehren auf Erden.
Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.
Und Gott sprach:
Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art:
Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art.
Und es geschah so.
Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art,
und das Vieh nach seiner Art
und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art.
Und Gott sah, dass es gut war.
Und Gott sprach:
Lasset uns Menschen machen,
ein Bild, das uns gleich sei,
die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel
und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.
Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde,
zum Bilde Gottes schuf er ihn;
und schuf sie als Mann und Frau.
Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen:
Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde
und machet sie euch untertan
und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel
und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde,
und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.
Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel
und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben.
Und es geschah so.
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte,
und siehe, es war sehr gut.
Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.
So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.
Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte,
und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.
Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn,
weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken,
die Gott geschaffen und gemacht hatte.
Dies ist die Geschichte von Himmel und Erde,
da sie geschaffen wurden.“
Schönheit der SchöpfungIn diesen Worten wird die Schönheit der Schöpfung gelobt: die Blütenpracht, das Licht von Sonne, Mond und Sternen, das Zusammenspiel von Wasser und Land, das Leben von Menschen und Tieren. Am allermeisten wird derjenige gelobt, der das alles geschaffen hat: Gott, der Schöpfer. Ich stelle mir vor, dass nicht ein Mensch alleine diese Worte geschrieben hat. Wahrscheinlich haben viele daran mitgewirkt. Sie waren sich alle einig, dass die Schöpfung schön ist und dass Gott gut ist. Sie überlegten, wie man davon am besten sprechen könnte. Vielleicht hatte jemand eine Idee, wie man es sagen könnte. Andere haben an der Idee weitergedacht und etwas dazu beigetragen. Sie lasen sich gegenseitig die Worte vor. Sie feilten an den Worten, an den Sätzen, am Ganzen, so lange, bis nichts Überflüssiges mehr drin war und bis es richtig gut klang. Die Worte fügten sich zusammen zu einem Hymnus, einem erhabenen Lobgesang. Möglicherweise gab es auch einmal eine Melodie dazu. Diese ist uns nicht mehr erhalten. Aber immerhin: Die Worte haben wir noch. Sie sind in die Bibel hineingekommen: nicht irgendwohin, sondern ganz an den Anfang, auf die allererste Seite. Denn auch dieser Hymnus beginnt mit dem Anfang: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“
Schön ist dieser Hymnus. Er hat sieben Strophen wie die Woche sieben Tage hat. Er hat einen Refrain, den sogar Kinder sich schon merken können: „Da ward aus Abend und Morgen der 3. Tag, der 4. Tag und so weiter bis zum 7. Tag. Und er hat noch einen Refrain: „Und Gott sah, dass es gut war.“
Und es ist an alles, was wir in der Schöpfung wahrnehmen können, gedacht. In einer guten Ordnung. Das war ihnen wichtig. Sie wussten und sagten es schon lange: „Wie herrlich sind deine Werke. Du hast sie alle weise geordnet.“
Schön ist auch, dass sie in ihrem Lob Gottes den Menschen ans Ende gesetzt haben, als I-Tüpfelchen der Schöpfung sozusagen. Vielleicht war es auch Bescheidenheit. Der Mensch sollte nicht an der Spitze der Schöpfung stehen. Wie auch immer, nach allen Schöpfungswerken kommt das Allerschönste, nämlich der Ruhetag. Die Pause, in der alles Schaffen für einen Tag ruht. „Das ist sehr gut. Das ist sehr schön“, lassen sie Gott am Ende sagen.
Hört man sich noch einmal das Ganze an, dann merkt man erst: Die Verfasser haben sehr darauf geachtet, dass die Menschen, kleine und große, sich das ganz leicht merken können. Sie haben größere oder kleinere Teile davon im Kopf parat. Oder besser: im Herzen.
Schöner kann man Gott nicht loben. Denn sehr schön und sehr gut ist alles, was Gott geschaffen hat.
Es grünt, was nur grünen kannWir sind in der Osterzeit. Die Pracht, die Gott in seine Schöpfung gelegt hat, hat sich wieder in allen Farben entfaltet. Alles ist voll des Lebens. Es grünt, was nur grünen kann. Die ersten Früchte sind schon zu sehen. Noch nicht reif. Und doch wecken sie schon die Lust aufs Genießen.
Jetzt ist es offensichtlich. Die dunkle Jahreszeit konnte das Leben nicht zum Erliegen bringen. Neues ist hervorgebrochen. Was wir in der Natur beobachten, kann uns ein Gleichnis sein für das, was an Ostern geschehen ist. Jesus lebt, obschon er tot war. Das Leben hat gesiegt gegen alle Versuche, es auszulöschen. Gott hat das Leben neu erschaffen.
Zu schön, um wahr zu sein?Und gleichzeitig leben unter uns verängstigte und niedergeschlagene Menschen. Menschen, denen das Leben entgleitet. Sie haben eine Krankheit in sich, die alles, was schön war in ihrem Leben, auszulöschen droht. Zum Loben und Danken finden sie weder Worte noch Töne. Das Gute und Schöne in ihrem Leben scheint verloren.
Unter uns leben auch Menschen, die von ihren Mitmenschen übel enttäuscht wurden. Sie haben niemanden mehr, dem sie vertrauen können. Das Liebste ist ihnen genommen worden. Jetzt sind sie allein mit ihrer Enttäuschung. Nur Wut gesellt sich noch dazu. Allein mit Hartherzigkeit glauben sie, überleben zu können.
Und nicht weit weg von uns, in der Ukraine erleben und erleiden die Menschen todbringende Gewalt, entfesselte Vernichtungswut, Missachtung des Lebens. Sie erleben Nacht für Nacht und Tag für Tag, wie grausam mächtig und hässlich die Bosheit sich aufspielt. Ratlos nehmen wir es wahr und können nur wenig helfen, sei es durch einen Dienst an Geflüchteten, sei es durch Spenden. Unter all diesem Schrecken hat es das Lob Gottes manchmal schwer, Töne zu finden.
Loben kommt aus der TiefeWenn wir uns all das vor Augen halten oder selbst mittendrin stecken, dann kommt uns vielleicht zuallerletzt oder gar nie in den Sinn, Gott zu loben. Wofür denn auch? Da kann man doch nur klagen, schreien, heulen vor Wut und Verzweiflung. Das kann viele Nächte dauern. Und ist doch nötig.
In der Bibel ist die Rede von drei Tagen. Drei Tage waren die Freunde Jesu in der Finsternis gefangen. Nichts kam ihnen in den Sinn, womit sie die Finsternis in ihrer Seele hätten vertreiben können. Und doch wich sie ohne ihr Zutun. Und doch geschah es, dass ihnen die Augen geöffnet wurden und sie das neue Leben sahen. Jesus, der getötet worden war, ließ sich selbst sehen. Das neue Leben, das sie erblickten, leuchtete ihnen wie das Licht am ersten Tag, ganz am Anfang.
Und sie lobten Gott, heißt es in fast allen Ostergeschichten. Loben und danken kommt aus der Tiefe. Oder es ist oberflächlich, fad und nicht ernst zu nehmen.
Ich bin überzeugt: Die Menschen, die das große Lob Gottes in Worte gefasst haben, wie es in der Bibel ganz am Anfang steht, kannten auch dunkle Seiten des Lebens. Sie lebten nicht im Paradies. Sie kannten Leid, Gewalt und Gemeinheit. Auch ihr Lob kommt aus der Tiefe.
Doch ihr Lob Gottes wurde – vielleicht deswegen – so gut und so schön.
Schöpfungslob und Osterlob Gottes sind aufgehoben durch alle Zeiten. Auch für uns. Auch für die Zeiten, in denen wir selbst keine Worte finden. Amen.
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