Erntedank (03. Oktober 2021)
2. Korinther 9, 6-15
IntentionErntedank: Reich geschmückte Kirchen. Sichtbarer Dank für die Ernte des Jahres.
Die aktuelle Lage: Corona und kein Ende. Überflutungen, die zeigen: Der Klimawandel ist nicht mehr zu leugnen.
Der Predigttext: ein Spendenaufruf, ein Lob auf die Großzügigkeit.
Daneben eine Gesellschaft, in der eine Geiz-ist-geil-Mentalität durchaus nicht selten ist.
Wie passt das zusammen? Was gibt es da zu danken an Erntedank 2021?
Wegen der viel besseren Verständlichkeit schlage ich vor, den Predigttext in der Fassung der Basisbibel zu verlesen.
Ich erlebe Erntedank in diesem Jahr so widersprüchlich. Auf der einen Seite der reich geschmückte Erntedankaltar. Er lässt den Eindruck entstehen, als wäre alles gut. Früchte und Blumen zeigen: Das Gartenjahr war gut, die Landwirte konnten ihre Ernte einbringen. In weiten Teilen des Landes kann man mit den Erträgen einigermaßen zufrieden sein. Auf der anderen Seite: Die Nachrichten der vergangenen Monate berichteten Erschreckendes. Ungeahnte Hitzeperioden in eigentlich gemäßigten Temperaturzonen, Waldbrände weltweit. Starkregenereignisse und Überschwemmungen in vielen Ländern der Erde. Eine Flutkatastrophe ungeahnten Ausmaßes in Deutschland. Der Klimawandel nimmt apokalyptische Züge an.
Müsste man da nicht zum Maßhalten aufrufen? Müsste nicht das ganze Leben bescheidener werden: weniger Autofahren, weniger reisen, weniger konsumieren?
Dann lese ich den Predigttext aus dem 2. Korintherbrief, höre vom überfließenden Reichtum der Gaben und bin beinahe fassungslos über das überschwängliche Lob der Großzügigkeit. Doch hören Sie selbst. Paulus schreibt in 2. Korintherbrief 9,6-15 (Basisbibel):
Das aber sage ich euch:
»Wer spärlich sät, wird spärlich ernten. Und wer reichlich sät, wird reichlich ernten.«
Jeder soll so viel geben, wie er sich selbst (im Herzen) vorgenommen hat. Er soll es nicht widerwillig tun, und auch nicht, weil er sich dazu gezwungen fühlt. Denn »wer fröhlich gibt, den liebt Gott«.
Gott aber hat die Macht, euch jede Gabe im Überfluss zu schenken. So habt ihr in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit alles, was ihr zum Leben braucht. Und ihr habt immer noch mehr als genug, anderen reichlich Gutes zu tun.
So heißt es ja in der Heiligen Schrift: »Er verteilt Spenden unter den Armen. Seine Gerechtigkeit steht fest für immer.«
Gott gibt den Samen zum Säen und das Brot zur Speise. Er wird auch euch den Samen geben und eure Saat aufgehen lassen. Und euer gerechtes Handeln lässt er Frucht bringen.
Er wird euch so reich machen, dass ihr jederzeit freigebig sein könnt. Und aus eurer Freigebigkeit entsteht Dankbarkeit gegenüber Gott, wenn wir eure Gaben überbringen.
Denn die Ausübung dieses Dienstes hilft nicht nur dem Mangel ab, an dem die Heiligen leiden. Sie ist auch deshalb so wertvoll, weil sie so große Dankbarkeit gegenüber Gott auslöst.
Weil ihr euch in diesem Dienst so bewährt habt, werden sie Gott loben. Denn daran sehen sie, dass ihr euch gehorsam zum Evangelium (zu der Guten Nachricht) von Christus bekennt. Und sie werden ihm für eure Freigebigkeit danken. Denn an ihr zeigt sich, dass ihr mit ihnen und allen Gemeinschaft haltet.
Und wenn sie für euch beten, werden sie das voll Sehnsucht nach euch tun. Denn sie haben erkannt, dass Gott euch in so reichem Maße seine Gnade geschenkt hat.
Dank sei Gott für seine Gabe, die so unbeschreiblich groß ist!
Von Sparsamkeit keine Spur. Nein, dieser Abschnitt aus dem 2. Korintherbrief ist ein Loblied auf die Großzügigkeit. Eine Großzügigkeit, die aus dem Herzen kommt und dabei die Sparsamkeit vergessen lässt, den Geiz sowieso. Eine Großzügigkeit, die ihren Ursprung hat in einer noch viel größeren Großzügigkeit, die so unfassbar reich macht, dass sie einfach überfließend ist. Es ist die Großzügigkeit Gottes, an die Paulus erinnert. Sie ist der Ursprung aller Gaben. „Weil du reichlich gibst, müssen wir nicht sparen“, wie es in einem Lied heißt. Im Abschnitt vorher hat Paulus zu Spenden für Bedürftige aufgerufen. Jetzt argumentiert er. Paulus macht gar keinen Druck. Keine Rede von „Du musst, sonst…“ oder „Man sollte…“ Paulus nimmt seine Gemeinde mit hinein in die Geschichte Gottes mit den Menschen. Sie ist so reich und überschwänglich, dass man davon einfach weitergeben muss. Ideell und materiell, spendabel und ganz fröhlich.
Saat und ErnteWie so oft benutzt die biblische Sprache Bilder aus der Landwirtschaft – Saat und Ernte. Aber ich stolpere darüber. Der Vergleich hinkt doch. Ist das wirklich so? Ist das ein Automatismus: »Wer spärlich sät, wird spärlich ernten. Und wer reichlich sät, wird reichlich ernten?« Mir ist das zu pauschal. Liegt eine gute Ernte tatsächlich nur am Landwirt? Für eine gute Ernte ist die Landwirtschaft doch auf so viel anderes auch noch angewiesen. In erster Linie auf das richtige Wetter zur richtigen Zeit, aber auch auf politische Vorgaben und und entsprechende Absatzmöglichkeiten.
Und schon stolpere ich über den nächsten Satz „Denn wer fröhlich gibt, den liebt Gott.“
Ist das Geben eine Bedingung, dass mich Gott lieb hat?
Alles, was man zum Leben brauchtDoch der nächste Satz weitet meinen Blick hin zu Gott. Er schenkt und gibt im Überfluss. Alle Menschen sind im Blick. Gott schenkt Gnadengaben und Begabungen aller Art. So reichlich, dass es jederzeit voll genug ist und man locker davon abgeben kann. „Volle Genüge“, im griechischen Urtext steht Autarkie. Autark sein, das bedeutet, alles zu haben, was man zum Leben braucht. Autark heißt: keine wirtschaftliche Not spüren, sein Leben selbst bestimmen und die Freiheit haben abzugeben, weiterzugeben, Gutes zu tun.
Alles haben, was man zum Leben braucht. War das möglich im vergangenen Jahr, dem zweiten nach oder mit Corona?
RückblickErntedank ist ja immer auch (dankbarer) Rückblick. Konnten wir teilen, weitergeben, helfen? War genug da?
Corona und seine Folgen haben uns neu gezeigt, was es zu gutem Leben braucht.
Das sind zum einen ganz konkret die Lebensmittel. Dass in Deutschland irgendwann einmal kein Mehl und keine Hefe mehr in den Regalen der Lebensmittelläden stehen könnten, hätte ich mir nie vorstellen können. Aber so war es vor anderthalb Jahren während des ersten Lockdowns. Was konnte man damals tun? In der Nachbarschaft fragen, war meist eine gute Idee. Ich bekam irgendwann den Tipp, im nächsten Dorf beim dortigen Raiffeisen-Markt nachzufragen. Natürlich, das Lagerhaus, wie es früher im Dorf genannt wurde, wie konnte ich das vergessen. Im Lagerhaus gab es alles: Saatgut, Kunstdünger, Arbeitskleidung und eben auch Mehl. Das war doch die Idee von Raiffeisen: Die Bauern schließen sich zusammen zu Genossenschaften und unterstützen sich gegenseitig. Funktioniert noch immer. Die große Tüte Mehl war für unseren Normalhaushalt etwas überdimensioniert, aber das Problem war gelöst.
Was auch gut war in Coronazeiten: Lebensmittel gleich direkt im Hofladen einkaufen. Da weiß man, wo es herkommt und wie es produziert wird. So einzukaufen heißt, bäuerliche Familienbetriebe vor Ort wahrzunehmen, wertzuschätzen und sie zu unterstützen.
Was ist also wichtig für ein gutes Leben? Die Krisen der letzten Monate haben gezeigt: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, so wichtig die Lebensmittel auch sind. Daneben braucht es das Wahrnehmen und Mitdenken, die Gemeinschaft und die Solidarität, das Teilen und Abgeben, einen fairen Umgang miteinander, das Sich-Einsetzen für gerechte Strukturen und den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Da sind alle gefragt, gerade auch die Menschen, die nicht in der Landwirtschaft tätig sind.
Was bewirken Spenden?Noch einmal zurück zum Lob der Großzügigkeit, dem Schwerpunkt unseres Abschnitts aus dem 2. Korintherbrief, der ja ein Spendenaufruf ist.
Was bewirken Spenden? Zuallererst: Sie lindern Mangel. Soforthilfe ist wichtig, um bei aktueller Not schnell reagieren zu können.
Paulus spricht einen zweiten Aspekt an. Spenden lösen Dankbarkeit aus – gegenüber Gott. Paulus behauptet das so. Stimmt das? Spenden zeigen jedenfalls, dass es Menschen gibt, denen es nicht egal ist, wenn andere in Not sind. Sie sind Zeichen der Verbundenheit. Könnte man nicht sogar sagen: Wenn Menschen gemeinsam leben und füreinander da sind, zeigt das, dass es Gott gibt?
Gott steckt hinter allem, daran erinnert Paulus. Hinter den überreichen Gaben und Begabungen, hinter der großherzigen Gesinnung der Gebenden. Und wer sich helfen lässt, spürt Gottes Beistand besonders. So sind alle in Gott verbunden.
Gott wirkt»Wer spärlich sät, wird spärlich ernten. Und wer reichlich sät, wird reichlich ernten.«
Dass Paulus seinen Spendenaufruf mit einem Bild aus der Landwirtschaft verknüpft, heißt nicht, dass hier nur Landwirtinnen und Landwirte gemeint wären. Das Bild von Saat und Ernte wird weiter gefasst. Es inspiriert, den Reichtum der eigenen Gaben zu entdecken, seien sie materiell oder ideell oder beides. Das Bild von Saat und Ernte motiviert, etwas zu tun, überhaupt anzufangen, ohne gleich alles vom möglichen Erfolg her zu betrachten. Es kommt erst einmal auf die Einstellung an, auf das, was sich ein Mensch im Herzen vorgenommen hat. Ob es etwas bewirkt? Ob es Frucht trägt? Ganz sicher. Gottes Segen wird wachsen lassen, was wir säen. Darauf können wir uns verlassen. Amen.
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