2. Advent (06. Dezember 2020)
Jakobus 5, 7-8
IntentionAdvent ist Wartezeit, heißt es. Aber Warten ist ja nicht bloß Untätigkeit, Langeweile und lebloses Ausharren. Während man wartet, kann man doch schon das Leben genießen. Daran soll die Predigt erinnern.
Geduldig auf etwas warten, das fällt nicht nur Kindern schwer. Das erzählt auch diese kleine Geschichte: Ein kleines Mädchen, ein bisschen älter als zwei Jahre. Nach dem Mittagschlaf wird es von seiner Mama aus dem Kinderbettchen geholt. Und die findet ein glücklich strahlendes Mädchen, von Schokolade verschmiert. Es hat die Zeit genutzt. Nicht zum Schlafen. Es hat sämtliche Türchen des Adventskalenders geöffnet und genüsslich die Schokolade genascht. Eine helle Freude war das. Dass dann trotzdem beim Öffnen des letzten Türchens nicht gleich schon Weihnachten war, das konnte sie locker verschmerzen. Erst einmal war sie glücklich und schokoladensatt.
Auch viele Erwachsene können nicht gut warten. Die Adventszeit als Zeit des Wartens hat schöne Traditionen, die das Warten verkürzen und lehrt uns doch, dass das Warten etwas Schönes sein kann. Kerzen und der Duft von Weihnachtsgebäck, Geheimnisse hüten wegen der Geschenke, Vorfreude. Ohne die Wartezeit im Advent gäbe es das alles nicht.
Die Corona-Zeit lehrt uns auch zu warten. Warten auf den Einsatz des Impfstoffs, der wieder ein Leben möglich macht, das ähnlich dem ist, wie wir es bislang kannten. Warten auf die Lockerung des erneuten Lockdowns. Warten darauf, dass die Infektionszahlen sinken. Warten auf Umarmungen und echte menschliche Begegnungen. Mit Nähe und ohne social distancing.
Auch im heutigen Text aus dem Jakobusbrief geht es um Warten und Geduld (Jakobus 5,7-8):
„So seid nun geduldig, Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.“
„So seid nun geduldig!“ Es klingt nach dem Gebot der Stunde. Und das war es ganz ohne Corona schon damals. Und angesichts der Welt, in der es immer mehr drunter und drüber zu gehen scheint, könnte man doch glatt ungeduldig werden, weil das Kommen des Herrn noch immer nicht da ist. Der Text ist doch nun schon alt. Wann wird denn endlich die neue Welt Gottes anfangen, die Jesus versprochen hat? Wenn sie kommt, wird auch er wiederkommen und alle Menschen werden sehen, dass sein Weg zum Leben führt. Weg von Enge, Hass und Leid. So lange schon warten wir Christen darauf.
Geduldig zu sein ist gut, und zugleich ist Geduld auch begrenzt. Wir sollen und müssen uns gedulden bis zum Kommen des Herrn. Bis der Moment kommt, auf den auch ein Bauer immer und immer wieder wartet: Bis die kostbare Frucht endlich gewachsen ist. Das dauert. Das braucht geduldiges Warten.
Aber ich bin überzeugt: In der Wartezeit müssen wir nicht passiv bleiben und träge die Langeweile ertragen. Denn die frohe Botschaft, die lebt schon unter uns, der Auftrag Gottes an uns, der gilt schon jetzt, seine herzstärkenden Worte sind schon da. „Friede auf Erden, liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Damit können wir anfangen. Jetzt schon. Auf all das müssen wir nicht warten. Damit können wir schon jetzt großzügig und verschwenderisch umgehen. Gerade jetzt in dieser Zeit können wir mit erhobenem Kopf auf den schauen, der schon da war. Der von Gottes neuer Welt gesprochen hat. Und der gesagt hat: Ich werde wiederkommen. Wir können Hoffnung haben, die sein Kommen uns verheißt. Und jetzt schon sieht er uns an. Sieht uns, wie wir sind und liebt uns. „Ich bin bei euch, alle Tage", das hat er ja versprochen. Also ist er uns auch nahe, wenn wir jetzt warten.
Er kommt uns nah, über social distancing hinweg. Er ist schon da, wenn auch noch nicht vollumfassend. Und bis dahin, müssen wir nicht gramgebeugt unseren Alltag leben, sondern dürfen mit erhobenem Kopf vorausschauen auf das, was kommt: Christus selbst.
Und das dürfen wir weitergeben. Am Telefon, übers Internet oder auf anderen Wegen. Es ist diese Botschaft, die das Warten erträglich macht. Die unsere Herzen stärkt. Die uns den Kopf tatsächlich heben lässt. Weil wir wissen, dass der kommt, der uns kennt, der uns in die Augen schaut und uns tatsächlich auf Augenhöhe begegnet. Damit wir wissen, worauf wir warten, hat er sich klein gemacht, damit wir groß sein können. Nicht umgekehrt, wie es in unserer Gesellschaft üblich ist. Er hat vieles erduldet und erlitten, damit wir Freude und Freiheit erleben können.
Wir müssen uns in vielem gedulden. Der Herr kommt nicht früher, wenn wir ungeduldig mit den Füßen scharren oder andere verrückt machen, weil wir denken, wir könnten irgendetwas dazu beitragen, dass er schneller kommt. So geht das auch nicht bei der Ernte. Die Früchte wachsen nicht schneller, nur weil wir das wollen.
Aber vielleicht ist das Mädchen und seine Schokolade ein Sinnbild dafür. Mit dem Adventskalender kam Weihnachten schon in sein Kinderzimmer. Das Mädchen hat nicht abgewartet, sondern losgelegt und von Herzen die vielen Schokoladenstückchen genossen. Weihnachten kam dann in jenem Jahr trotzdem. Nicht schneller. Aber, dass es kommt, war sicher. Das Mädchen hat sich nicht geduldet, sondern die Freude gleich gelebt. Das war nicht das, was wir Erwachsenen tun und auch nicht das, was sich seine Mama vorgestellt hatte. Aber es war in diesem einen Moment die größtmögliche Freude und genau das ist es, was uns als Christinnen und Christen verheißen ist. Es ist gut, wenn wir uns solche Freude ab und zu gönnen.
Jetzt schon dafür sorgen, dass Freude möglich wird. Ich kann Missstände ansprechen, die anderen das Leben schwer machen. Ich kann mich für meine Nächsten einsetzen, damit sie nicht leiden müssen, sondern die Freude spüren, die für alle da sein soll. Ich muss keine Toleranz gegenüber Hass und Unrecht haben, sondern tapfer sagen, was nicht in Ordnung ist. Ich kann Nöte sehen und lindern. Und zugleich geduldig sein, wo es wichtig und nötig ist. Im Warten auf den, der da kommt. In der Hoffnung auf die Welt Gottes, die kommen wird. Und im Vertrauen darauf, dass Gott alles eines Tages zum Guten führen wird, weil es eben schon jetzt solche Schokoladenmomente gibt.
Dass uns das gelingt, das schenke uns Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.
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