Christnacht (24. Dezember 2019)
Sacharja 2, 14-17
IntentionDie Predigt möchte einladen, Ruhe und Stille sowie Freude und Bewegung als zwei Pole der weihnachtlichen Gottesbegegnung wahrzunehmen.
2, 14 Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion!
Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR.
15 Und es sollen zu der Zeit viele Völker sich zum HERRN wenden und sollen mein Volk sein, und ich will bei dir wohnen (…)
17 Alles Fleisch sei stille vor dem HERRN; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!
Niemand hatte es gehörtNiemand hatte es gehört. Dass es an der Tür klingelte. Es hatte ja auch niemand damit gerechnet. Luise spielte völlig versunken mit ihrer neuen Puppenstube. Martin hatte die Kopfhörer auf und hörte Musik vom Smartphone, das unterm Weihnachtsbaum gelegen hatte. Tim fand es wundervoll, aus Bauklötzen Türme zu bauen und sie unter Getöse zusammenstürzen zu lassen. Die hörten nichts.
Die Erwachsenen saßen am Esstisch und waren in eine lebhafte Diskussion vertieft über das Mädchen mit den Zöpfen aus dem Land von Pippi Langstrumpf. Die hörten also auch nichts.
Die einzige, die etwas hörte, war sie. Sie hatte sich kurz zurückgezogen in die Küche. Ein bisschen durchatmen nach diesem langen, atemlosen Tag, der damit begonnen hatte, dass sie noch den Christbaum aufstellen mussten, um ihn zu schmücken. Eigentlich machten sie das immer einen Tag vorher, aber dieses Jahr hatte Weihnachten sie irgendwie total überrascht.
Es hatte wie immer gedauert, bis die Frage aller Fragen beantwortet war: „Wie soll er dieses Mal aussehen“? „Rote Kugeln“, hatten sie entschieden. Und das gefiel ihr eigentlich ganz gut.
Nach dem Schmücken nochmal schnell in die Stadt, den Rest einkaufen, dann Essen vorbereiten und hektisch die Kinder umziehen für den Gottesdienst. Krippenspiel. Strahlende Gesichter und wildes Gewimmel. Durch die Stadt zurück nach Hause und entdecken, dass der Rest der Familie schon frierend vor der Tür steht. Tisch decken, Bescherung und dann essen.
Am liebsten hätte sie sich da schon aufs Sofa zurückgezogen. Einfach nur Beine hochlegen und Weihnachtsoratorium hören. Stattdessen stand sie schon wieder in der Küche und war damit beschäftigt, noch die letzten Teller und Schüsselchen irgendwie in der Spülmaschine unterzukriegen.
Und dann ist da auf einmal dieses Klingeln an der Tür. Der erste Impuls: Ins Esszimmer rufen. „Geht ihr mal?“ Aber die hätten ja sowieso nichts gehört.
Also geht sie zur Tür. Öffnet. Aber - da ist niemand. Nur ein Zettel mit dem Satz: „Freue dich. Ich will bei dir wohnen. Alles Fleisch sei stille vor dem HERRN; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!“
Musik
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Hören in unruhigen Zeiten„Freue dich. Ich will bei dir wohnen. Alles Fleisch sei stille vor dem HERRN; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!“
Was für merkwürdige Sätze. Hineingesprochen in eine hektische Zeit vor 2500 Jahren. Fast 70 Jahre war es her, dass die Babylonier den Tempel und Jerusalem zerstört und die judäische Oberschicht nach Babylon deportiert hatten. Eine lange Zeit.
Eine Zeit, in der die Daheimgebliebenen um das Überleben gekämpft und neue Strukturen aufgebaut haben. Sie sind darum wenig begeistert über die, die da wiederkommen, und meinen, jetzt wüssten sie alles besser. Klar, sie gehören schon zum eigenen Volk, aber 70 Jahre, das verändert Menschen. Die können ja noch nicht mal mehr ordentliches Hebräisch sprechen! Die ticken anders, die sind anders. Anstrengend. Die sollen sich erst einmal ordentlich benehmen, so wie es sich gehört.
Und die Heimkehrer? Was ist mit denen? Auch für sie waren die 70 Jahre eine lange Zeit. Sie waren heimisch geworden in der Fremde. Sie hatten sich gut eingelebt, der Stadt Bestes gesucht – und jetzt sollen sie zurück. „Nach Hause“. Gibt es das überhaupt noch? Dieses „zu Hause“? Wieder entwurzelt, haben sie sich aufgemacht, sind mit Sack und Pack und Kind und Kegel den Weg am Euphrat entlanggewandert, über Syrien und Damaskus, um so die 1000 Kilometer lange Wüste zu umgehen. Nur um dann in Jerusalem anzukommen, diesem kleinen verfallenen Bergnest am Rand der Welt.
Dort treffen sie aufeinander. Die Alteingesessenen und die Heimkehrer. Fremdgewordene in einer fremd gewordenen Stadt. Dass das zu Unruhe führt und zu Problemen, das kann man sich denken.
Und so erklingen die Worte des Propheten Sacharja genau im richtigen Moment. Für Gottes Volk, das gerade irgendwie hektisch versucht, in einer komplizierten Gemengelage zu überleben und irgendwie zu Atem zu kommen: „Beruhigt euch. Werdet still. Besinnt euch. Kommt zu euch. Kommt zu Gott. Denn Gott kommt zu euch.“
„Freue dich. Ich will bei dir wohnen. Alles Fleisch sei stille vor dem HERRN; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!“
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Musik
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Und wenn wirklich einer einziehen würde?„Freue dich. Ich will bei dir wohnen. Alles Fleisch sei stille vor dem HERRN; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!“
Eigentlich findet sie nicht, dass noch jemand bei ihnen wohnen sollte. Es ist voll genug. Gerade heute. Naja, wird ja auch nicht so ernst gemeint sein, es ist ja überhaupt niemand da, der einziehen könnte. Das Treppenhaus, der Flur - ganz leer.
Nein. Fast ganz leer. Auf einmal fällt ihr auf, dass da noch mehr Zettel sind. Vor jeder Tür liegt ein mit Worten beschriebenes Blatt. Wirklich vor jeder Tür…
Vorsichtig geht sie zu einer anderen Tür, bückt sich, liest. Ja, da steht dasselbe. Tatsächlich:
„Freue dich. Ich will bei dir wohnen. Alles Fleisch sei stille vor dem HERRN; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!“
Wenn das wahr wäre… sie ertappt sich bei dem heimlichen Wunsch, dass da doch jemand sein könnte. Einer, der einzieht und Freude mitbringt. Und Ruhe.
Das wäre doch schön. Oder?
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Musik
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Hier wohnt GottDer Prophet Sacharja sagt Gottes Volk: Macht auf euch. Geht auf Gott zu. Gott kommt euch entgegen. Still und voller Freude zieht Gott bei euch ein. Er zieht ein in den Tempel. In sein Haus. In dieses Haus, das dafür da ist, dass jeder dort hinkommen kann. Ein Haus, in dem alle gemeinsam beten, die Einheimischen und die Fremdgewordenen, die mit Wurzeln und die ohne.
In diesem Haus ist Raum für jeden. Für die, die in der Fremde gelernt haben, dass Gott überall ist. Dass Gott kein Haus braucht, um zu uns kommen. Und genauso für die, die einen Ort brauchen, um Gott zu suchen. Die sich ein Haus wünschen, um zur Besinnung zu kommen. Um zu Gott zu kommen.
Gott zieht ein und nimmt Raum ein, dort, wo Menschen miteinander Freude teilen und dem Ruf folgen, dass Frieden sein soll auf Erden. Für alle Menschen.
Damit wird der Blick weit. Das kleine Israel bleibt nicht für sich. Nicht Israel allein ist Gottes Volk. Sondern alle, die sich Gott zuwenden. Auf Gott zukommen. Auch zu ihnen kommt Gott.
Ruhe. Und Frieden. Für Israel. Für alle Völker. Für uns.
„Freue dich. Ich will bei euch wohnen. Alles Fleisch sei stille vor dem HERRN; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!“
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Musik
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Kommt!Noch einmal liest sie die Worte. Dann geht sie hinein in die Wohnung. Sie nimmt eine Kerze vom Tisch. Sieht die anderen an.
„Kommt!“
Sie geht los. Die anderen folgen ihr. Sie machen sich auf. Von Tür zu Tür. Schauen, staunen, lesen. Läuten. Überall. Eine Tür nach der anderen öffnet sich. Nicht jede Tür. Manche bleiben geschlossen. Aber je mehr Türen sich öffnen, desto mehr werden sie. Mehr Menschen. Mehr Kerzen. Das Läuten verbreitet sich. Und das Licht auch.
Erst nur im Hausflur, dann draußen auf der Straße. Immer wieder: „Kommt“. Das Staunen wird größer. Immer mehr Menschen kommen und machen sich auf. Sie folgen der Spur des Kerzenlichts, die sich durch die Stadt zieht. Bis hierher. Zum Kirchturm.
Einige sind schon da. Viele kommen dazu. Steigen die Treppen hoch. Stufe für Stufe. Treten ein durch das weit geöffnete Portal. Erblicken die Kerzen, die die dunkle Kirche in lebendiges Licht tauchen. Singen und schweigen.
Einmal noch schaut sie auf den Zettel in ihrer Hand. Liest die uralten Worte. Sieht sich um. Und hört, wie die Worte in ihrer Hand hineinklingen in den Gesang der Engel:
„Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“
Ihr Atem kommt und geht. Stille breitet sich in ihr aus. Und Freude. Gott ist da.
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Stille
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Lied "Ich steh an deiner Krippen hier"
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